STADT UND LANDSCHAFT COLDITZ Ihre Stellung in der Landesgeschichte Karlheinz Blaschke Die geschichtliche Bedeutung einer Stadt oder Landschaft wird oft nicht aus ihrer gegenwärtigen Stellung deutlich, denn es zeigt sich vielfach, daß einst hervorragende historische Stätten, die lange im hellsten Licht der Ereignisse gestanden haben, in späterer Zeit in den Schatten ge treten sind. Die geschichtliche Entwicklung ist mit einem dauernden all gemeinen Fortschritt verbunden, aber sie bevorzugt zu gewissen Zeiten diese oder jene Orte und Landschaften, während sie andere zurück treten läßt. Der allgemeine Fortschritt läßt zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene Verteilung der Gewichte innerhalb der Geschichtsräume zu. Wären nicht die Zeugnisse einstiger Größe übriggeblieben, die alten Bauwerke und die schriftliche Überlieferung, dann fiele es uns heute schwer, die geschichtliche Bedeutung einer Stadt an ihrem ge genwärtigen Erscheinungsbilde abzulesen. Stadt und Landschaft Colditz sind eine solche geschichtliche Einheit, die ihre große Zeit vor Jahrhunderten erlebt hat, als sie einen Schwerpunkt politischer Beziehungen und Entscheidungen darstellte. Die Voraus setzungen, die der Colditzer Landschaft mitgegeben sind, waren ge rade für die geschichtlichen Erfordernisse einer früheren Zeit geschaf fen, während die neuere und neueste geschichtliche Entwicklung weniger die Möglichkeit fand, sich in dieser Landschaft zu konzentrieren. Aber die Geschichte einer Stadt und einer Landschaft ist eine Einheit über Höhepunkte und Niederungen hinweg, und die Gegenwart ist mit ihren Leistungen und ihren Einschränkungen immer nur recht zu ver stehen, wenn zuvor die Vergangenheit verstanden worden ist, auf der diese Gegenwart steht. Die Frühzeit • Einer der frühesten und wichtigsten Chronisten unserer sächsischen Heimat, der Bischof Thietmar von Merseburg, berichtet vom Tode des Bischofs Eid von Meißen, der im Jahre 1015 in Leipzig starb und in Meißen bestattet wurde. Eid selbst hatte aber gewünscht, an einem Colidici genannten Orte begraben zu werden '), wo „Christi magnus martyr", „ein großer Märtyrer Christi" oder, wie man auch über setzen kann, „Magnus, der Märtyrer Christi" leibhaftig begraben liege. Meistens ist diese Nachricht fälschlicherweise auf Colditz bezogen wor den, mit dem sie nichts zu tun hat. Colidici bezeichnet vielmehr das Dorf Cölbigk in Anhalt, wo es tatsächlich eine Magnuskirche gibt. 2 ) Colditz erscheint erst dreißig Jahre später zum ersten Male in der schrift lichen Überlieferung.