Semiotischer Theil Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns, sowie zur Beurtheilung der Veränderungen dieses Secrets mit besonderer Rücksicht auf die Zwecke des praktischen Arztes
Eiweisskörper. — §. 68. 365 Doch ergiebt sich aus dem Vorhergehenden, dass dies nur mit Einschrän kung wahr ist, und überdies bildet in solchen Fällen für den aufmerk samen Beobachter die blasse Farbe des Harns meist ein noch sichereres Zeichen, dass tonisirende Mittel indicirt sind, als die alkalische Beschaffen heit des Harns, die hei dergleichen Kranken öfters fehlt. Die rationelle Behandlung solcher Zustände ist häufig sehr schwierig. Die Hauptaufgabe bleibt immer, die Ursache der Alkalescenz zu entdecken und zu bekämpfen. Eine sehr schlechte Praxis ist die, welche aus miss verstandenen chemischen Gründen in allen Fällen, in denen der Harn al kalisch reagirt, Säuren giebt. Da wo die alkalische Beschaffenheit des Harns von einer Heizung der Harnwege abhängt, die durch eine ursprüng lich zu saure und reizende Beschaffenheit des Harns mit Bildung von Hamgries aus Harnsäure hervorgerufen wird , sind im Gegentheil neben demulcirenden Mitteln gerade kohlensaure Alkalien oder Kali aceticum am zweckmässigsten. Die von mehreren Seiten ausgesprochene Behauptung, dass Benzoe säure, innerlich genommen, den alkalischen Harn leichter und sicherer sauer mache als andere Säuren, hat sich Vogel bei zahlreichen deshalb angestellten Versuchen nicht bestätigt. III. Das Auftreten abnormer Bestandteile im Harn. Alle hierher gehörigen Veränderungen des Harns haben eine grosse praktische 'Wichtigkeit, da man daraus in allen Fällen auf das Bestehen krankhafter Verhältnisse schliessen muss. Jeder im Harn auftretende ab norme Stoff hat aber seine Bedeutung für sich, daher wir sogleich zur Betrachtung der einzelnen abnormen Bestandtheile übergehen. §. 68. Eiweisskörper. I. Die Erkennung des Eiweisses im Harn wurde bereits im ersten Theile dieses Buches besprochen und wird daher darauf verwiesen. II. Welche Bedeutung hat ein Eiweissgehalt des Harns für den Arzt? Die Beantwortung dieser Frage ist in vielen speciellen Fällen sehr schwierig und soll in Nachfolgendem der Versuch gemacht werden, die selbe zu erleichtern, soweit dies in Kürze, dem Zwecke dieses Buches entsprechend, ohne speciellstes Eingehen auf die vorliegenden Fragen möglich ist. Jedenfalls ist die Ansicht der älteren Aerzte, welche bei jeder Zumischung von Eiweiss zum Harn die Gegenwart von „Morbus Brightii“ annahmen, eine durchaus irrige. Es kommen im Harn verschiedene Eiweisskörper (vgl. p. 113) vor, deren wichtigster das in Lösung befindliche Serumalbumin ist, während Neubauer u. Vogel, Harnanalyse. 8. Aufl. II. v. Thomas. 24