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Hamcylinder. — §. 83. 445 öffentlichten Fälle, die bei reichlicher Cylinderausscheidung kein gelöstes Eiweiss enthielten, und Jedem wird es bei genauer Beobachtung abheilen der Nephritiden auffallen, wie lange und wie oft der fast vollkommen klare und vielleicht längst eiweissfreie Harn immer noch wenigstens ein zelne Cylinder enthält. Andererseits ist allbekannt, dass man nicht selten trotz ziemlich erheblicher Eiweissmengen nicht im Stande ist, auch nur einen einzigen Cylinder aufzufinden. Jedenfalls existiren also Verhältnisse, welche einmal schon die geringste Menge Eiweiss gerinnen machen, die wegen einer durch Circulationsstörung hervorgerufenen Durchlässigkeit der bei der Harnabsonderung betheiligten Membranen (Cohnheim, Allg. Path. 1880. II. p. 315) in die Harncanälchen gelangt, während ein ander mal von verliältnissmässig ungeheuren Massen nicht das Geringste in die Cylinderform übergellt. Hinsichtlich des letzteren Punktes muss aber berücksichtigt werden, dass Entstehung und Ausscheidung von Cylindern nicht immer zusammenfallen. Wenn auch die verbreitete von Cohnheim (1. c. p. 383) zurückgewiesene Anschauung über die Unterdrückung der Harnsecretion durch Verstopfung des Nierengewebes mit Cylindern — thatsächlich verhält es sich umgekehrt — bei chronischen Dege- nerativprocessen der Nieren nicht wiederholt werden soll, so ist es doch allgemein acceptirt, dass Cylinder in einzelnen Theilen der Nieren, etwa bei mangelnder vis a tergo, zurückgehalten werden können. Findet nun gleichzeitig der Abfluss des eiweiss haltigen Secretes in benachbarten Gebieten ungehindert statt, so resultirt Albumin urie ohne, oder mit unverhältnissmässig spärlicher Cylinderausscheidung. Einen ganz eigenthümlichen Fall von Retention der Cylinder in Nieren kelchen und Nierenbecken referirt Ackermann (D. Arch. f. kl. Med. 1872. X. p. 298). Bei einem 20jährigen Mann (mit Osteomyelitis und Nephritis) ergiebt die öfter vorgenommene Untersuchung des Harns, dass ein Vierteljahr lang und zwar bis zum Tode die Hamcylinder, welche bis vorher reichlich vorhanden, gewesen waren, trotz fortdauernder Albuminurie vollkommen fehlten. Die Section ergab in zahlreichen Canälchen der Rinde und des Markes hyaline Cylinder, im Nieren becken und in den Kelchen beider Seiten eine ziemlich bedeutende Menge dunkel- citronengelber trüber dünnschleimiger Flüssigkeit, welche neben Epithelien und spärlichen Lymphkörperchen hyaline homogene Cylinder in enormster Menge enthält. Sie sind von der verschiedensten Länge und Breite, einzelne so bedeu tend, wie man sie kaum je im Harne sieht. Grösstentheils sind sie glattrandig und granulirt, einige unregelmässig contourirt und feinhöckerig, nicht selten spiralig. Ihre Farbe ist blass grünlich gelb, die gelbe Farbe der Nieren flüssigkeit ist allein hierdurch bedingt. Ackermann sucht die Ursache dieser ganz einzigen Retention der Cylinder im Nierenbecken, in ihrer specifischen Schwere und der anhaltenden horizontalen Lage des Kranken; sie senkten sich so in den Harnwegen und verklebten mit einander. Ganz unzweifelhaft zeigen Hamcylinder an, dass im Secretions- apparat der Niere eine Störung eingetreten und die gleichzeitige Albuminurie eine renale ist; sollte etwa Anwesenheit andersartiger Krankheitsproducte auf einen gemischten Ursprung derselben hinweisen, so würde sie wenigstens theilweise als eine renale zu betrachten sein. Indessen darf nicht behauptet werden, dass diese Nierenstörung unter allen Umständen eine anatomisch nachweisbare sein müsse. Anatomische 29 Neubauer u. Vögel, Harnanalyse. 8. Aufl. II. v. Thomas.