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524 Quantitative Veränderungen des Urins. §. 95. Geht das Eiweiss direkt in Harnstoff über, oder -wird es erst Zellenbestandtheil und bildet nach deren Zerfall den Harnstoff? V o i t gelangt nach seinen umfassenden Untersuchungen, mit denen die Anderen übereinstimmen, zu dem Schluss, dass das Eiweiss durch das Blut den Zellen der einzelnen Organe zugeführt und dort zerlegt wird. Ein geringer Bruchtheil hilft als ..Organeiweiss“ die täglichen Zellverluste decken, während der grösste Theil in Harnstoff übergeht. Die zerfallenen Zellen ihrerseits helfen wieder die Menge des Harnstoffs im Harn vermehren. Edlefsen (D. Arch. f. kl. Med. 29. p. 432 ff.) weist auf das Hämoglobin der rothen Blutkörperchen als auf einen bedeutenden Factor für die Harnstoffausscheidung hin; namentlich Meissner (Ztschr. f. rat. Med. 31. p. 234) hatte dies schon früher gethan, und den Harnstoff einerseits, Glycogen und Gallenfarbstoff andrerseits, aus dem Hämoglobin entstehen lassen. Die Ausscheidung des fertigen Harnstoffs durch die Nieren geschieht dadurch, dass die Epithelien der Harnkanälchen, vor nehmlich der Tubuli contorti, denselben durch active Tbätigkeit in sich aufnehmen, worauf er durch das von den Glomerulis herabströmende Wasser ausgelaugt wird; diese Annahme ist jedenfalls nach Heiden- hain’s bahnbrechenden Untersuchungen allgemein acceptirt. I. Physiologische Harnstoffmenge. Der gesunde Mann entleert in 24 Stunden 25 bis 32 Grm. Harn stoff; auf 1 Kilogr. Körpergewicht rechnet Vogel 0,37 bis 0,60Grm. Harnstoff. Die Frau scheidet etwas weniger aus. Bei Säuglingen nimmt die absolute Harnstoffmenge stets zu und beträgt am 5.—10. Tage 0,902 Grm. in 24 Stunden, während die relative Menge bis zum 5.—10. Tag zunimmt — sie beträgt dann auf 1 Kilo Körpergewicht 0,26 Grm. —, um nunmehr bis zum 60. Tag stationär zu bleiben. Eine weitere allmähliche Zunahme findet durch das ganze Kindes alter hindurch statt. Es verhält sich die relative Harnstoffausscheidung des Säuglings zu der des Erwachsenen wie 1:1,4—2,3. Kinder, die von Ammen mit langer Lactationsdauer gestillt wurden, produ- cirten mehr Harnstoff (Gruse, V.-H. Jber. 1877. II. p. 605 f.). Hofmeier (Virch. Areh. 89. p. 499 ff.) fand, ähnlich wie Martin und Enge, die Harn stoffausscheidung bis zum 3. oder 4. Tage ansteigend, so dass die absolute Harn stoffmenge des vierten Tages das Vierfache derjenigen des ersten betrug, — von dort langsam absteigend, so dass am 8. und 9. Tage nur etwas mehr als die Hälfte der Menge des 4. Tages abgesondert wurde. Der 3. oder 4. Tag sind mithin der Höhepunkt des Zerfalles der Eiweissstoffe im kind lichen Organismus, wahrscheinlich deshalb, weil bis zu diesem Zeitpunkt