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Harnsäure. — §. 96. 539 Bei Säuglingen steigt die Harnsäuremenge bis zum dritten Tag, um dann allmählich abzunehmen (Martin, Buge und Biedermann, s. Ctbl. f. d. med. Wiss. 1875. p. 387), eine Angabe, die von Hofmeier bestätigt wird (Virchow’s Arch. 89. p. 493 ff.). Icterus der Neu geborenen begünstigt die Harnsäureausscheidung der Grösse und der Zeit nach, analog seinem Verhalten gegenüber dem harnsauren Infarkte (Hofmeier in Ztschr. f. Geburtsh. u. Gynäkol. 1882. p. 304); der selbe fand nach Chloroformirung der Mutter, welche die Entstehung von Icterus fördern soll, ebenfalls eine Erhöhung der Harnsäureausscheidung (Virch. Arch. 1. c.). Bei pathologischen Zuständen ist theils eine Vermehrung, theils eine Verminderung der Harnsäureexcretion- nachgewiesen worden. 1. Eine Vermehrung findet sich in allen fieberhaften Zuständen, welche mit einer Erschwerung der Respiration einhergehen: plenritische Exsudate, Peri- carditis, Bronchitis capillaris, chronisches Lungenemphysem; insbesondere sind bei der croupösen Pneumonie absolut und relativ hohe Zahlen für die Harnsäure ausscheidung constatirt, und zwar fand Scheube (Arch. d. Heiik. B. XVII. 1876. p. 185) die höchsten Werthe für Harnsäure und Harnstoff einen Tag nach dem Fieberabfalle, also nach der stärksten Dyspnoe. Der Umstand, dass man gerade bei der Pneumonie sehr häufig ein be deutendes Sedimentum lateritium findet, hängt jedoch ausser von der starken Harnsäureausscheidung noch von der starken Acidität und Concentration des Urins und von der schnellen Resorption des stickstoffhaltigen Exsudates ab. Bei anderen acutfieberhaften Processen fand Bartels die Harnsäuremenge in gleichem Verhältniss zur Harnstoffausscheidung, wie beim Gesunden, keine absolute Vermehrung. Nach diesen Erfahrungen vermuthete Bartels, dass die gesteigerte Harn säureausscheidung auf unvollständiger Oxydation beruht. Eine bedeutende Vermehrung fänden Ranke, Virchow, Mosler, Sal- ltowski, Pettenkofer und Voit u. A. bei der lienalen Leulcaemie. In einem Palle von Bartels betrug die 24stiindige Ausscheidungsgrösse einmal sogar 4,2 Grm. Fleischer und Penzoldt (D. Arch. f. kl. Med. 26. p. 401) fanden namentlich die absolute Menge vermehrt, während von anderen Beobachtern die zur Harn stoffmenge beträchtliche relative Grösse hervorgehoben wird. Der Grund für dieses Verhalten ist nicht festgestellt, da die Behauptung, die Milzschwellung an sich bewirke die stärkere Ausscheidung, durch die den Ranke’sehen Beobachtungen entgegengesetzten von Bartels (D. Arch. f. kl. Med. 1. p. 31) und Mosler (Path. u. Ther. d. Leukaemie 1870. p. 190) sehr zweifelhaft geworden ist. Die Anschauung, dass die Ueberladung des Blutes mit weissen Elementen die gehörige Oxydation hindere, ist ebenfalls nicht sicher, da Senator (Virch. Arch. 42. p. 1) bei künstlicher Dyspnoe keine Steigerung der Harnsäureausscheidung zu finden vermochte; zu gleichem Resultat gelangten Naunyn und Riess bei Blutentziehungen (Reichert und Dubois’s Arch. 1869. p. 381). Vielleicht handelt es sich bei dieser Krankheit um eine sog. Harn sä urediathese, so dass man eine Stoffwechselanomalie besonderer Art (Harn säureüberproduktion) als specifisch auch für die Leukaemie annehmen müsste. Auch in einigen wenigen Fällen von Anaemia splenica wurde eine ent schiedene Vermehrung der Harnsäure gefunden: Strümpell (Arch. d. Heiik. . 1877. XVIII. p. 437) und Mosler (Ziemss. Hdb. d. Path. 2. Aufl. VIII. 2. p. 127).