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177 178 hältniß zum Oberkörper sehr schwachen Untcr- leibweite, oder eines zurückgebogenenOber- körperS sein. — Diese drei Fälle machen auf die Stellung des Schnittes einen eben so verschiedenen Eindruck und sind deshalb wesentlich zu berücksichti gen. Denn während im ersteren Falle die stärkere Einbiegung deS Kreuzes am Schnitte dadurch be zweckt wird, daß man den Rücken in der Milte et was gewölbt und überhaupt die Hintere Partie voller schneidet, weil der Rücken des Mannes voll und gewölbt ist, ändert man im zweiten Falle am propoctiouirten Schnitte fast gar nichts ab, weil der Schnitt von selbst schärfer in die Taille geht, wenn er unten eng ist, wie es der Wuchs dieses Mannes erfordert. Im dritten Falle dagegen würde man, je nach Verhältniß des mehr oder minder zurückge- bogcnen und daher in der Taille scharf markirten Wuchses, das Seitentheil des Schnittes nach unten enger oder mehr hereinstellen müssen, welcher Be trag dafür vorn am Theile stehen bliebe, weil der Mann sich mit dem Unterleibe nach vorn heraus preßt. — Mau ersieht aus alle dem, daß bei'm Messen der Taillenlänge, dies an sich so einfachen Maßes, doch so Manches zu beobachten ist, woran viele, und be sonders oberflächlich gebildete, Klcidermachcr oftmals kaum denken. Der Geübte dagegen erkennt die ganze Wichtigkeit der Sache und sucht sich durch aufmerk same Prüfung des Wuchses vor möglichen Fehlgriffen zu bewahren. Er übersicbt daher mit einem Blicke die ganze Stellung des Körpers, prägt sich dieselbe entweder in'S Gedächtniß ein oder notirt sich die et waigen Unregelmäßigkeiten ober Eigenheiten des Wuch ses in sein Portefeuille. Wer Zeichnen gelernt hat, dem ist cö auch eine geringe Mühe, sich gleich die ganze Ansicht des Oberkörpers mit dem Bleistifte flüch tig hinzuwerfen, was bei außergewöhnlichen Fällen, z. B. bei Schultern von ungleicher Höhe, bei sehr platten ovcr zu hochgestellten Schultern, bei stark ein gebogener Taille, sehr gebücktem oder auch gestrecktem Oberkörper und dergleichen, oft wesentliche Dienste lei stet, wenn man sich auch nicht die ganze Figur, son dern nur den betreffenden wichtigsten Theil dcr,el- ben aufzeichnet, um sich die ganze Stellung später bei'm Zerschneiden um so besser vergegenwärtigen zu können; denn hierin liegt zum Theil die wahre Praxis'). — Wir geben auf unserer heutigen Patronen tafel von Nr. L bis verschiedene derartige Ab bildungen. Die erste Figur, Nr. 1, ist ganz wohlgestaltet, auch weder zu sehr aufrecht, noch vorgebogen. Die Brust ist nicht, wie man eS zuwei len bei Gutgewachsenen findet, allzusehr herausgedrückt, jedoch auch nicht flach. Mit diesem Wüchse bitte ich nun, alle folgenden zu vergleichen. Der Mann Nr. T ist ebenfalls gut gewachsen, drückt sich jedoch vorn schon mehr heraus, als eS der Fall sein sollte. Sein Rücken ist dagegen cin- gezogen, in Folge dessen die Schultern zurück gebogen sind. Hier würde man nun hauptsächlich das Ava neementmaß, sowie die Brust- und Rückenbreite, sehr genau zu messen nöthig haben. -) Jemehr hieraus hcrvorgehl, wie wichtig es für den an gehenden Kleidcrmacher ist, sich im Zeichnen zu üben oder ge übt zu haben, was schon bei'm Zuschneiden selbst wesentliche Dienste leistet; — jcmehr unser Gewerbe mit jedem Jahre schwie riger wird und immer mehr sich zur Kunst erhebt; — jemchr überhaupt in unsern Zeiten ves Fortschrittes ein Jeder Ursache hat, seinen Gesichtskreis und das Maß seiner Kenntnisse zu er weitern, — um so mehr ist es an den verehrlichen Meistern selbst, ihre Gehülfen zur Benutzung der in vielen Städte» be stehenden Sonntagsschulcn zu ermahnen, auch wohl für sie selbst Anstalten zu gründen, in denen einzig und allein das für den Kleidermacher zum Zuschneiden nöthige geometri sche Zeichnen und die Kenntniß der verschiedenen Körpergestaltungcn gelehrt wird. Das hier in Leipzig von uns gegründete „Zeichnen-Institut für Kleider macher" würde am besten hierzu als Muster dienen; auch sind wir gern erbötig, etwaigen Unternehmern über die ganze Ein richtung und Leitung des Unterrichts Auskunft und Rath zu er- theilen. Die gedruckten Statuten unserer Anstalt stehen eben falls Jedem unentgeldlich zu Diensten. — Für die Gesellen der jenigen Städte, wo keine andere Gelegenheit zur Ausbildung und Vorbereitung für ihren künftigen Lebensberuf vorhanden ist, empfehlen wir unser neuestes Werk „über die zeitgemäße Kleidermacherkunst" zum gründlichen Selbstunter richte. Dieses sehr leichtfaßlich geschriebene und durch mehr als lOOZeichnungen erläuterte Buch läßt an Gründlichkeit und Voll ständigkeit nichts zu wünschen übrig, und ist als solches bereits durch drei starke Auflagen von Tausenden unserer Geschäftsge nossen anerkannt. Wir ersuchen die verehrlichen Meister, ihre Gehülfen darauf aufmerksam zu machen, um so mehr, da das Werk auch alle Vortheile der neuern geschmackvollen Bearbei tung sämmtlicher Herrenkleider gründlich lehrt. — Gegen Ein sendung des Betrags von Rthlr., Ritterstraße Nr.34 in Leipzig adressirt, liefern wir das Werk auch direct durch die Post und zwar portofrei.