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Chemische Reaction. — §. 67. 361 Zeichen, dass Bedingungen vorhanden sind, welche die Harnstoffzersetzung begünstigen, und der Arzt ist berechtigt, aus diesem Verhalten semiotische Schlüsse zu ziehen. Aber ein Umstand ist dabei wohl zu beachten, der übersehen zu Täuschungen führen kann. Wenn man bereits alkalisch gewordenen Harn zu normalem setzt, so geht letzterer viel rascher als sonst in Ammoniak- gährung über. Dasselbe ist der Fall, wenn der Ham in einem Gefässe auf bewahrt wird, welches noch Reste von ammoniakalischem Harn ent hält. Wenn daher ein Arzt aus dem raschen Alkalischwerden des Harns Schlüsse ziehen will, so muss er sicher sein, dass der innerhalb 24 Stun den alkalisch gewordene Harn in einem vollkommen reinen Gefässe aufbewahrt war; er muss darauf sehen, dass die Nachttöpfe und Ham- gläser seiner Kranken nicht bloss ausgeleert, sondern auch mit äusserster Gründlichkeit gereinigt werden, um jede Spur von Ferment aus ihnen zu entfernen. Ham, welcher durch kohlensaures Ammoniak alkalisch geworden ist, färbt rothes Lackmuspapier blau, aber nach dem Trocknen, wobei sich das kohlensaure Ammoniak verflüchtigt, während die sauren Harn salze Zurückbleiben, wird das gebläute Lackmuspapier wieder roth. Ein über einen solchen Harn gehaltener mit Salzsäure befeuchteter Glasstab entwickelt ferner Salmiaknebel. Dieser Umstand ist wichtig, insofern er dazu dient, die durch kohlensaures Ammoniak bedingte Alkales- cenz des Harns von der durch andere Ursachen hervorgerufenen leicht zu unterscheiden. V. Feltz und E. Ritter (dtude experimentale sur l’alcalinite des urines et sur l’ammoniemie im Joum. de l’anat. et de la physiol. par Robin 1874. .7. p. 311. ff.) sind durch ihre Untersuchungen zu folgenden Ergebnissen gelangt: Unreine Gefässe sind oft Ursache, dass der Ham rasch ammoniakalisch wird, so bei Typhuskranken im Sommer. Auch Ham von Frauen, dem sich Schleim aus der Vagina (bei fluor albus) oder Menstrualblut beimischt, wird leicht ammoniaka lisch. Die ammoniakalische Gährung wird durch ein Ferment bewirkt, das sich leicht künstlich erhalten lässt — auf einem Filtrum, durch welches man ammonia- kalischen Harn filtrirt. Der künstliche Zusatz dieses Fermentes zu normalem Harn vermag in diesem eine Ammoniakgährung einzuleiten. Doch wird nicht jeder Harn durch Fermentzusatz gleich leicht ammoniakalisch. Durch verlängerten Aufenthalt in der Harnblase allein (bei Thieren, denen man die Harnröhre künst lich verschliesst) wird der Ham nicht ammoniakalisch. Blosse Einführung eines mit Ferment imprägnirten Katheters macht den Ham in der Blase nicht immer mit Sicherheit ammoniakalisch. 2. Es giebt aber noch eine andere, von der eben geschilderten wesentlich verschiedene Ursache, welche den Ham neutral oder alkalisch machen kann. Diese Ursache liegt in der Beschaffenheit des Blutes. Unter gewöhnlichen Verhältnissen wird aus dem alkalischen Blute ein saurer Ham abgesondert. Die Nieren müssen also die Eigenschaft haben, aus dem alkalischen Blute bei normalem Alkaligehalte