Semiotischer Theil Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns, sowie zur Beurtheilung der Veränderungen dieses Secrets mit besonderer Rücksicht auf die Zwecke des praktischen Arztes
388 Abnorme Bestandtheile. §. 69. ergossenem Blute herrührt, oder ob vielleicht neben der Blutung noch eine Extraausscheidung von Faserstoff oder von Eiweiss angenommen werden muss. Um zu entscheiden, aus welchem Abschnitte der Hamorgane der blutige Harn stammt, müssen wir berücksichtigen: die Farbe des Harns und die Menge der Blutzumischung, etwaige Gerinnselbildung, die Be schaffenheit der dem Blutkörperchensedimente beigemischten Formelemente; nebenbei auch die Reaction des Harns. Die Farbe des Blut enthaltenden Harns kann heller oder dunkler, ja ganz dunkelblutroth sein, je nach der Menge des demselben zugemisch ten Blutes; dabei ist sie aber im Wesentlichen roth, entsprechend der Blutfarbe. Ist die Blutbeimischung eine einigermassen erhebliche, so wird der Harn durch den Einfluss der körperlichen Elemente undurchsichtig und schliesslich so trübe wie das Blut selbst. Sehr häufig zeigt nun aber der blutige Harn auch eine schmutzig braunrothe, dunkelbraune, ja fast schwarzbraune oder ganz dunkle Färbung, die Folge einer Umwandlung des Hämoglobin der rothen Blutzellen, welches durch theilweisen Zerfall derselben frei wird und in der Harnflüssigkeit sich löst (vgl. hierüber §. 20 d. B.), während die durch die zum Theil ausgelaugten Zellen ver ursachte Trübung erhalten bleibt. Hämoglobinlösung tritt überall da ein, wo das Blut mit dem Harn bei Körpertemperatur längere Zeit innig ge mengt bleibt. Am entschiedensten ist dies der Fall bei Nierenparenchym blutungen, bei welchen der Austritt des Blutes ganz langsam aus zahl reichen kleinen Gefässen zu erfolgen pflegt. Weniger geschieht es bei Nierenbecken- und Blasenblutungen; bei diesen erfolgt vielmehr in der Regel die Mischung von Blut und Ham sowie der Abfluss des Gemenges nach aussen so rasch, dass eine wesentliche Farbenveränderung des Harns vor seiner Entleerung verhindert wird, und die Umwandlung des Farb stoffes vielleicht erst beim Stehenlassen eintritt. Nur wenn der Harn in der Blase längere Zeit stagnirt, kann auch bei Blasenblutungen ein schmutzig brauner Ham entleert werden; dies geschieht jedoch nur in der entschiedenen Minderzahl der betreffenden Krankheitsfälle. — Es spricht also die Absonderung eines durch umgewandelten Blutfarbstoff ausgezeichneten Harns sehr für den Ursprung des beigemengten Blutes in den Nieren, ganz besonders dann, wenn Symptome der Erkrankung eines tieferen Abschnittes des Harnsystems fehlen, während hellere oder dunk lere reine Blutfärbung des Gemenges fast sicher den Ursprung des Blutes aus einer Stelle unterhalb der Nieren beweist. Ganz reines Blut, wel ches aus der Urethra abgeht, entstammt niemals den Nieren, äusserst selten der Blase, fast stets der Urethra beziehentlich den benachbarten Tlieilen; überhaupt könnte sein Ursprung nur dann oberhalb des Blasen halses sein, wenn es in ausserordentlich bedeutender Menge austräte — in geringerer Masse müsste es sich mit Harn mischen und könnte nicht für sich allein zur Blasenentleerung Anlass geben.