Semiotischer Theil Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harns, sowie zur Beurtheilung der Veränderungen dieses Secrets mit besonderer Rücksicht auf die Zwecke des praktischen Arztes
Samenbestandtlieile. — §. 84. 449 §. 84. Samenbestandtlieile. Same ist bei männlichen Personen im zeugungsfähigen Alter ein ver- hältnissmässig ziemlich häufiger Bestandteil des Harnes. Er findet sich im gesunden Zustande -wie in Krankheiten, vorzugsweise bei Erkrankungen der Harn- und Geschlechtsorgane. In der Kegel ist seine Zumischung zum Harne (Spermaturie) eine zufällige Erscheinung. Es ist von Lallemand (Des pert. sem. involont. 1838. Dtscli. von Ofter- dinger. Stnttg. 1840) behauptet worden, dass Abgang von Samen mit dem Harne in Folge des Stuhlganges eine bei enthaltsamen Männern gewöhnliche Erschei nung sei; nach Albers’s Ansicht (Bonner med. Corrbl. 1842. 10) soll sogar eine regelmässige tägliche Entleerung kleiner Mengen desselben mit dem Harne statt finden. Clemens (Ztschr. f. rat. Med. 1846. V. p. 133) tritt dieser Ansicht auf Grund sorgfältiger Untersuchungen an zwölf Gesunden sehr entschieden entgegen, und behauptet, dass — abgesehen vom Coitus — nur Pollutionen eine Samen- zumischung veranlassen könnten. Dabei macht er insbesondere auf unvollkom mene Pollutionen aufmerksam, die den Samen nur in die Urethra, nicht vor deren Orificium gelangen lassen, und bei denen der hinterher entleerte Harn meist bei weitem reicher an Samenbestandtheilen ist als nach einer von sichtbarem Ergüsse gefolgten Pollution, welche selbst bei bedeutenderer Reichlichkeit — es gelangt eben Alles sofort nach aussen — nur spärliche Samenfäden in den Harn zu liefern pflegt. In der Regel finden sich die Samenbestandtlieile nur bei der ersten Harnentleerung nach Coitus oder Pollution; nur ausnahmsweise enthält auch die zweite Entleerung noch geringe Spuren des in die Harnröhre gelangten Samens. Neue Untersuchungen von Malecot (Paris 1884) bestätigen diese Anschauungen. Der Nachweis von Samenzumischung zum Harne ist mit Sicherheit nur durch den mikroskopischen Nachweis der morphotischen Elemente des Samens, insbesondere der Samenfäden, zu liefern; bei deren charakteristischer Form und grossen Dauerhaftigkeit ist er verhältniss- mässig einfach. Man erleichtert sich ihre Auffindung bedeutend, wenn man bei zu vermuthender Anwesenheit von Samen im Harne die beim Wasserlassen zuerst und zuletzt entleerten Harnportionen isolirt unter sucht. Im Spitzglas sinken die Samenfäden rasch zu Boden; es bedarf übrigens zu ihrer genaueren Erkennung einer stärkeren, mindestens drei hundertfachen Vergrösserung. Im frischen Harn, namentlich wenn der selbe nicht zu sauer ist, sollen sie noch eine kurze Zeit hindurch schwache Bewegungen zeigen können; todt ejaculirte zeigen geknickte oder einge rollte Schwänze. — Auf chemischem Wege ist die Spermaturie nicht zu erkennen; allenfalls kann man sie bei Anwesenheit sehr geringer Mengen von Eiweiss im Harne vermuthen, wenn man sicher ist, dass keine renale oder andersartige Ursache für Albuminurie besteht. Bei Greisen kann dem Harne Sperma zugemischt sein, ohne dass sich Sa menfäden auffinden lassen. Ygl. Ray er, Nierkkh. Dtscli. Ausg. 1844. p. 76. Immer gewinnt der Harn durch Samenzumischung eine trübe Be schaffenheit und kann diese Trübung bei Anwesenheit von viel Samen in einer geringen Harnmenge sogar ziemlich bedeutend sein. Indessen unter-