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476 Harnsedimente. §. 86. selbstverständlich benutzt man dazu am besten das Sediment, welches sich am Boden eines Spitzglases bildet. Dieses Gefäss ist durch eine gut schliessende reinliche Bedeckung möglichst vor zufälliger Verun reinigung durch Keime aus der Luft zu schützen. Bei zufälliger Verunreinigung des Harnes sind es besonders unreine Ge- fässc, in welche der Harn gelassen oder zur Abgabe an den Arzt geschüttet worden war, durch welche Pilze in denselben gelangten; schon wenige Stunden nach seiner Entleerung kann er dann von Pilzen wimmeln und in hohem Maasse in ammoniakalische Zersetzung übergegangen sein. Es geschieht dies ganz be sonders bei gleichzeitiger hoher Aussentemperatur. Keinenfalls ist also, wenn Harn bald nach seiner Entleerung amnroniakalisch zersetzt gefunden wird, ohne Weiteres der Schluss gestattet, dass diese Zersetzung schon innerhalb der Harn blase angefangen haben müsse. Es ist dringend nothwendig, dass bei allen Untersuchungen dieser Art die Harnröhre und besonders das Orificium urethrae, an welchem stets Pilzkeime haften, gereinigt werde, ehe der zur Prüfung bestimmte Harn aufgefangen wird. Jedenfalls muss daher auch der erste Harnstrahl verloren gegeben werden, damit nicht etwa Pilze, welche zufällig im unteren Theil der Harnröhre vorhanden sind, in das Untersuchungsgefäss hineingeschwemmt werden. So wies z. B. Leube (Zeitschr. f. klin. Med. 1881. XII. p. 239) in einem Fall von Myelitis, in dem der Harn schon zwei Stunden nach seiner Entleerung abscheulich ammoniakalisch roch, durch Katheterisiren nach, dass er innerhalb der Harnblase sauer reagirte, klar war, und keine Spur von Ammoniak (Tripelphosphat- oder Ammonurat- krystalle) enthielt. Keineswegs lag aber die Ursache der leichten Zersetzlichkeit des Harnes in seiner ursprünglichen Zusammensetzung, so dass eine idiopathische Spontanzersetzung hätte angenommen werden müssen. Vielmehr lag sie, wie Craemer (ibid. 1883. VI. p. 54) demonstrirt, in Folgendem: Träufelt bei Kranken mit Blasenlähmung der Harn fortwährend ab, so wird sich bald am Orificium urethrae eine Entzündung etabliren, welche sich gegen die Blase hin fortsetzt. Kommt es dann zur Abscheidung eines schleimigen Secretes, so wird dasselbe für die Entwicklung von Bakterien, falls es liegen bleibt — und das geschieht ja auch beim Mangel eines kräftigen Urinstrahles — einen guten Nährboden für Pilzkeime abgeben, noch mehr aber eine Strasse bilden, auf welcher diese Zer setzungserreger sogar bis in die Blase gelangen können. Offenbar war beim obigen Kranken Leube’ s dieser Prozess wirksam gewesen, obschon in massigerem Grade. In praktischer Hinsicht wichtig sind die Pilze, welche mittelst unreiner Katheter in die Harnblase gelangen und darin eine ammonia kalische Zersetzung des Harnes, in Folge davon aber eine mehr oder weniger intensive Cystitis hervorrufen. Traube hat auf diese Fälle und die Nothwendigkeit, sie durch äusserste Reinhaltung der Katheter zu verhüten, aufmerksam gemacht (cf. Fischer, Berl. kl. Wschr. 1864. 2. p. 18); er sah in Folge Katheterisirens zweimal —- nach Ileo- typhus — Necrose der gesammten Blasenschleimhaut, welche als eine von Phos phaten inkrustirte Membran innerhalb der mit trübem stinkendem Harne gefüllten Blase flottirte. Zur Zerstörung der Vibrionen in der Blase empfahl er Ein spritzungen von ausgekochtem Wasser und verdünnter Sublimatlösung, zur Reinigung der Katheter gründliches Auskochen. Der Traube-Fischer’schen Ansicht schliesst sich nach Beobachtungen aus der Niemey er’sehen Klinik Teuffel (Berl. kl. Wschr. 1864. 16. p. 160) im Wesentlichen an; nur findet er, dass zum Gedeihen der durch unreine Katheter eingeführten Bakterien ganz besonders noch