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oder jener Concurrent einmal einen neuen Ar- tikcl, mit wie abenteuerlichen Mitteln stre ben sie dann, das ihnen unbegreifliche nachzu- ahmen. Da wird mit großen Geldkosten das ver meintliche Geheimniß irgend einem Gesellen, welcher behauptet, dasselbe zu besitzen, abge- kaust, und auf die lächerlichste Art lassen sich die Superklugen von dem simpelsten Arbeits mann dupiren und prellen. Hätten sie früher auf die Fortschritte ihres Faches geachtet, sich durch Lesen tüchtiger Fach blätter über die Neuheiten von Wissenschaft und Industrie unterrichtet" sicwürden bei geringerUeber- legung selbst auf die Sache kommen, viel Mühe und Zeit und, was die Hauptsache ist, sich die Be schämung ersparen, von weit unter ihnen ste henden Leuten Belehrung erholen zu müssen. Hierher gehört auch die Unsitte, die Fabri kanten und Händler von Farbstoffen um die bei solchen anzuwcndenden Färbeverfahren zu befragen. Sind denn diese Leute dazu da, den Färber u. s. w. über die Anwendung der Farb stoffe zu belehren? Sie sollen die Farbstoffe nur verkaufen, deren Anwendung der Färber selbst kennen muß. — Hat man je gehört, daß der Schneider den Tnchhändler an ging, ihm zu zeigen, wie man aus dem gekauf ten Tuch einen Rock macht, und hörte man schon, daß der Tuckhändler antwortete: „Wenn Dn so und so viel von meinem Tuche kaufst, so zeige ich Dir, wie ein Rock gemacht wird" —? — Und dabei ist der Schneider nicht in der Lage, sich aus einem tüchtigen Fachblatt Belehrung zu erholen, ein HülfSmittel, das dem Färber jederzeit offen steht. Sicher hat unsere Zeit vieles gebessert, und es sei ferne von uns, die heutige Zeit zu schmä hen oder gar ein Loblied auf die „gute, alte Zeit" anzustimmen. Wie unsere Epoche aber in allen Gewer ben den Zwang so glücklich der freien Co tr eu rrenz opferte, so überläßt sie es auch dem Färber, seine Bildung selbst zu suchen ohne Zwang und Bindung. Das sonst übliche Wan dern, die damit verbundene Ausbildung in ver schiedenen Branchen des Faches, fällt damit fort. Reben den vielen tüchtigen Leuten, die sich durch eigene freie Wahl ihrer Beschäfligungs. art heranbilden, wird auch eine große Zahl sehr oberflächlich gebildeter Färber erzeugt, welche im günstigsten Falle nur ein sehr eng begrenz tes Gebiet ihres Faches kennen. Und gerade diese sind es, welche sich am meisten überheben. Bei näherer Uebcrlegung ist dies nicht wun derbar. Der Mann, welcher sein Fach gründ lich kennt, wird immer und mit Vergnügen hin zulernen; er wird sogar lernen, wo er nicht so fort einen dirccten Vortheil für sich crspneßen sieht. Er hängt eben mit Liebe an seinem Fache; ihm ist nichts theurer, als dieses. Er studirt dasselbe täglich und freut sich, es durch eine neue Beobachtung, durch eine neue Erfahrung bereichert zu sehen. — Nicht so der andere. Dieser kennt sein Fach nur oberflächlich: ihm ist nur eine Seite desselben erschlossen; er interessirt sich für dasselbe nicht mehr, als sich der Müller für den Esel interessirt, der seine Säcke schleppt. Geld will er damit ver dienen; Freude findet er nicht daran. — Mit der Färberei verhält es sich eben wie mit jedem anderen Fache: „Dem einen ist sie die hohe, die himmlische Göttin, „Dem andern eine tüchtige Kuh, die ihn mit But ter versorgt." Man lächle nicht, daß wir unser Fach, das manchem so sehr prosaisch erscheint, eine hohe, himmlische Göttin nennen. In der That ist dein so, und wer sein Fach nicht selbst herabsetzen will, muß uns bei pflichten. Die alte Zeit mit ihren vielen Jrithümcrn und Vorurtheilen rechnete die Färberei, den Zengdruck und die anderen hierher gehörigen Branchen unter die Handwerke. Auch die Pharmacie und viele andere Zweige der angewandten Chemie und Physik wurden vor Zeiten ein Handwerk genannt. Nichts natürlicher als das. Bei der gerin gen Entwickelung der sogenannten exakten Wissenschaften, das heißt derjenigen, welche uns über das innere Wesen der uns umgebenden Natur belehren, bei dem Aruck, welchen beson ders eine bigotte Geistlichkeit auSübte, diese ihr so verhaßten Wissenschaften zu ersticken, kann es uns nicht wundern, daß sich der Fach-