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510 Quantitative Veränderungen des Urins. § 92. Diese Abnahme der Harnmenge findet bei allen acuten fieberhaften Krank heiten, wie Pneumonie, Pleuritis, Typhus, rheumatischen, gastrischen, pyämi schen Fiebern, Masern, Erysipel etc. mit höchst seltenen Ausnahmen statt. — Jeder Arzt hat so leicht und so häufig Gelegenheit, dieselbe zu beobachten, dass Beispiele zu bringen ganz überflüssig ist. Bei Scharlach gleicht die Harnmenge entweder der bei anderen acuten fieber haften Krankheiten: günstiger Verlauf: oder es bestehen nach Abfall des Fiebers Polyurie mit nachfolgender Oligurie, überhaupt grosse Schwankungen: schleppen der Gang, Herzschwäche, Anaemie; oder die nach dem Fieber auftretende Polyurie weicht in einigen Tagen einer starken Verminderung, welche bis zum Tode bleibt, oder aber es tritt nach einigen Tagen eine Harnfluth ein, die all mählich zur Norm führt: Entwicklung von Nephritis (Glax, D. Arch. f. kl. Med. 33. p. 200). 2. Viele chronische Leiden sind von einer arteriellen Anaemie und venösen Hyperaemie der Nieren begleitet und durch Verminderung des Drucks und der Strömungsgeschwindigkeit des Blutes von grossem Ein fluss auf die Diurese. Vermindert ist die Harnmenge bei Anaemie der Nieren in Folge allgemeiner schwerer Anaemie, nach Blutverlust, und namentlich bei der Cholera; es kann bei dieser in Folge des herabgesetzten Blutdruckes bis zur Anurie kommen, diese aber in den schwersten Fällen 6 Tage dauern und später von Polyurie (4000—5000 Ccm.) gefolgt sein (Bartels, Nierkkh. 2. Aufl. 1877. p. 210). — Jlei Myocarditis und uncompensirten Herzfehlern kommt zu der arteriellen Anaemie die venöse Stauung, welche durch Compression der peripher in den Glomerulis liegenden Vasa afl’erentia und der Harnkanälchen ebenfalls zur Oligurie führt [im Anfang von Mitral fehlern zeigt sich dagegen häufig Polyurie (D u p r 6, Jahrb. der ges. Med. 1881. II. p. 130)]. Dieselbe findet sich ausserdem bei allen Krankheiten des Respirationsapparates, wenn die Hypertrophie des rechten Ventrikels die Strömungswiderstände nicht mehr zu überwinden vermag: Infiltration, Compression und hochgradige Expansion der Alveolen. Auf Stauung durch Compression der Brustorgane ist auch die Oligurie bei fieberfreiem pleuritischem Exsudat zurückzuführen, weit weniger auf die Wasser menge des Exsudats an sich (Glax, Berl. kl. Wochenschr. 1882. 31 und Christeller, Jahresber. der ges. Med. 1881. I. 221). Ebenso wirken Hydro- thorax und Hydropericardium. Wird dem venösen Blut in der Cava inferior oder in der Leber ein Hindemiss gesetzt, so tritt ebenfalls Oligurie ein; so bei Cirrhosis hepatis atrophica [bei der hypertrophischen Form wurde dagegen einige Mal Polyurie beobachtet (Hayem, Arch. de physiol. norm, et patliol. 1874. p. 126)] und in den meisten Fällen von acuter gelber Lebertrophie, bei Thrombose der Cava und V. renalis und bei Druck auf dieselbe durch Geschwülste und Ascites (Schatz, Arch. f. Gynäkol. 5. p. 222). Bartels (Nierenkrankh. p. 39) sah jedoch einen Fall von Verschluss der V. cava ascend., in dem durchschnittlich 1600 Ccm. Harn entleert wurden. Darmverschliessungen bedingen um so stärkere Oligurie, je weiter oben der