Semiotischer Theil Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns, sowie zur Beurtheilung der Veränderungen dieses Secrets mit besonderer Rücksicht auf die Zwecke des praktischen Arztes
424 Hamsedimente. §. 80. ment. Es ist auf diese Weise die ungefähre Quantität des Schleimes leicht abzuschätzen. Reiner Schleim lässt sich durch das Mikroskop schwer oder gar nicht erkennen, da er eine ganz durchsichtige Masse bildet, welche kaum in die Augen fällt, wohl aber erkennt man sehr deutlich die in demselben be findlichen Epithelialzellen. Wird aber der Schleim durch Alkohol oder Säuren gefällt, so unterscheidet man ihn deutlich als eine unbestimmt streifig-faserige Masse. Noch deutlicher wird er durch Zusatz von ver dünnter Jodtinctur, welche denselben nicht blos fällt, sondern auch färbt. Filtrirt man einen solchen Ham, so bleibt der Schleim als eine zähe, nach dem Trocknen fimissglänzende Masse auf dem Filter zurück. Doch kann auch in filtrirtem Ham noch eine kleine Menge gelösten Schleim stoffes enthalten sein, der dann die p. 95 geschilderten chemischen Eigen schaften des Mucin zeigt. Die abfiltrirte Flüssigkeit ist eiweissfrei. Das Mikroskop lehrt, dass die schleimigen Harnsedimente häufig ausser den Epithelien auch noch andere fremdartige Bestandtheile einschliessen: Samenfäden, Krystalle von oxalsaurem Kalk, hamsauren Salzen, phosphor saurer Ammoniak-Magnesia u. a., daher man in allen Fällen, in denen es auf eine genaue Diagnose ankommt, diesen vermeintlichen Schleim noch näher mikroskopisch untersuchen muss. Die Bedeutung, welche eine vermehrte Menge von Schleim im Ham für den Arzt hat, besteht darin, dass sie das Bestehen einer Reizung der Schleimhaut (Blennorrhoe) in irgend einem Theile des uropoetischen Systems — bei Weibern auch der Genitalschleimhaut anzeigt. Diese Blennorrhoe kann eine rein örtliche Krankheit bilden, oder die Folge eines allgemeinen Krankheitsprocesses sein. Aus letzterem Grunde erscheint bei fieberhaften Krankheiten der verschiedensten Art —- Typhen, Pneumonien etc. — der Schleim- und Epithel-Gehalt des Harns nicht selten vermehrt. Mit einem sehr vermehrten Schleimgehalt des Harns ist fast immer die Neigung desselben zu saurer oder alkalischer Harngährung verbunden, was der Praktiker wegen der sich daran knüpfenden Folgen — vermehrte Reizung der Schleimhaut der Harnwege und Bildung von Harnconcretio- nen — wohl zu beachten hat. Ferner ist zu merken, dass Eiterkörperchen in ammoniakalischem Harn in eine Gallerte umgewandelt werden können, welche die grösste Aehnlichkeit mit Schleim hat, so dass der Arzt häufig ein schleimiges Harnsediment vor sich zu haben glaubt, während dasselbe aus Eiterkörperchen besteht, welche in eine schlei mige Gallerte umgewandelt worden sind. §. 80. Epithelien. Der normale Ham enthält stets einzelne Epithelien, welche vorzugs weise aus der Blase und Harnröhre’ bei Weibern auch aus der Yagina stammen. Indessen fehlen auch Epithelien der Ureteren, des Nieren-