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lieber Dampfmaschinen. Auszug aus dem Dortrag des Herrn Ing. Kirchner im „Berliner Färber- und Fachgenoffen.Verein." (Hierzu die Figurentafel.) Bei einer neu zu beschaffenden Dampfma- schinen-Anlage wirst sich von selbst die Frage auf, welche Maschine bei dem jedesmaligen spe- ciellen Fall den Vorzug verdiene. Um sich hierüber ein Urtheil bilden zu können, ist es nöthig, sich der Constructionsprincipien der Dampfmaschinen klar bewußt zu sein. Bei ei ner Cplinder-Dampfmaschine hat der Dampf lediglich einen Kolben hin und her zu schieben. Zu dem Zwecke muß er einmal vor und dann wieder hinter dem Kolben wirken. Dies zu erreichen, dient die Steuerung. Am meisten gebräuchlich für die Vertheilung des Dampfes ist, besonders für kleinere Maschinen, die Schie bersteuerung. In Fig. 1 würde gerade frischer Dampf bei u durch den Kanal b hinter den Kolben treten können, während der vor dem Kolben befindliche, schon verbrauchte Dampf durch den Kanal e unter den Schieber und durch die Oeffnung ä in die freie Lust oder in den Condensator geleitet wird. Die Stellung des Schiebers in verschiedenen Zeitabschnitten wird durch Fig. 2 — 5 erläutert. Es ist in- deß zur Bewegung des Schiebers eine beträcht liche Kraft erforderlich, indem der ganze Dampf druck aus ihm lastet, was zu einer bedeutenden Reibung Veranlassung giebt. Bei größeren Ma schinen bedient man sich daher gern zur Stelw- rung glockenförmiger Ventile, die fast gänzlich vom Dampfdrücke entlastet construirt werde». Große Ersparniß an Dampf resp. an Brenn material wird durch Benutzung der Expansion herbeigesührt. Schließt man nämlich den Dampf zufluß früher ab, als der Kolben seinen ganzen Hub vollendet hat, so wird die fernere Bewe gung desselben durch die Ausdehnung (Expansion) des eingeschlossenen Dampfes bewirkt. Während der Expansion nehmen Spannung und Tempe ratur des Dampfes beständig ab, und es tritt theilweise Condensation (Verdichtung des Dam pfes zu Wasser) ein. Wird das Absperren des Dampfes bewirkt, nachdem der Kolben V- u. s. w. seines Weges znrückgelegt hat, so spricht man von '/«, V2-- Füllung, oder, was das selbe ist, von 4facher, 2facher u. s. w. Expansion. Die dazu nöthige besondere Steuerung kann durch einen, bester jedoch durch zwei Schieber bewirkt werden. (Fig. 6.) Letzteres ist stets nöthig, wenn mail mit mehr als 2facher Expansion arbeiten will. Den Nutzen der Expansion erläutert fol gendes Zahlenbeispiel. Leistet eine Maschine ohne Expansion 40 Pferdekraft, so wird die selbe Maschine unter denselben Umständen bei 4facher Expansion etwa 23 Pferdekraft liefern. Im ersten Falle ist die Leistung zwar absolut größer, indeß ist dafür auch die 4fache Dampf- lnenge verbraucht worden. Am Anfänge und Ende eines jeden Kolben hubes tritt je ein „todter Punkt" ein, indem einen Augenblick der Dampfdruck keinerlei Einfluß auf die Bewegung der Kurbel hat. Ueber die „todten Punkte" hinweg hilft das Schwung rad in Folge seiner lebendigen Kraft. Das Schwungrad soll außerdem die durch die Expan sion herbeigeführte Unregelmäßigkeit der Bewe gung ausgleichen, und es gilt als Regel: Je größer die Expansion und je langsamer die Be wegung, desto größer und schwerer muß auch das Schwungrad sein. Der verbrauchte Dampf wird, wie schon er wähnt, entweder in die atmosphärische Luft oder in den Condensator geleitet. Durch die Conden- sation wird eine theilweise Luftleere hinter dein Kolben erzielt, wodurch die Leistung der Ma schine eine größere wird. Da indeß das zur Condensation nöthige kalte Wasser meist durch eine besondere Pumpe herbeigeschafft, außerdem aber aus dem Condensator sammt der, durch die eintretende Erwärmung und Druckverminde rung aus dem Brunnenwasser ausgeschiedenen, nicht unbedeutende» Luftmenge, durch eine zweite, sogenannte Warmwasserpumpe wieder entfernt werden muß, überdieß der Nutzen der Conden- sation mit höherem Kesseldruck verhältnißinäßig geringer wird, so stellt sich eine Condensations- anlage ain vortheilhaftesten für Mitteldruck (2 — 3'/r Atmosph.) und bei größeren Dimensionen der Maschine. (Schluß folgt.)