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erstrecken, hat mit meinen Vorschlägen durchaus nichts zu thun. Der Handwerkerstand hat, wohl organi- sirt, solchen Verein nicht nöthig; er hat bis jetzt und schon seit mehreren Jahrhunderten: Untcrstützungs-, Kranken - und Sterbekasscn ausznweisen und bedars nur der Erhaltung derselben. Was aber die Arbeiter in den Fabriken anbctrifft, so weise ich auf die unten stehende Anmerkung hin *). Aber, fragen wir —, wo sitzt die Wurzel des Nebels? — AIS vor einem Viertcljahrhundert die Nachwehen eines langen, verderblichen Krieges eine Aufhülfe des Burgerstandes nothwendig machten, wurde uns die Gewerbefreiheit gegeben. Gewerbe freiheit hat einen schönen Klang; sie verstattet einem Jeden frei und ohne Zwang gegen eine bestimmte Steuer sich durch ein Gewerbe seinen Unterhalt zu erwerben; das drückende Zunftwe sen wurde abgeschafft und Alle blickten mit freudiger Erwartung in eine bessere sorgenfreiere Zukunft. Hat die Gewerbefreiheit diese Hoffnungen erfüllt? Ist der Handwerker jetzt in der That glücklicher und sorgenfreier? — Es thut mir leid, auf tausend, Elend verkündenden Gesichtern die Bestätigung des traurigen Gcgentheils lesen zu müssen! Aber auf der andern Seite hat das Publicum, welches die Producte der Gewerbtreibenden kauft, seit' dcrGewerbcfreihcit dauerhaftere, bessere und geschmack vollere Arbeit empfangen? Ich frage Sie, meine Le ser, Sie Alle, denn Jeder bedarf der Arbeit des An dern, ich frage Sie, und Wenige werden seyn, die ein Ja darauf antworten können. Es ist und kann keineswegs meine Absicht seyn, dem Zunftwesen, wie es bestand, in allen seinen Kleinigkeiten, Chikanen und Bedrückungen das Wort reden zu wollen; aber eben so wenig kann ich der Gewerbefreihcit in ihrer ganzen Ausdehnung meinen Beifall geben. Wenn man von den Nebeln der Gegenwart in Beziehung auf die Gewerbtreibenden spricht, so hört man als deren Grund eine zügellose Concurrenz mit ängstlichem Kopfschütteln hervorheben. Concur- ") Herr Stermig, Inhaber der Eisengießerei hieselbst auf der Nicderstadt, hat sein ganzes Arbeiterpersonal durch eine wohleingerichtete Kranken - und Sterbekasse, zu denen seine Arbeiter wöchentlich, im Verhältnis! ihres Verdienstes, geringe Beiträge liefern, auch gegen zufälliges Unglück »ach Kräften sicher gestellt. ! rcnz ist ctwas GutcS und zugleich Nothwcndiges, aber zügellose Concurrenz? Was ist zügellose Con- curreuz und was sind ihre Folgen? — Es ist das Bestreben, durch alle nur erdenkliche Mittel den ei genen Vortheil und den Ruin Anderer herbeizu führen, durch fabrikmäßige Betreibung der Gewerbe den bemittelteren Einzelnen zum Zwinghcrrn der Un bemittelte» zu machen, durch Schwindelei das Publicum zu betrügen und mit der Zeit den ehrenwerthen Stand der Gewerbtreibenden, einen der Grundpfeiler deS Staates, aufzuheben und in einen Stand von Fabrik arbeitern zu verwandeln. Bereits fängt daö schöne Wort: „Meister" das sonst einen so guten Klang hatte, an, in Mißkredit zu kommen, und die Zeit wird wahrhaftig nicht mehr fern seyn, wo für dieß schöne Wort ein geeignetes Subject mit der Brille zu suchen seyn wird. Was ist der Grund zu dem Allen? Die Gewerbe freiheit! Und was die schrecklichste Folge für den Stand? Der gänzliche Ruin seiner Mitglieder. Ich weiß, daß es Vielen nicht angenehm ist, wenn ich von der Nothweudigkeit spreche, die Gewerbesreiheit zu beschränken und an die Stelle des verhaßten Zunft wesens eine zeitgemäße Gewerbeordnung einzu führen. Aber bei alle dem, die Nothweudigkeit ist vor handen und wird bald mit einem gebieterischen Muß auftreten. Es ist sonderbar, daß die Regierung, welche die Leistungen Aller, die durch Staatsämter oder öffentliche Unternehmungen ihr Brod erwerben, so genau und sorgsam überwacht, so schwere und specielle Eramina angeordnet hat, in dieser Beziehung den Handwerker stand so gänzlich übersieht. Einem jeden Handwerker, der kaum die Lehrjahre überstanden, ist es verstattet, sobald er im Stande, ein Etablissement zu bewerkstelli gen, selbstständig aufzutreten, den Meistertitel in An spruch zu nehmen, ohne daß Jemand ihn nach seinen Qualificationsattesten sich zu fragen die Mühe nimmt. Wenn die Regierung dabei von dem Grundsätze ausgcht, daß der Ungeschickte nothwcndiger Weise un tergeben und dem Geschickteren weichen müsse, daß daraus für Jeden die Nothweudigkeit hervorgehe, sich, um bestehen zu können, nach besten Kräften auszubil den, so hat dieß seine vollkommene Richtigkeit; aber cs wird dadurch keineswegs der Voreiligkeit Einhalt gethan, mit welcher eine Menge junger Leute in Ue- berschätzung des Erlernten sich ctabliren, sich vcr-