Semiotischer Theil Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns, sowie zur Beurtheilung der Veränderungen dieses Secrets mit besonderer Rücksicht auf die Zwecke des praktischen Arztes
Pigmentsedimente und Pigmentharne. — §. 85. 461 §. 85. Pigmentsedimente und Pigmentharne. Literatumotizen finden sich besonders in den im Texte citirten Arbeiten von Wyss, Jaffe, Wolffberg, Senator, Hennige sowie bei Beneke, Grundl. d. Path. des Stoffwechsels Berl. 1874 p. 185. Blauer Farbstoff im Harn ist ein sehr seltenes Vorkommniss. Er wird von dem Indigo, einem Derivat des normalerweise im Harn vor kommenden sog. Harnindican’s geliefert. Indigo findet sich in Lösung, als Sediment und als Bestandtheil von Harnsteinen. Das zweckmässigste Verfahren zum Nachweise des Indicans im Harn beruht auf der von Jaffe (Pflüg. Arcli. 1870 III. p. 448 u. Virch. Arch. 1877 LXX. p. 73) empfohlenen Oxydation desselben in stark saurer Lösung mit unterchlorigsaurem Salz. Eine ähnliche Zersetzung des Indi cans, wie durch Säuren, wird durch Fermente herbeigeführt. Es bildet sich hierbei ein Körper, welcher an der Luft blau wird, wodurch sich erklärt, dass wir hie und da Harn, welcher in Folge von Beimischung reichlicher Mengen von Blasenschleim und Eiter (z. B. bei Cystitis) rasch in Fäulniss übergeht, blau werden sehen, oder dass wir denselben mit' rothblau schillernden Häutchen bedeckt finden (Beneke). Indigo wird unter diesen Umständen nicht selten auch in Form kleiner rhombischer Krystalle am Boden des Gefässes ausgeschieden; schon die Farbe dieser Krystalle lässt eine Verwechslung nicht zu. In sehr seltenen Fällen wird der Harn gleich blaugefärbt entleert. So er wähnt Pr out (Een. Diseas. 5 ed. p. 5(57 Lond. 1848) eines Patienten von mitt leren Jahren, welcher jedesmal nach dem Einnehmen eines Seidlitzpulvers einen Ham ausschied, der ein dunkelblaues Sediment bildete. Beneke (1. c. p. 189) beobachtete einen schon bei der Entleerung stark blau gefärbten Harn bei einem an Morbus Brightii Leidenden; die blaue Farbe trat aber nur zeitweilig an ein zelnen Tagen auf. Einen dritten derartigen Fall beschrieb (Beneke 1. c.) De- buyne; der Farbstoff ward als Indigo erkannt. Li.tteu (s. Ctrlbl. f. d. m. W. 1880. p. 822) beschrieb hei Leberkrebs einen tiefdunkelblauvioletten Harn. Ebenso er’wähnt Velsen (Pr. Vjschr. 5. p. 109 d. B.) eines dunkelvioletten Harns bei einem alten Manne mit chronischer Cystitis. Hassal (Ibid. 46. p. 73) bemerkte öfter in Harnsedimenten tiefblaue Theilchen; in einem Falle entstanden dieselben augenscheinlich erst beim Stehen an der Luft. Dass dies regelmässig der Fall sei, meint Virchow (Archiv 1854. VI. p. 260) auf Grund eigener Erfahrung; er selbst hatte (Arch. I. p. 423) einen Fall beschrieben, wo sich in dem klaren und hell gelben Harne beim Stehen an der Luft kleine, bläulich werdende Flocken bildeten und endlich ein feiner, blauer, aus strahligen Nadeln bestehender Satz zu Boden fiel. Dagegen fand Hennig (Virch. Arch. 1855. VIII. p. 350) bei einem Kranken nur amorphes, blaues Pigment im Harne. Gilchrist (Pr. Vjschr. 77. p. 14 d. B.) berichtet von dem zum Theil aus blauen Partikelchen bestehenden Harnsediment einer 58jährigen, rheumatischen Frau und gedenkt zweier ähnlicher von Prout und Beale beschriebener Fälle. Braconnot (Pr. Vjschr. 77. p. 14 d. B.) sah zwei Fälle, in denen einem der Harn tiefblau, fast schwarz war. Ultzmann (Wien. Klin. 1879. p. 126) sah in einem Falle von Tabes und Lähmung der Blase längere Zeit hindurch blaue Sedimente von ausgeschiedenem Indigo; die Glaukurie verschwand plötzlich. In einem Falle von tödtlicher Peritonitis (p. 125) sah er Neubauer u. Vogel, Harnanalyse. 8. Aull. II. v. Thomas. 30