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in Geilage zu Rr. 114 des „Mts- und Ameigeblattes". Eibenstock, den 26. September 1891. itzen re. »ernsten (meh l'. W-) x scheu 7. reisen r. ebroch- c und » micb, i» und te Re- nannte u ver- kehme. ld' Obst t feil. «I. (»lk. mat- z, den > von cation 21 :e «I. n. Uhr: ng. )Uhr: m. a. 18. lasten lard ermit It. latt. Jrrthümer. Roman von Karl Ed. Klopfer. (7. Fortsetzung.) Er wandte sich mit unsicheren Schritten nach der Bank. Unterwegs versuchte er cs, eine Bilanz auf- znstellen, wie groß sein Verlust sei und ob der ge rettete Rest beiläufig die angegriffenen Gelder seines Hauses decken könnte. Aber er vermochte keinen klaren Ueberblick zu gewinnen. Die Ziffern verschoben sich in seinem Gehirn, ein brennendes Gefühl durchzuckte ihn und schrie mit kreischender Stimme in ihm: „Du hast unterschlagen!" Merkwürdig, wie dieser Gedanken erst jetzt mit solcher furchtbaren Deutlichkeit vor ihm stand! Das war das Erwachen nach dem wahnsinnigen Taumel, der ihn seit den letzten Monaten erfaßt hatte. — Auf der Bank angekommen, hatte er sich soweit gefaßt, um einen klaren Ueberblick M gewinnen. Das Defizit war thatsächlich nicht so bedeutend, und Sor- niann konnte es in einigen Monaten vollständig decken, wenn ihm nur ein bischen von dem Glück tren blieb, mit dem er früher, zu Anfang seiner eigenen Speku lationsunternehmungen, operirt hatte. Aber weher das Kapital zu neuen Spekulationen nehmen? Der Fonds, den er seit einem Jahre nach und nach gesammelt hatte, war jetzt spurlos in dem Höllenrachen jenes gefräßigen Ungeheuers verschwun den, das schon so viele unglückliche Schicksalsgenossen Sormanns verschlungen hatte. Es gab aber kein Zurück mehr! Sormann sah sich gezwungen, mit den Kassen geldern seiner Firma weiter zu spckuliren, wenn er nicht vor den Chef hintreten und seine Unredlichkeit offen bekennen wollte. Es gab Augenblicke, wo er fest dazu entschlossen war, aber immer fielen ihm dabei die Worte Ertls ein, die ihm jetzt doppelt ominös klangen: „In Ge schäften kommt bei mir nur der Kaufmann zum Wort!" — Er war gewiß, er würde unnachsichtlich an den Pranger gestellt worden sein. Und Olga? Der Gedanke an sie, für deren Besitz er sich in diesen anfrcibenden Kampf gestürzt hatte, machte sein Blut erstarren. Er hatte seit jenem Ballabend kein einziges vertrauliches Wort mehr mit ihr gewechselt, aber ihr süßes Lächeln stand ihm ewig vor Augen und war der Sporn, welcher ihn in dieses wilde, halsbrecherische Rennen getrieben hatte. Und auch jetzt stachelte ihn dieser Sporn zu un aufhörlichem Borwärtscilen an, mochte cs nun kommen, wie es wolle. Ohne hinter oder neben sich zu schauen, verfolgte er die schlüpfrige Bahn, die nach einem flimmernden Glück führte — freilich hart vorbei am Abgrunde des Verbrechens, der Schande. * * * Am 28. November sollte im Hause Möller der Geburtstag des Hausherrn gefeiert werden. ES war beschlossen, daß das Fest nur im kleinsten Kreise ab gehalten wurde. Die Familie Ertl allein war ein geladen. Schon bei anbrechendcr Dunkelheit holte Frau Möller Olga aus der Heiligengeistgasse ab; die Eltern sollten erst am Abend erscheinen, da Herr Ertl dnrch wichtige Geschäfte verhindert war, seine Tochter zu begleiten. Olga war überhaupt seit der Rückkehr von Zoppot fast täglicher Gast bei dem alten Ehepaar Möller ge worden, das sie wie eine Hausgenossin betrachtete. Heute folgte aber Olga ihrer mütterlichen Freundin nicht mit der gewöhnlichen Unbefangenheit, mit der sie sonst das Möllersche HauS zu betreten pflegte. Sie ahnte wohl, daß sie heute daselbst mit einem gewissen Jemand Zusammentreffen werde, obgleich ihre Eltern noch Frau Möller das Geringste darüber verlauten ließen. Sie konnte es.nicht über sich gewinnen, an die alte Dame eine diesbezügliche Frage zu richten. Mit hochgeröthete» Wangen und pochendem Herzen folgte sie der Hausfrau in die behaglich durchwärmten Räume, in denen heute das Wiegenfest des Groß händler« gefeiert werden sollte. Als sie den Salon betraten, athmete Olga auf — er war leer. „Verzeihen Sie, Olga," sagte Frau Möller, nach dem sie sich des Paletots entledigt hatte, „mein Mann wird wohl noch auf seinem Kontor sein. Ich will rasch nach ihm schicken. Einstweilen machen Sie es sich hier bei uns so bequem, wie ich hoffe, daß Sie e« gewohnt sind. Ich bin im Augenblick wieder hier." "Nachdem Frau Möller den Salon verlassen hatte, begab sich Olga ins Nebenzimmer, wo das Piano stand. Hier ließ sie sich nieder, traulich angeheimelt von dem Dunkel, das sie umgab. Der Flammenschein, der von den knisternden Scheiten im Kamin aus- strahlte, war die einzige Beleuchtung. Sie öffnete den Flügel und ließ die Finger prälu- I dirend über die Tasten gleiten. Dann leitete sie mit weichen Moll-Akkorden das Beethovensche Lied eifl: „Freudvoll und leidvoll." Während der letzten rauschenden Takte, die den Refrain begleiteten, hörte sic einen raschen Schritt hinter sich auf dem Teppich. „Daß ich immer nur Sie zu stören kommen muß!" rief eine sonore Stimine, aus der übrigens keines wegs ein Bedauern über diese Störung herauszu hören war, vielmehr klang cs wie ein Jubeln, in dem die letzten Töne des eben gespielten Liedes nach hallten. Olga war aufgesprungen und hatte die Hände auf die hochwogende Brust gepreßt. Erst nach einer kleinen Weile fand sie Worte. „Ah, Theodor, Sie wieder hier?" Er streckte ihr nähcrtretend beide Hände entgegen. „Ja, endlich wieder hier! Aber — Sie scheinen mich ja mit einem förmlichen Schrecken zu begrüßen?" „Nicht doch," sagte sie lächelnd, ihm die Rechte reichend, „eS war nur die plötzliche Ueberraschung. Ich wußte ja nicht —" „Daß ich heute kommen würde? Wenn dem wirk lich so ist, dann bedeutet meine Rückkehr auch sin nlich etwas Schreckliches. Olga, Sie wissen doch, daß sich daran eine wichtige Entscheidung knüpft?" Sie senkte den Blick und wollte die Hand aus der seinen ziehen, aber er ließ sie nicht los. „Verzeihen Sie mir mein Ungestüm," sagte er, „aber wenn Sie ermessen könnten, mit welcher Sehn sucht ich dieser Stunde entgegeusah, so würden Sie begreifen, daß ich bei unserem ersten Wiedersehen das Wort dort wieder aufnchmen muß, wo Sie mich unter brachen. Sie verlangten ja diese mir endlos er scheinende Frist gleichsam als eine Art Bedenkzeit. Darf ich nun die Bestätigung dessen entgegennehmen, was mir diese Zeit über als beseligende Hoffnung vorschwebte?" „Aber, Theodor, ich bitte Sie — Ihre Eltern, sie können jeden Augenblick erscheinen; wie soll ich Ihnen entgegentrcten, wenn —" „Haha! Jst's weiter nichts?" lachte er mnthwillig auf, „o, dann habe ich nichts zu fürchten und meine bangen Zweifel waren grundlos!" Er beugte sich zu ihr nieder und drückte eine rasche Reihe von Küssen auf die kleine Hand, die er noch immer gefangen hielt. Als sie dieselben mit der Anderen abwehren wollte, verfiel auch diese seinem stürmischen Angriff. „Olga," sagte er endlich weich, seinen Arm nm- ihre Schulter legend, „sind wir den nicht ein paar Kinder? Warum dieses Versteck- und Haschcspiel, wo wir in dieser: Augenblick doch beide recht gut wissen, wie lieb und treu wir cs in unseren Herzen mit einander meinen!" Sie ließ cs ruhig geschehen, daß er ihr gesenktes Köpfchen emporhob und einen langen, innigen Kuß auf ihre lächelnden Lippen drückte. „Sieh doch einmal an!" rief in diesem Moment eine Stimme zwischen Lachen und Weinen von der Salonthür her. „Da kann ich den Herrn Sohn freilich lange auf seinem Zimmer suchen!" Olga riß sich los. Theodor wandte sich zu seiner Mutter, die auf der Schwelle stand und mit dem Taschentuch über ihre Augen fuhr, während eine Fluth scherzhafter Vorwürfe über ihre beweglichen Lippen sprudelte. „Theodor, Du pflichtvergessener Junge, ja was sind denn das für Geschichten? Da unten hält schon der Wagen mit unseren geehrten Gästen, Herrn und Frau Ertl, und Du —!" „Aber Mutter!" rief Theodor, sic in die Arme nehmend und sie iin Kreise hcrumschwenkend. „Ich habe Dir ja für diesen Abend meine Braut eingeladen!" Er faßte Olga an der Hand und führte sic herzu. „Sieh, dieses liebliche Trotzköpfchen, das will Dich fortan Mutter nennen!" „Wirklich?" Olga stürzte in die ausgebreitetcn Arme der kleine», dicken Frau, die sie unter Lachen und Weinen ans Herz zog. „So hat der Schelm doch sein Herz entdeckt?" „Aber, Frau Möller," lächelte Olga unter glück lichen Thräncn, „das muß ich ja nur Ihnen danken. Sie —" „Pst!" machte Frau Möller und schloß ihr mit ihrer Hand den Mund, während sic ihr zuflüstertc: „Sie dürfen mich doch nicht verrathcn!" Jetzt hört man draußen Herrn Möller, der die Ankommenden in den Salon führte. Herzliche Will- kommensgrüßc wurden ausgetauscht. „Da sind sic!" rief Theodor unv wollte hinanseilen. Frau Möller hing sich rasch an seinen Arm und sagte im HinauSgehcn: „Halt, Theodor, jetzt — heute noch nicht. Frau Ertl hält ein bißchen auf Zeremonien, sic könnte Dir Deine Ungeduld übelnehmen." „Also bis morgen!" Olga eilte den Eltern entgegen und begrüßte sie so überaus herzlich, daß Herr Ertl lächelnd auf Theodor hinschiclte und mit dem Finger drohte. Der dicke Großhändler jedoch, der mit seiner Gattin einen ver- ständnißinnigen Blick gewechselt hatte, nickte seinem Sohne hinter dem Rücken Frau Ertls so eifrig zu, als wolle er: „Bravo, gut gemacht, mein Junge!" rufen. Dann ging es unter lauter Heiterkeit zum Fest mahle. * * * Heinrich Sormann befand sich während des ganzen Novembers in einem Zustande der Aufregung, der fast an Wahnsinn grenzte und gewiß nicht dazu bei tragen konnte, seine fieberhafte geschäftliche Thätigkeit durch Ueberlegung und ruhige Berechnung zu fördern. Seine Chance» schwankten hin und her. Bald war es ihm geglückt, sich mit einem Geschäft ein wenig aufzuraffen, aber da drückte ihn auf der anderen Seite ein neuer Verlust wieder nieder. Er wie Golding, sein getreuer Knappe, befanden sich in ständiger quecksilberner Thätigkeit. Die Fal lissements der großen Aktiengesellschaften hatten, wie immer, eine ganze Kette anderer nach sich gezogen. "Noch immer war die erschrecklich lange Reihe ver fallenden Geschäftshäuser nicht geschlossen; fast täglich hörte man von einem neuen Opfer, das die furcht bare Krisis gefordert hatte. Auf der Börse war eine entsetzliche Stockung ein getreten. Bei den unaufhörlichen Kursschwankungen wußte eigentlich Niemand recht, was und wie er kaufen oder verkaufen sollte. Die meisten verhielten sich diesem Sturm gegenüber unthätig und warteten, bis er sich gelegt haben werde. Aber Sormann mußte opcriren, ein Stillstand wäre für ihn das sichere Verderben gewesen. Der Tag nach dem Feste im Hause des Groß händlers Möller sollte für Sormann wieder ein böser werde». Er hatte beträchtliche Kursdifferenzen zu decke». Den ganzen Vormittag war er mit Golding auf der Börse beschäftigt, seine Angelegenheiten zu ordnen. Sein Kopf wirbelte ihm, als er um die Mittags stunde nach dem Kontor der Heiligengcistgaffe zurück kehrte. Zerstreut beugte er sich über seine Bücher auf dem Pult, aber seine Gedanken waren nicht bei der Arbeit. Lange saß er so in sich versunken da, als ihn ein fortgesetztes eifriges Flüstern unter den Kommis in seiner Nähe endlich aufzuschen veranlaßte. Einer der jungen Leute stand bei einigen Kollegen und erzählte mit gedämpfter Stimme eine Begeben heit, die seine Zuhörer höchlichst zu interessiren schien. Sogar der alte Fellner, sonst der Eifrigste unter den Eifrigen, der keine Störung im Geschäfte duldete, hatte die Feder weggelegt und hörte von seinem Schreibebock aus dem Erzähler zu. „Was gibt's denn?" fragte Sormann unwirsch. „Ah, Sie wissen's noch nicht?" sagte der Buch halter. „Ach richtig, Sie waren ja heute noch nicht hier. Nnn denn — man hat schon lange etwas ge munkelt über den Sohn von I. A. Möller, den Doktor, und Fräulein Ertl —" „Ucbcr Fräulein Olga Ertl?" rief Sormann und warf sein Kassabuch mit einer heftigen Gebärde zu. Die Kommis sahen ihn erstaunt an. „Jawohl, über Fräulein Olga," sagte Herr Fellner lächelnd. „Es wird jetzt bald eine Verlobung im Hause geben." Sormann erstickte den Schrei, der ihm in der Kehle steckte. Erst nach einer Pause hatte er sich so weit gesammelt, daß er anscheinend kaltblütig fragen konnte: „Mit — dem Doktor Möller?" „Natürlich. Der Herr Doktor ist vor etwa einer Viertelstunde in vollem Wichs hinaufgegangen und hat Herrn Ertl ans dem Kontor hinausbitten lassen. Jetzt wird oben geworben — dauert schon an die zehn Minuten!" Sormann flimmerte es vor den Augen. Er hörte nicht mehr auf das ihn umsummende Geschwätz. Er hielt sich krampfhaft an der Ecke seines Schreibtisches und starrte ins Leere. Tausend Messer zerfleischten sein Inneres. So war'S also gekommen! Und darum hatte er gestrebt, gerungen — bis zum Verbrechen! Ja, ja, er war ein schlechter Kaufmann. Er hatte mit wesen losen Faktoren gerechnet, sein ganzes Fazit war — ein vcrhängnißvoller Jrrthum! Wie Hohngclächter kain Sormann diese furchtbare Erkcnntniß. Wie absurd, wie lächerlich erschien ihm mit einem Male sein ganzes Thun! Erhalte bisher stets geglaubt, Olga wisse von seinen kühnen Plänen — kindischer Wahn! ES war ja auch schließlich so natür lich, daß die schöne stolze Dame eS von jeher gewohnt