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175 176 den, daß das genommene Maß zuweilen hinter sei ner relativen Wichtigkeit zurückblcibt; allein cs dür fen dies nur Ausnahmen sein und sind sogar Sel tenheiten, je großer die Sorgfalt, Geschicklichkeit und Routine ist, mit welcher ein Mann von Fach sein Maßsystem verfolgt. Beobachten wir dagegen manche junge Anfänger, die vielleicht nicht eher daran dachten, gehörig Maßnehmen undZuschnei- den zu lernen, bis sie Meister werden woll ten *), so finden wir zuweilen einen gewaltigen Un terschied. Ma» lasse dergleichen oberflächlich gebildete Schneider nur einem und demselben Manne mehrmals hintereinander Maß nehmen und jedesmal wird sich ein anderes Resultat ergeben. Kein Wunder also, daß das Gelingen eines Kleidungsstückes bei so be- wandtcn Umständen mehr Zufall ist, wovon derglei chen Zuschneider sich selbst keine Rechenschaft geben können. Dies ist um so mehr der Fall, wenn ein Kleidungsstück erst durch Nachhelfen und Abän dern zum Passen gebracht und sonach die ursprüng liche Reinheit der Zeichnung des Schnittes gänzlich zerstört wird. — Dieses zeitraubende und unange nehme Verfahren hat, wie gesagt, entweder seinen Grund in der Un kennt» iß geeigneter Maßanlagen, oder in der falschen Anwendung derselben; sehr oft auch in der unzureichenden Sicherheit und Sorg falt bei'm Maßnehmcn, wozu mitunter auch noch eine an sich selbst schon fehlerhafte Zuschneide methode kommt. — Wir haben in unfern frühem Abhandlungen schon auf so manchen Mißbrauch, aber auch auf viele noch wenig bekannte Vortheile bei'm Maßnchmen aufieerksam gemacht und werden hierzu in der Folge noch -nehr Gelegenheit haben, sollte auch zuweilen Etwas v -kommen, was Vielen schon bekannt sein dürfte. Bei^heilen eines großen Gan zen ist dies oftmals unvermee^lich, sobald nicht auf der andern Seite nachtheilige Lücken im Zusammen hänge entstehen sollen. — Wendn wir uns nun zur Fortsetzung unserer Körpermessung«.'-re, so kommen wir zunächst auf *) Leider wiederholen sich diese Beispiele fast .'glich „iw noch dazu in Großstädten, wo doch jeder Gehülfe die und billigste Gelegenheit zu seiner Ausbildung hat, wie z.B! jx,: in Leipzig. Hoffentlich wird das überall sich kundgebende Strebe»^^ achtbarer Vereine nach geistiger und sittlicher Bildung des Ge lenstandes seinen wohlthätigen Zweck auch hierin erfüllen. 4) die Taillcntänge. Um dieses Maß richtig zu erhalten, legt man den Centimeter auf der Mitte des Krageus am Hals- loche an, beobachtet jedoch, ob das Kleidungsstück, welches der Mann eben trägt, in der obern Partie nicht etwa fehlerhaft, d. h. zu hoch oder zu tief ist. Wäre dies der Fall, so richtet man sich nach dem, bei'm männlichen Körper stark hervorstehenden, Halswirbelknochen, welcher stets den richtigen Punkt bezeichnet. Von da mißt man bis in ven Schluß der Taille; die beliebige Verlängerung derselben notirt man sich besonders. — Um die Lage der Taille richtig zu treffe», ist es nicht immer hinreichend, sich nach dem Kleide zu richten, was der Mann eben trägt, weil dies leicht fehlerhaft sein könnte, sondern man fühlt genau nach der wirklichen Lage der Hüften, senkrecht unter den Armen. Von hier auö denkt man sich eine horizontale Linie nach hinten, und nimmt dann, je nach der Größe des Man nes, 3 — 5 Centimeter tiefer, das Maß zur gewöhn lichen Taillenlänge. Die Verlängerung derselben am Kleidungsstücke ist beliebig und kann, je nach der Mode oder dem Willen des Clienten, von 2 bis zu 10 Centimeter betragen. Alle Uebertreibungen hierin zeugen von schlechtem Geschmacke; der solide Kleider macher wird daher nie so leicht darin auSarten, son dern, so lange es nicht die mitunter gern etwa^ bizarre Mode unumgänglich bedingt, lieber den Mit telweg festhalten. Indem man das Maß der Taillenlänge nimint, ist es der günstigste Moment, sich durch möglichst schnellen Ueberblick von dem Baue der Hin tern Partie des Körpers, sowie der Schul tern und Hüften genaue Kenntniß zu ver schaffen, ohne welche man nie im Stande ist, einen Schnitt fehlerfrei herzustcllen; denn cs herrscht in kei nem Theile des Körpers eine so große Verschiedenheit, als in der Wölbung des Rückens, in der Ein biegung des Kreuzes, sowie in der Schulternstellung und Hüftenstärke. — Von der Wölbung des Rük- kens hängt zwar zuweilen die mehr ober minder starke Einbiegung des Kreuzes ab; allein wir finden auch sehr eingebogene Taillen bei Personen, deren Rücken nicht im Mindesten gewölbt, sondern oftmals eher ein gezogen und flach ist. In diesem Falle kann also die zu starke Krcuzeinbiegung nur Folge einer, im Ver-