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Harnstoff. — §. 95. 529 nun das Hauptmoment? Durch das Fieber -wird der Zerfall des Organeiweisses bedeutend gesteigert, und auf diese Weise trotz des, wegen der geringeren Nahrungsaufnahme, ver minderten Circulationseiweisses eine vermehrte Aus scheidung aller stickstoffhaltigen Harnbestandtheile er zielt. Huppert und Riesell (Arch. d. Heilk. X. p. 329) fanden bei Yergleichung der aufgenommenen und ausgeschiedenen Stickstoffmengen im Fieber ein entschiedenes Ueberwiegen letzterer, und zwar ist dies Verhalten wohl zum grössten Theil darauf zurückzuführen, dass die Zellen durch die erhöhte Temperatur die Fähigkeit, stickstoffhaltige Substanzen in sich aufzunehmen, verlieren, zum Theil (nach Bauer und Künstle, D. Arch. f. kl. Med. 24. p. 53 ff.) aber auch darauf, dass das Eiweiss mangelhaft zerlegt wird. Auf diese Weise lässt sich auch die erhöhte epikritische Harnstoffausscheidung erklären, welche höchstens 2 bis 3 Tage besteht. Je nach den Gründen, welche die Forscher für die vermehrte Harnstoffausscheidung während des Fiebers annehmen, sind allerdings auch hier Differenzen. Huppert, Riesen fei d, Unruh glauben den Grund in einer Retention des Harnstoffs und seiner Vorstufen, Schultzen, Bauer und Künstle wesentlich in einer mangelhaften Zersetzung des Circulationseiweisses während des Fiebers annehmen zu dürfen, während A. Fränkel eine Funktionsstörung der Nieren supponirt. Scholze (Diss. Berlin 1879), welcher beim Fieber die Jodkaliumausscheidung ver langsamt fand, gelangt in der vorliegenden Frage zu dem Resultat, dass derjenige Theil des durch febrilen Gewebszerfall reichlich aus Organ- eiweiss entstandenen Circulationseiweisses, der nicht sofort zu Harn stoff oxydirt, erst nach dem Fieber ausgeschieden wird, weil dann der Zerfall der Zellen beendet ist, und die Nieren wieder normal funktioniren. Eine Harnstoffsteigerung im Harn, nicht während des Fiebers, sondern i n der Apyrexie, wie sie von A. Fränkel (V.-H. Jbr. 1877. II. p. 20) bei Inter- mittens tertiana gefunden wurde, erklärt sich nach ihm aus einer gleichzeitig mit dem Fieber auftretenden Störung der drüsigen Organe des Digestionsapparates, wodurch die Resorption langsamer erfolge; in Folge dessen werde die gewöhnliche febrile Steigerung der Harnstoffausscheidung ausgeglichen oder selbst übercompensirt. 2. Ausser den fieberhaften Krankheiten zeigen auch noch eine Anzahl fieberlos verlaufender eine vermehrte Harnstoffausscheidung durch den Harn. Die grössten Mengen findet man beim Diabetes mellitus, sie können das Vier- bis Fünffache des normalen Harnstoffgehalts erreichen; die relativen Mengen sind allerdings weniger abnorm wegen der gleichzeitig bedeutend gesteigerten Wasserausscheidung, ein constantes Verhältnis zwischen Beiden besteht jedoch nicht. Diese Vermehrung lässt sich nicht aus der bei Diabetes gesteigerten Stickstoffeinfuhr allein erklären,