Volltext Seite (XML)
Cystin. — §. 77. 419 lösung und Wegführung des phosphorsauren Kalkes, woraus eine Verminderung des Zellenbildungsprocesses resultire. Natürlicherweise handelt es sich hei der Pathogenese der Oxalurie nur um eine verlangsamte oder verminderte Verbrennung der Kohlehydrate allein, nicht des gesammten Stoffwechsels. Im Gegentheil weisen die progressive Abmagerung vieler Kranker und das erhöhte speeifische Gewicht ihres Harms auf einen vermehrten Umsatz der Albu- minate und des Fettes hin. Cantani meint, mit Rücksicht auf die stets vorhandenen nervösen Störungen, dass vielleicht gerade die Nervensubstanz vor zugsweise consumirt werde. Uebrigens berechtigt weder das Vorhandensein von Kalkoxalatsteinen zur Annahme, dass früher einmal idiopathische Oxalurie vorhanden ge wesen, noch lässt ein noch so intensives, constantes und langanhaltendes, aus oxalsaurem Kalk bestehendes Harnsediment erwarten, dass sich schliess lich auch ein gleiches Concrement in den Harnorganen bilden müsse. Ditzmann hat Jahre lang bei Neurosen der Hamorgane (Wien. Klin. 1879 p. 125), und ebenso bei Menschen, welche sich ganz wohl befanden (Ibid. 1875 p. 157), die stärksten Oxalatsedimente gesehen, ohne dass gleichzeitig oder später Symptome beginnender Nierenkalkulose aufgetreten wären; überhaupt legt er, was Steinbildung anlangt, dem Oxalsäuren Kalke eine viel geringere Bedeutung bei als der in Spiessform krystallisirenden Harnsäure. In 515 Blasensteinen (Ibid. 1875 p. 148), welche in je einem Exemplar in der Blase gefunden worden waren, bestand der Kern — auf diesen kommt es ja hauptsächlich an — 441 mal = 80,9 % aus Harnsäure und nur 31 mal = 5,6 aus oxalsaurem Kalk, während die Hauptmasse des Steines 130 mal aus Kalkoxalat und nur 224 mal aus Uraten gebildet ward. Diese 130 Oxalatsteine zeigten 124 mal einen harnsauren Keim, 5 mal bestand derselbe aus Kalkoxalat und nur 1 mal aus Erdphosphaten. Anderer seits erklärt neuerdings Cantani (1. c. p. 57), dass auf Grund seiner Beobach tungen oxalsaure Steinbildung weit häufiger sei, als man gewöhnlich annehme, und dass man öfters mit Hamsäuresteinen und hamsaurem Sand zu thun zu haben glaube, wo es sich um oxalsaure Concremente handele. Die oxalsaurem Steine besitzen unter allen Steinen das grösste speeifische Ge wicht und die grösste Härte-, ihre Farbe ist durch Beimengung von verändertem Blutfarbstoff grau oder schwärzlich, ihre Oberfläche stachlig und warzig (Maul beersteine); wegen dieser rauhen Oberfläche reizen sie die Gewebe am meisten. §. 77. Cystin. Toel, Ann. d. Chem. 96 p. 24; vgl. Pletzer, Arch. d. Ver. f. wiss. Heilk. 1858 III. p. 164. Uebersetzg. einer Abhdlg. von Prout, ibid. p. 166. — Bar tels, Virch. Arch. 1863 XXVI. p. 419. — Marowsky, D. Arch. f. kl. Med. 1868 IV. p. 449. — Beneke, Grund], d. Path. d. Stoffw., Berl. 1874. p. 252. — Nie mann, D. Arch. f. kl. Med. 1876 XVIII. p. 232. — Löbisch, Wien. med. Jahrb. 1877 p. 21. — Ebstein, D. Arch. f. kl. Med. 1879 XXIII. p. 138. — Literatur notizen s. bei Beneke, Niemann, Ebstein; Letzterer berechnet 57 Fälle von Cystinurie. Die praktische Bedeutung des Cystin ist, da dasselbe nur ziemlich selten im Ham vorzukommen scheint, verhältnissmässig gering. Indessen bedarf es besonders deswegen einer genaueren Besprechung, weil es mit unter zur Bildung von Harngries und Harnsteinen Veranlassung giebt. Die durch Cystin veranlassten Krankheitserscheinungen sind fast allein