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Ein Wort über die Dienertrachten. Die Livree hat zum Zwecke, auf eine scharfe Weise den Bedienten von seinem Herrn zu unterscheiden; sie ist eine sociale Nolhwcndigkeit der Civilisation; denn wäre es dem Diener erlaubt, sich ganz und gar zu kleiden, wie seine Herrschaft, auf welche schnelle, un mittelbare Weise könnte man sie von einander unter scheiden? Die Livrüe ist das schnellste und untrüglichste j Merkmal der gesellschaftlichen Steilung desjenigen, der sie trägt, und desjenigen, der sie tragen läßt. Die Tracht vornehmer Livrve ist das friedliche Hauptzeichen der gesellschaftlichen Stände. In den Häusern ersten Ranges, wo Geburt- und Geldadel noch, wie in frü hem Zeiten, herrschen, halten die Bedienten, welche mit der großen Livree angethan sind, es für abgemacht, daß sie selbst zufolge der hohen Stellung und Les Ver mögens ihrer Herrschaften eine persönliche Wichtigkeit haben, und das materielle Glück, dessen sie sich freuen, erhebt sie über ihr Loos und macht ihnen ihre Lage selbst wünschenswerth. In dieser übergoldeten Knecht schaft werden die Bedienten hohen Ranges gewöhnlich gut genährt, haben eine, in Bezug euf Gesundheit und Bequemlichkeit gute Wohnung, werben gut und den Jahreszeiten gemäß gekleidet, habe-, gute Bezah lung, und außer diesen wesentlichen Beringungen des materiellen Lebens gewährt man ihnen oft noch einen Ruhegehalt für ihre alten Tage. Der Bedientenstand in reichen Hruscrn hat seine Hierarchie. Der Kammerdiener eins großen Herrn ist ein Mann, der sich nicht seilendes ganzen Zu trauens seines Gebieters erfreut. Gfällt der Klei dermacher dem Kammerdiener nicht, so äust er Gefahr, die Kundschaft des Hauses zu verliere. Wollte man Alles schreiben, was sich über Livmernid Lwräebe- diente sagen läßt, und alle Mittel angw», deren sich ein Kleidermacher zu bedienen hat, um sich mit der Dienerschaft eines vornehmen Hauses auffutem Fuße zu erhalten, mau fände Stoff zu einem di.» Buche; allein wir wollen lieber schweigen, alsstber diese schwache Seite unserS Gewerbes sprechen, -»chse Ue- bcrgehung, welche mau uns zu gut halten ww, ver hindert uns nicht, zu behaupten, daß, wenn cin--,xrr seine Dienerschaft auf gar zu bizarre Weise, oder^ der Würde des Menschen zuwider kleiden will, es>ch Pflicht eines jeden Schneiders ist, die Rechte schg Standes soviel wie möglich geltend zu machen, um den ausschweifenden Geschmack deS Herrn zu mäßigen, und wo möglich dahin zu bringen, seine Leute vernünf tig kleiden zu lassen. Wenn es auch eine große An zahl Bediente giebt, welche sich unter der Livrüe nicht im Geringsten erniedrigt fühlen, so findet man hinge gen viele andere, welche keine Uebertreibungen in ih rer Tracht ertragen, ja deren Emfindlichkeil in diesem Punkte w weit geht, daß wir mehrere gesehen haben, welche lieber einen guten Platz aufgaben, als, gleich ihren Kameraden, englische Sacktamascheu mit Falten und Verzerrungen von oben bis unten an ihren Bei nen zu tragen. Von dem Vollendeten in der Anfertigung der Kleider. Das Vollendete in der Arbeit ist das Gepräge, welches den Kleidermachcr ersten Ranges kund giebt; es ist die letzte Feile ai^euwin Werke, zu dessen Voll kommenheit man nichts *Uehr hinzuthuu kann. Es giebt mehrere Dinge in einem Kleidungsstücke, welche die Vollendung mehr oder minder unvollkommen ma chen. Die höchste Aufmerksamkeit verdient die Gedie genheit der Arbeit in Bezug aus Dauer und Stärke, welche, obgleich sie im Grunde den Werth des Klei dungsstückes ausmacht, dennoch am seltensten gefunden wird. Diese in ihrem Wesen höchst moralische Voll endung ist für den ehrlichen Arbeiter eine Gewissenssache, weil sie fast ganz in den verbor genen Theilen der Ausarbeitung liegt und man sie ihm auf Treu und Glauben bezahlt. Die vollendete Zierlichkeit und Anmuth muß sich auf einen guten Schnitt stützen, und entspringt aus der genauesten Zu sammensetzung aller Theile, woraus ein Kleidungsstück besteht, aus der Kunst, mit der man die Besätze macht, und endlich aus der mehr oder minder glücklichen Art und Weise der Ausbügelung; und zuletzt die vollen dete Nadelarbeit in Naht, Stepperei und Knopfloch characterisirt vorzüglich die Tracht hoher Gesellschaft, wenn alle diese Vollkommenheiten, welche die höchste Belohnung deS für seine Kunst eingenommenen Schnei ders sind, durch die Schönheit sämmtlicher Nebcnum- stäude gehoben und gestärkt werden. Unterdessen muß man gestehen, ein Kleid von dem schönsten Stoffe und