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502 Flüchtige Bestandtheile. §. 90. rothe Färbung eines diabetischen Harnes, in dessen Destillat sich Aceton nach- weisen liess, hat zuerst Gerhardt (Wien. m. Presse 1865. 28. p. 673) auf merksam gemacht; die von Tollens aufgestellte Vermuthung, es möchte sich hierbei um Acetessigsäure handeln, ist durch v. Jakseh mittelst ausgedehnter Untersuchungen erwiesen worden. Indessen ist Acetessigsäure gewiss nicht in allen Fällen Ursache des Harnacetons: v. Jaksch fand Aceton nicht nur im Destillat jedes mit Eisenchlorid sich röthenden Harnes, — er bezeichnet Fälle, welche diese Reaktion geben, als Fälle von Diaceturie — sondern häufig auch bei solchen Harnen, welche diese Reaktion nicht gaben. Nach R. v. Jaksch ist Aceton in geringer Menge (bis 0,01 Grm. pro die) in jedem normalen Harne enthalten: physiologische Acetonuri e. Unter dem Einflüsse pathologischer "Processe, namentlich solcher, welche mit einem sehr vermehrten Zerfalle der Gewebe einhergehen, tritt eine sehr beträchtliche Vermehrung der physiologischen Acetonausscheidung durch den Harn ein. Man unterscheidet gegenwärtig folgende Formen der pathologischen Acetonurie: 1. die febrile; 2. die diabetische; 3. die bei gewissen Carcinomen auftretende; 4. die der (von Frerichs nicht anerkannten) sog. Acetonaemie von Kaulich und Cantani. Bei der febrilen Acetonurie kann in der binnen 24 Stunden entleerten Harnmenge der Acetongebalt bis 0,5 Grm. betragen; es geschieht dies bei hohem eontinuirlichem Fieber. Ausnahmslos findet nach v. Jaksch (1. c. 1882. V. p. 347) eine erhebliche Vermehrung statt. Das Wesen des fieberhaften Processes ist dabei ganz ohne Belang: Pneumonie, die Typhen, die akuten Exantheme, Polyartbritis, Sepsis, Exsudate, Tuberkulose etc. zeigen die gleiche Erscheinung. Für Scharlach hat dies Deichmüller (1. c.) bestätigt. Dagegen sind fieberlos verlaufende pathologische Processe der verschiedensten Art nicht von pathologischer Acetonurie begleitet, wie Herzfehler, Leukämie, Anämie, Nephritis, Muskelatrophie, leichte Vergiftungen: ein Beweis dafür, dass die übernormale Vermehrung des Acetons vom Fieber bedingt ist. Deshalb schwindet das Aceton in der Typhus- reconvalescenz, und stellt sich von Neuem beim Recidiv ein. Die Stärke der febrilen Acetonurie entspricht im Allgemeinen der Fieberhöhe; abgesehen von unwesentlichen Abweichungen hält das Maximum der Acetonausscheidung mit dem Maximum der Temperatursteigerung gleichen Schritt. Indessen ist zum Er scheinen der febrilen Acetonurie wesentlich nöthig, dass das Fieber eine Zeit lang continuirlich anhält; bei den Typhusrecidiven erschien sie z. B. erst nach 48stündiger Fieberdauer. Kurze Fiebersteigerungen, wie bei Wechselfieber, bei hektischem Fieber der Phthisiker vermehren das Aceton nicht wesentlich; ein mässiges anhaltendes Fieber ist in dieser Beziehung wirksamer als ein heftiges von ganz kurzer Dauer. Die diabetische Acetonurie ist zuerst von Kaulich gefunden und seither wiederholt constatirt worden, v. Jaksch kam zu folgenden Resultaten: 1. Es giebt Fälle von Diabetes, in der Regel leichter Art, welche Acetonvermehrung nicht zeigen; einer z. B. entleerte neben 250,0 — 300,0 Zucker pro die nur 0,01—0,02 Aceton. 2. Der Harn ist ziemlich reich an Aceton, zeigt die Gerhardt’sche Reaktion aber nicht: es sind dies meist etwas vorgeschrittenere Diabetesfälle. 3. Der Harn zeigt die Gerhardt’sche Reaktion, ist sehr reich an Aceton (z. B. schied ein Kranker binnen 24 Stunden mehr als 2,0 Grm. aus) und an Zucker: alle diese Fälle waren sehr vorgeschritten und gingen häufig rasch unter den Symptomen des diabetischen Coma zu Grunde. — Ueber die Frage des diabetischen Coma und seiner Be-