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125 126 lichkeit vorhanden. Obgleich derselbe sehr dick ist, so ist doch seine Brust noch stärker entwickelt als sein Bauch, was ec zum Theil der Art und Weise, sich knapp zu kleiden, verdankt. Der Frack unserS dicken Mannes ist zweireihig und mit schawlförmigem Kragen und Anglaisen ver sehen , die etwas oval gehalten und durch eine elasti sche Tricot-Zwischenlage zwar ganz dünn bearbeitet, aber doch hinreichend unterstützt, um sich nicht leicht zu zerknittern; ein wesentlicher Umstand für die Auf rechthaltung der Grazie. — Die Aermel bedecken ein Wenig das Handgelenk und ihre mäßige Weite läßt dem Arme freien Spielraum. Die an ihren Enden rundlich geschnittenen Schöße sind von der Breite, welche sie haben müssen, um weder zu ärmlich knapp, noch zu voluminös zu sein. Das im Ganzen so ver nunftgemäße Kleidungsstück steht mit der Körpercon formation des Mannes im vollkommensten Einklänge und giebt ihm ein wahrhaft vornehmes Ansehen. Das Gilet stellen wir in weißeingefaßtem ost indischem Nankin dar, um zu zeigen, daß man deren so trägt; allein die Leser werden nicht verkennen, daß zu diesem Frack auch weiße Gilets von glattem oder reichgearbeitetem Pique oder feinen Wollenstoffen mit kleinen Mustern ebenfalls paffen und wohl noch em- pfehlenswerther sind. Alle auffallenden Nüancen da gegen würden für das Alter dieses Mannes geschmack los und unpassend erscheinen. Die Beinkleider sind von blaugestreiftem Zwillich mit weißem Grunde. Ihr Schnitt ist bequem, aber von ausgezeichnetem Aplomb, da sie ebensoschön sitzen, als ob sie mit Stegen versehen wären. Die Zeichnungen Nr. 25 bis 31 der heuti gen Patronentafel liefern die vollständigen Schnitte zum ganzen Costüm des obenbeschriebenen dicken Herrn. Frack und Gilet sind nach der vorhinbeschriebenen Zeich nenmethode aufgestellt und, wie gewöhnlich, mit dem in 48 getheilten Maßstabe der halben Oberleibweite gezeichnet. Da nun diese Weite hier 60 Centimeter beträgt und daher die 48 Theilchen derselben sehr groß sind, während doch sowohl die Achselbreite, als die obern Distanzen dec Längenpunkte im Verhältniß zur Oberleibweite fast kürzer ist, als beim proportio- nirten mittleren Wüchse, so leuchtet von selbst ein, daß man für den dicken Mann nicht ebensoviel Ober- weitentheile zur Armlochtiefe, Achselbreite u. dergl. nehmen darf, als beim schlanken Wüchse, weil sonst der Schnitt des Dicken in allen Distanzen höchst un förmlich ausfallen würde. Nur durch die genaueste Körperberechnung aller verschiedenen Größen und Con formationen ist es möglich, jene Uebelstände zu besei tigen und durch festgesEellte Anhaltepunkte ein günsti ges Resultat zu erreichen. Die Zeichnungen Nr. 25 bis 30 der Patronentafel sind nach diesem Grund sätze der Körperberechnung aufgestellt und gewiß für jeden denkenden Meister von ganz besonderem Interesse. (Fortsetzung.) Das erste und natürlichste Mittel, um jene schwie rige Aufgabe zu lösen, besteht in gewissen vortheilhaf- ten Maßanlagen und möglichst genauer Prüfung des Wuchses b--^ „ Maßnehmen. Dies ist namentlich un erläßlich iw ' Wendig, sobald man sich nicht blindlings auf das in großen Städten übliche Anprobiren der Kleider verlassen will oder kann; und selbst dann noch ist es in den meisten Fällen nöthiger, als viele glau ben; denn sobald man z. B. für den vorgeboge nen Wuchs nicht gleich Anfangs denRückenoben höher, die Vordertheilsachsel gerader und näher an den Hals stellt, wird man selbst durch zehnmaliges Anprobiren den Rock nicht zum Paffen bringen oder gar genöthigt sein, das Fehlende durch Anbringen eines Stückes auf der Achsel zu ersetzen, wie man dies in so vielen Werkstätten beobachten kann, wo das Anprobiren der einzige Anhaltepunkt ist, aber leider nur zu ost trügt. Um nun derartige Uebelstände zu vermeiden, ist es nicht nur erforderlich, alle geeignete Maßanlagen