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538 Quantitative Veränderungen des Urins. §. 96. quantitative Bestimmung der Harnsäuremenge für den Arzt das meiste Interesse — sowohl die sedimentirte als auch die in Lösung befindliche Harnsäure bestimmen muss (vgl. §. 34). Aus der Grösse des Sedimentes allein einen Schluss auf die ausgeschiedene Harnsäuremenge machen zu wollen, ist unzulässig. Die Art und Weise, wie sich die Harnsäure bildet, ist nicht erwiesen. Jedoch schliesst sie sich insofern eng an den Harnstoff an, als sie nicht als Spaltungsprodukt der stickstoffhaltigen Substanzen, sondern als auf synthetischem Wege entstanden zu denken ist. v. Knieriem (Ztsehr. f. Biol. XIII. p. 36) fand bei Hühnern, dass Leucin, Glycocoll, Asparagin und Asparaginsäure in Harnsäure übergehen, ebenso Ammonium carbonicum nach v. Schroeder, Ztsch. f. phys. Chem. II, p. 228; Cech und E. Salkowski (Her. d. deutsch, chem. Gesellsch. X. p. 1461) und ebenso H. Meyer und Jaffe (ibid. p. 1930) beobachteten, dass Harnstoff beim Vogel in Harnsäure übergeht. Für den Vogel scheint die Syn these der Harnsäure als erwiesen und wir sind daher wohl berechtigt, die An nahme auch für die Säugethiere zu machen, obgleich keine Beobachtungen hier über vorliegen. Die Bildungsstätte der Harnsäure liegt ebenso wie die des Harnstoffes höchst wahrscheinlich in den Geweben selbst. Zal esky (Untersuch, über den uraemischen Process, Tübingen 1866) und v. Schroeder (Arch. f. Anat. u. Physiol. Suppl. 1880. p. 113) haben sich vornehmlich mit diesem Thema beschäftigt. Ersterer fand bei Ureteren-Unterbindung bei Vögeln eine Anhäufung von Harnsäure in den Geweben, die schon Galvani als alba terrestris materies bei derselben Operation erwähnt; v. Schroeder constatirte dasselbe bei Exstirpation der Nieren, während allerdings Zalesky bei derselben Operation an Schlangen nur geringe Harnsäureablagerung constatiren konnte. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass der Ort der Harnsäurebildung wahrscheinlich, für den Vogel sicher, in den Organen zu suchen ist. Wie für die Harnstoffbildung die Leber, so ist, wenn auch mit weit geringerer Zuverlässigkeit, für die der Harnsäure durch Banke (Beob. u. Unters, üb. d. Aussch. der Harns. München 1858) die Milz aufgestellt: bei allen Krank heiten, welche mit Milzschwellung einhergehen, sowie einige Zeit nach der Nahrungsaufnahme (da dann ebenfalls Milzhyperämie besteht), ist die Harnsäure ausscheidung gesteigert, hingegen vermindert in den Paroxysmen des Wechsel fiebers und bei Anwendung von Chinin. Die vom gesunden Erwachsenen täglich ausgeschiedene Harnsäuremenge beträgt zwischen 0,2 und 1,0, durchschnittlich 0,5, doch finden sich ausser diesen individuellen Differenzen auch solche bei ein und demselben Menschen, und zwar wesentlich abhängig von der Nahrungsaufnahme. Fasten und vegetabilische Nahrung vermindert den Harnsäuregehalt des Urins, Genuss von viel Fleisch dagegen steigert die Harnsäureausscheidung (auf 2,11 nach Banke) ebenso wie die des Harnstoffs, da nächst diesem die stickstoffhaltigen Produkte wesentlich in Gestalt von Harnsäure den Körper verlassen. Der gesunde Körper zeigt auch ein ziemlich constantes Yerhältniss zwischen Harnsäure- und Harnstoffausscheidung, etwa 1: 45. Der Einfluss von Körperbewegungen zeigt sich nach Banke in der Weise, dass geringe Bewegungen die Harnsäureausscheidung etwas vermindern, Anstrengungen hingegen dieselbe steigern.