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Gallenbestandtheile. — §. 71. 397 die gröberen Gallengänge schon innerhalb der Leber (Tumoren) compri- mirt oder stenosirt, oder der Abfluss aus den feinsten Gängen durch Katarrh, interstitielle Wucherung (Phosphorvergiftung), Oedem der Glisson’- schen Kapsel (vgl. Birch-Hirschfeld in Gerh. Hdbch. d. Kndrkkh. IY. 2. Abth.), oder venöse Compression (Stauungszustände) gehemtnt wer den —, so wird sie, sobald der Druck oberhalb des Hindernisses eine gewisse Höhe überschreitet, von den Lymphgefässen resorbirt und mittelst des Ductus tlioracicus dem Blute zugeführt. Aus diesem tritt sie in die meisten Gewebe des Körpers, bei Schwangeren auch in die der Frucht über und färbt sie mittelst ihres Farbstoffs in charakteristischer Weise gelb; sehr bald nach begonnener Resorption ist dies bekanntlich recht auffällig an der Haut und der Conjunctiva scleroticae zu beobachten. Man bezeichnet einen solchen Zustand als hepatogenen Ikterus. Auch wenn ohne Verstopfung des Gallenganges der Blutdruck innerhalb der Pfortader abnorm gering ist, kann Galle in das Blut übertreten: so in manchen Fällen von Icterus neonatorum, weil hier nach der Abnabelung kein Blut mehr aus der Nabelvene in die Pfortader einströmt; ferner beim sogenannten Hunger- ikterus, insofern im Inanitionszustande das Pfortadergebiet wegen mangelnder Re sorption vom Darm aus relativ leer ist. Die ins Blut gelangten Gallenbestandtbeile verlassen den Körper wieder vorzugsweise durch die Nieren, zum geringsten Theile durch die Schweissdrüsen. In Folge dessen wird der Harn ikterisch, er zeigt einen mehr oder weniger bedeutenden Gehalt an Gallenfarbstoff, und zwar ge wöhnlich schon ganz kurze Zeit nach dem Beginn der Resorption. Seine Farbe wird safrangelb, röthlichbraun, weiterhin immer mehr und mehr braun, ins Grünliche schillernd; dabei ist er klar, stark schäumend, und der Schaum mehr oder weniger gelblich gefärbt. Ausserdem erzeugen die Gallenbestandtheile, vorzugsweise der Farbstoff, auf ihrem Wege durch die Nieren unter Umständen auch Störungen, welche zu weiteren Ano- malieen des Harns Anlass geben können; es erscheinen nämlich in dem selben, mit oder ohne Eiweissausscheidung, gleichmässig gefärbte oder mit Farbstoffkömehen versehene Cylinder, auch freie dergleichen Körner und längliche Pfröpfchen, beide von grasgrüner bis fast schwärzlicher Farbe und grosser Widerstandsfähigkeit gegen die verschiedensten Reagentien. Nach, den experimentellen Untersuchungen von Feltz und Ritter (V. H. Jber. 1874 I. p. 349) wird bei Thieren durch Einspritzung reiner frischer Galle ins Blut niemals Ikterus hervorgerufen. Trotzdem tritt im Harn nach dergleichen Injectionen, jedoch nur nach solchen in mittlerer Menge, etwas Gallenfarbstoff auf, ausserdem Eiweiss und unter Umständen gelöstes Hämoglobin (Gallensäurenwirkung aufs Blut), während nach sehr reichlichen Injectionen der Farbstoff ausbleibt, vielmehr die Zeichen der Auflösung der rothen Blutzellen und der Störung der Nierencirculation allein vorhanden sind. — Injectionen reinen Farbstoffs in schwach alkalischer Lösung bewirken aber Farbstoffausscheidung durch die Nieren, bei grossen Farbstoffdosen entsteht ausserdem leichter Ikterus. Da man die Gelbsucht vermöge der Färbung der Haut und der Conjunctiva sclerae sehr leicht zu erkennen im Stande ist, so ist es zur Neubauer u. Vogel, Harnanalyse. 8. Aufl. II. v. Thomas. 26