Semiotischer Theil Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns, sowie zur Beurtheilung der Veränderungen dieses Secrets mit besonderer Rücksicht auf die Zwecke des praktischen Arztes
436 Harnsedimente. §. 82. von der Norm zeigen kann. Dies ist 1. dann der Fall, wenn der käsige Zerfall der Infiltrate noch nicht eingetreten ist, und 2. wenn nur eine Niere erkrankt ist, durch Verstopfung oder Compression des Ureters aber bei gesunder Beschaffenheit der unterhalb der Verstopfungsstelle gelegenen Schleimhaut die Ausschwemmung der den Harnleiter obturirenden käsigen Massen unmöglich geworden ist. Meistens aber zeigt der Harn Abweichungen von der Norm. Sehr häufig ist ein aus Blut- und Eiterzellen bestehendes Sediment und dem entsprechend etwas Eiweissausscheidung vorhanden. Ist zumal die Harn blase erkrankt und sind die Bedingungen zur Zersetzung des Harns ge geben, so wird der Ham ammoniakaliseh und sind dann die mehrfach er wähnten Salze nachweisbar. Bisweilen ist in Folge der beigemengten blutig-schleimigen Massen die Consistenz des Harns so bedeutend, dass seine Entleerung Schwierigkeiten verursacht (vgl. §, 81). Ferner finden sich, bei entzündlicher Betheiligung des Nierengewebes, die Producte der parenchymatösen Nephritis: Epitheldetritus sowie Zellen aus den Harn- canälchen, Cylinder. Endlich ist noch Epithel der Harnwege in wech selnden Mengen, einzeln oder im Zusammenhang, zum Theil in fettiger Entartung, vorhanden. Charakteristischer sind aber die Producte des käsigen Zerfalles der infiltrirten Gewebe. Man bemerkt veränderte Eiterkörperchen, Formen von unregelmässiger Gestalt, häufig halb zerfallen, welche, mit Essigsäure behandelt, keinen deutlichen Kern, sondern nur kleine unregel mässige Körnchen enthalten. Ferner mehr oder weniger reichliche kör nige amorphe, sog. käsige oder tuberkulöse Detritusmasse. In einzel nen Fällen von käsiger Pyelonephritis beobachtete man im Harne elasti sche Fasern und Fetzen abgestossenen Bindegewebes, ein Beweis dafür, dass sich der Process unter die Schleimhaut erstreckt und ausgedehnte Zerstörung bewirkt hat. Von grösster* pathognostischer Be deutung ist aber der Nachweis kleinerer oder grösserer, höchstens etwa stecknadelkopfgrosser käsiger Bröckelehen, deren Elemente gegen Essigsäure widerstandsfähig sind; sie bestehen aus allen eben angegebenen Formbestandtheilen. Sie sind bis jetzt noch bei keinem anderen Ver- schwärungsprocesse der Harnorgane beobachtet worden, allerdings aber bei Nephrophthise nicht constant vorhanden. Aus ihrem Fehlen lässt sich also nicht der Schluss ziehen, dass eine käsige Entzündung der Harn organe nicht vorhanden sei. Bisweilen sind diesen Massen auch Cho- lestearinkrystalle beigemischt. Ist nur eine Niere mit ihrem Harnleiter erkrankt und übrigens die oben bemerkte Bedingung (gesunde Theile unterhalb des Ureters bei Un wegsamkeit desselben) nur zeitweilig erfüllt, so können Zeiten normalen und krankhaft veränderten Harns mit einander ahwechseln.