Semiotischer Theil Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns, sowie zur Beurtheilung der Veränderungen dieses Secrets mit besonderer Rücksicht auf die Zwecke des praktischen Arztes
Harnstoff. — §. 95. 523 Jahren gelungen, wichtige Einblicke in die Ausscheidungsverhältnisse dieser Urinbestandtheile und somit in den Stoffwechsel zu tliun, Eesultate, welche zu weiteren Forschungen auffordern. §. 95. Harnstoff. Th. L. W. Bisehoff. Der Harnstoff als Maass des Stoffwechsels. Giessen. 1853. — Voit. Ztschr. f. Biologie. Bd. -1. S. 77 ff. — Nach Heidenhain und Drechsel in Hermann’s Handb. der Phvs. Bd. V. Die Methoden der quantitativen Harnstoff-Bestimmung sind bereits im §. 47 besprochen, auf die Differenzen, welche sich bei ihrer Benutzung ergeben, wurde ebendort hingewiesen und als passendste Untersuchungs- Methode für den praktischen Arzt die Liebig’sche und Knop’sche empfohlen. Auch wurde im vorigen Paragraph erwähnt, dass das specifische Gewicht einen gewissen Kückscliluss auf die Harnstoffmenge gestatte. Sehr wahrscheinlich wird der Harnstoff in den Geweben fertig ge bildet, nicht etwa entstehen nur seine Vorstufen. Wenn wir mithin den Nieren keine specifische Funktion für die Harnstoffproduktion -zuschreiben können, so muss man andererseits annehmen, dass auch sie, wie andere Organe, durch ihren Stoffwechsel an.der Harnstoffbildung Theil nehmen. Welche anderen Organe sich an der Harnstoffbildung betheiligen, ist zur Zeit noch nicht zu entscheiden; doch weisen die Versuche von Schröder (Arch. f. exp. Path. XV. p. 364) auf die Leber als eine Hauptbildungs stätte hin, während die Betheiligung der Muskeln an diesem Vorgänge noch sehr zweifelhaft ist, trotzdem die Präsumption dafür spricht, dass gerade sie wegen ihrer grossen Masse wesentlich zur Harnstoffbildung beitragen. Der Harnstoff entsteht nicht, wie man früher annahm, durch Oxydation aus Eiweiss, sondern durch Synthese, sodass er also erst durch eine Anzahl Zwischenstufen hindurch aus dem Eiweiss hervorgeht. Wie der Vorgang ist, darüber herrschen verschiedene Meinungen: Schultzen und Nenclti (Ztschr. f. Biol. VIII. p. 124) glauben, dass das Eiweiss in Amidosäuren zerfällt, und dass diese in Harnstoff übergehen. Cyanver bindungen als Mittelstufe halten sie für möglich. — Hoppe - S ey 1 er (Phvs. Chem. 1881. p. 810) hält eine Entstehung des Harnstoffes aus Cyansäure und Ammoniak für wahrscheinlich. — E. Salkowski vermuthet, dass 2 Moleküle Cyansäure sich mit Wasser oder Ammoniak zu Harnstoff verbinden. — Schmiede- berg (Arch. f. exp. Path. VIII. p. 1) stellt die Hypothese auf, dass der Stickstoff des Eiweisses als kohlensaures Ammoniak ausgeschieden wird, worauf durch Wasserabspaltung Harnstoff entsteht. — Drechsel (Journ. f. prakt. Chem. XVI. p. 180) hält für wahrscheinlich, dass die Amidosäuren in Carbaminsäuren über gehen und aus dieser durch eine Oxydation 2 Atome Wasserstoff, durch eine lleduction 1 Atom Sauerstoff ausgeschieden werden, worauf Harnstoff entsteht.