Semiotischer Theil Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns, sowie zur Beurtheilung der Veränderungen dieses Secrets mit besonderer Rücksicht auf die Zwecke des praktischen Arztes
Der Einfluss geistiger Thätigkeit ist noch nicht festgestellt: Speck (Ctbl. f. d. med. Wiss. 1882. p. 588) läugnet die von Zülzer behauptete Steigerung der Harnstoffausscheidung. Die täglichen Schwankungen der Harnstoffmenge sollen, wie gewöhnlich angenommen wird, von der Menge der stickstoff haltigen Nahrung abhängen, das Maximum einige Stunden nach der Nahrung auftreten. In der Nacht ist die Harnstoffausscheidung grösser, doch scheint der Schlaf nicht massgebend zu sein. P. Bert (Jbr. d. Thier-Chem. 1879. p. 292) fand jedoch von 12 bis 2 Uhr Mittags eine Steigerung unabhängig von der Mahlzeit. Die Ausscheidungen der Harn- und Harnstoffmenge verliefen meistens correspondirend. Oppenheim (1. c.) fand an sich die Harnstoftausscheidung abhängig von der Eiweisszufuhr; wunderbar war nur, dass die dem Abendessen folgenden Stun den nicht dieselbe Grösse der Ausscheidung zeigten, als die dem Mittagsmahle folgenden. Vielleicht findet wegen des längeren Verweilens des Urins in der Blase zur Nachtzeit daselbst eine Resorption statt. — Edlefsen (D. Arch. f. kl. Med. 29. p. 410 ff) kommt zu dem Resultate, ebenso wie Vogel und nament lich Schleich (Arch. f. exp. Path. IV. p. 82 ff'.), dass die Vermehrung der Stick stoffausfuhr keineswegs von der Einfuhr von Eiweiss abhänge; dass sie, wenn sie nach dem Mittagsmahle einträte, nur ein vereinzelter Eall, doch keine Regel sei; sehr oft sei das Maximum der Harnstoffausscheidung auf den Vormittag verlegt, so dass in diesen Stunden 30 bis 50 pCt. des gesammten Harnstoffs entleert wür den; Harnstoffbild ung und Harn s t o ff auss ch ei düng fallen zeitlich nicht zusammen; das Maximum des Ersteren sei in die Zeit des Wachens (16—18 Stunden) zu verlegen und erfolge wesentlich durch Zerfall rother Blut körperchen, da der Vormittagsharn nur eine relativ geringe Menge Phosphorsäure enthalte; dies Verhältniss erkläre sich aus dem Zerfall eines Stickstoffleichen, doch an Phosphor armen Gewebes der rothen Blutkörperchen. Die Berechnung der Harnstoffmenge im Urin zeigt uns mithin die Menge des im Körper zersetzten Eiweisses an. Wenn gleichzeitig eine Bestimmung des Stickstoffgehaltes der Nahrung gemacht wird, so gewährt die Untersuchung einen wichtigen Einblick in den Stoffwechsel; sie ent scheidet die Fragen, ob der Körper sich im Stickstoffgleichgewicht be findet, ob er einen Theil des eingeführten Eiweisses ansetzt, oder ob die Organe durch ihren Zerfall die mangelhafte Stickstoffeinfuhr decken müssen. II. Pathologische Vermehrung des Harnstoffs. 1. Die Harnstoffausscheidung im Fieber ist seit langer Zeit Gegenstand eingehender Untersuchung gewesen. Vogel (Ztschr. f. rat. Med. N. F. IV. p. 362), und fast gleichzeitig mit ihm Andere, wiesen eine constante Vermehrung des Harnstoffs im Urin Fiebernder nach. Dieser Befund ist im ersten Augenblick auffallend, da die Eiweisseinfuhr bei Fiebernden ausserordentlich herabgesetzt ist, und der der Nahrungs aufnahme entsprechende Werth für die Harnstoffproduktion nur wenige Gramme beträgt; daher ist auch die Harnstoffmenge Fiebernder nicht 34*