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L. Unser Weg führt diesmal in die nächste Nachbarschaft Zittaus, nach Hörnitz. Warum denn Hörnitz, und nicht Reichenau, Wanscha, Trattlau, Nieda oder Königshain? Das wäre doch wenigstens eine geographische Reihenfolge, nach dem mit Weigsdorf im Osten der Oberlausitz der Anfang ge macht worden ist. Gewiß, dieser Weg könnte auch gegangen werden, aber ich will ja nur einen Blumenstrauß aus der Heimat binden, nnd ein echter Feldstraub muß farbig, muß bunt sein, deshalb nehme ich mir bei der Auswahl der ein zelnen Dörfer die denkbar größte Freiheit, um die Blumen so locker und duftig wie nur möglich aneinanderreihen zu können. Das Schloß Hörnitz hat für uns Zittauer ein besonderes Interesse. Hat doch einst ein Zittauer Bürgermeister mit Namen Dr. Christian von Hartig dieses Schloß erbaut. Für- wahr ein hervorragendes Wochenend! In den Chroniken wird Hörnitz zum ersten Male im Jahre 1369 erwähnt. Da mals überließ Kaiser Karl IV. „den gewin an dem Forwerge czu hornicz" der Stadt Zittau gegen eine jährliche Geld leistung an das Kloster Oybin. 1386 wird als Besitzer der „ehrbare Hans von Becherer" genannt. Zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts war Hörnitz im Besitze der mächtigen Burggrafen von Dohna, 1497 wird Georg von Döbschütz, 1566 Christoph von Nostiz auf Hainewalde, 1636 Georg von Löben und 1641 Caspar Christoph von Gersdorf als Besitzer von Hörnitz erwähnt. Von Caspar Christoph von Gersdorf kaufte der Zittauer Bürgermeister Dr. Christian von Hartig Hörnitz ab, und da von Hartig der Erbauer des Schlosses ist, wollen wir über ihn Näheres hören. Er studierte in Frankfurt, Straß burg und Genf, bereiste Frankreich, England, Holland und Dänemark. Später ging von Hartig nach Venedig und promovierte in Padua zum Doktor der Medizin und Philo sophie. Hierauf unternahm Hartig eine wissenschaftliche Reise durch Italien und kehrte dann nach Venedig zurück, wo er allgemeine Achtung genoß: auch wurde er zum Markus- ritter geschlagen. Das Jahr 1636 steht Hartig wieder in Zittau. Er wird Mitglied des Ratskollegiums und er langt schließlich die Würde eines Bürgermeisters. Als Hartig das Rittergut Hörnitz kaufte, erfüllte der Kurfürst Johann Georg l. seine Bitte und verwandelte in einer Urkunde vom 10. Oktober 1653 das Gut von einem Mannlehn in ein Allodial- und Erbgut. Sofort nach Er werbung von Hörnitz war Hartig auf Erbauung eines Schlosses bedacht. Die Bauzeit hat von 1651 bis 1654 ge dauert, als Baumeister wird der Zittauer Meister Valentin genannt. Ein länglich rechteckiger Grundriß zeichnet das Schloß aus. Der Eingang erfolgt von einer Schmalseite. lSiehe die Federzeichnung.) Die Breitseite vom Park aus ist wohl architektonisch sehr reizvoll durch die geschickt ange ordneten Giebel, ich gebe aber der Turmseite den Vorzug. Vom Hofe aus überwältigt mich immer wieder dieser trutzige Eindruck der beiden Türme, eine ungeheure zusammen geballte Kraft strömt von diesen Türmen aus. Dieses starke Kraftgefühl wird zum Heimatgefühl, es ist mir oft, als wäre das Hörnitzer Schloß in seiner gedrungenen Architektur der Ausdruck eines echten Oberlausitzer Charakters. Bei näherem Hinsehen merken wir einen Unterschied in den beiden Türmen. Der rechte Turm ist als Treppenturm im Jahre 1853 angebaul worden: der linke Turm ist viel ur wüchsiger und doch auch glücklicher in den architektonischen Einzelheiten. An diesem Turm befindet sich in prächtigen Versalbuchstaben die folgende Relief-Inschrift: Vlllvi oeoio — kovssto vszoeio — loeig: xsvio — ob sitas amovvitatviv — Kava ciieavit partsm — 6ristiavus ab Hartig — ja llsrvir eg. 8. diaroi Oeo. Die Uebersetzung lautet: „Der angenehmen Muße — der ehrenvollen Beschäftigung — und dem Geist des Ortes — wegen des Reizes der Lage — hat diesen Teil geweiht — Christian von Hartig in Hörnitz — Ritter des Markus- ordens." Am Schloß befindet sich ferner ein Relief des Mar- kuslöwen mit Schwert und Bibel. Die Vorhalle wurde im Jahre 1892 ausgeführt: in ihren unverstandenen Renaissance formen zeigt sie uns, wie jenen Jahren der Sinn für die Gewalt der Formen, die sonst aus dem Gebäude spricht, noch nicht erschlossen war. Christian von Hartig war auch ein großer Gartenfreund, er war der erste in der Gegend von Zittau, der ein Ge wächs- und Treibhaus anlegte und seltene Blumen einführte. Nach dem Tode Christians von Hartig kam das Ritter gut in die Hände seines Sohnes Johann Jakob von Hartig, auch er hatte das Amt des Bürgermeisters von Zittau fvom Jahre 1695 ab). Mit Vorliebe beschäftigte er sich mit Mathe matik und Chemie, er ließ sich im Schlosse ein Laboratorium einrichten, und noch heute spricht man im Volksmunde von dem geheimnisvollen Alchimistenzimmer. Er kam in freund schaftliche Verbindung mit Ehrenfried Walter von Tschirn- Hausen, dem Meister des Brennspiegels. Bei einem seiner Besuche in Hörnitz, so berichtet G. Korschelt, „geriet einst in folge chemischer Versuche das Laboratorium im Schlosse in Brand, wodurch Tschirnhausen in Lebensgefahr kam, wäh- rend sich Hartig rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Die Bewohner von Hörnitz schickten hierauf eine Deputation ins Schloß und baten Hartig, die Verbindung mit Tschirnhausen abzubrechen, da dieser in der ganzen Gegend im Rufe eines Schwarzkünstlers stand. Sie fürchteten, das ganze Dorf könnte in Feuersgefahr kommen." 1771 kam Hörnitz aus den Händen der von Hartigschen Familie in den Besitz des Karl August von Kyaw. 1781 ver kaufte er schon wieder das Rittergut an Johann Gottfried Kümmel aus Waltersdorf. 1826 wird Eigentümer Ernst Wilhelm Friedrich Just, 1840 Hans Christoph Moritz von Veschwitz, 1871 der Fabrikbesitzer zu Annaberg Friedrich Karl Arnold Heisen, und von ihm erwarb im Jahre 1881 der jetzige Besitzer Herr Hans Rudolf von Sandersleben das Schloß. Auch die Einfahrt zum Rittergut (Figur Nr. 2> erweckt unsere Aufmerksamkeit durch die beiden hohen Silberpappeln, die, weithin sichtbar, ein Wahrzeichen für Hörnitz geworden sind. Immer wenn ich mit der Bahn nach Dresden und darüber hinausfahre, nehme ich mir noch einen Blick, einen Eindruck von diesen Baumriesen als Gruß der Heimat mit in die Ferne. Im Jahre 1809 sind die Silber pappeln unter Kümmels Besitzerzeit gepflanzt worden: ob wohl sie also erst einhundertdreiunbzwanzig Jahre alt sind, zeigen sie einen stolzen Wuchs in Stämmen, Besten, Zweigen und im Blätterdach. Man beachte einmal, wie hoch sich dieses großartige Baumtor wölbt und wie durch solche Bäume selbst einfachste Wirtschaftsgebäude nur gewinnen können. Die Hörnitzer Silberpappeln wollen uns ein Beispiel geben,