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DER COLDITZER SCHLAGBAUM (Acta, Die Muldenbrücke und den Brückenzoll zu Colditz betr. 1823, 1834. — Acten, Die Verlegung der Brückengelder-Einnahme zu Colditz betr., erg. vor dem Ober-Steuer-Inspectorate zu Grimma, 1846, 1855) Eine lange Stange mit einem eisernen Schild hing einst auf der Badergasse Nr. 147, der heutigen Dr.-Wilhelm-Külz-Straße Nr. 3, bis auf die Mitte der Straße hinaus. Das war für die von auswärts kommenden Fuhrleute und Reiter das Zeichen dafür, daß hier das Brückengeld gezahlt werden mußte. Denn obwohl die Schafbrücke schon bestand, konnte man damals den Markt und von oben herab die Muldenbrücke nur durch die Badergasse erreichen. Am Hause selbst waren noch das große Postschild und die Schilder für das Unter steueramt und die Stempel-Impost-Einnahme angebracht. Denn der Postmeister Bellger, dem das Haus gehörte, verwaltete alle vier Ämter zugleich, und Posthaus war es schon seit 1810 gewesen. Jetzt, i. J. 1846, nach 36 Dienstjahren - Bellger war während der Napoleonischen Kriege Soldat gewesen und als Offizier abgegangen —, war er infolge jener Kriegsstrapazen so krank, daß er zur Erleichterung von seinen Ämtern wenig stens die Brückengeld-Einnahme abgeben wollte. Weil er aber in Hinblick auf seine baldige Pensionierung dafür eine Entschädigung beanspruchte, wurden außer dem vorgesetzten Ober-Steuer-Inspektorat zu Grimma noch andere Behör den in Bewegung gesetzt — unser Aktenstück umfaßt mehr als 150 Blatt —, zumal sich bereits der Materialwarenhändler und Tierarzt Schäfer erboten hatte, das Amt in seinem Hause zu übernehmen. In diesem Hause Nr. 227, dem ersten linker Hand von der Muldenbrücke her, hatte Schäfer zwei Jahre zuvor während der Umpflasterung der Badergasse und des Baderberges diese Tätigkeit schon einmal zwei Monate lang vertretungsweise ausgeübt; seine Lage unmittelbar an der Brücke schien für diesen Zweck besonders günstig. Von einer solchen Ver legung der Brückengeldeinnahme versprach sich das Obersteuerinspektorat ein ansehnliches Steigen der Einnahme. Denn dadurch würden die zahlreichen Steuerhinterziehungen unterbunden, bes. wenn damit die Errichtung eines Schlagbaumes verbunden wäre, der oben auf der Badergasse nicht anzubrin gen war. Darum wurde nun ein dreieinhalbjähriger Kampf geführt, denn die Colditzer Bürgerschaft war gar nicht damit einverstanden, daß gerade an dieser beson ders belebten Stelle ihrer Stadt ein so störendes Hindernis aufgebaut werden sollte, und auch die verschiedenen Behörden waren sich nicht darüber einig, was hier geschehen sollte. Der Verfechter des Schlagbaum-Vorhabens war eigentlich nur der Grimmaer Obersteuerinspektor. Er hatte zunächst zu erkun den, wie sich die Stadtverordneten hierzu stellten, wohlgemerkt: ohne damit dem Stadtrat ein Einspruchsrecht einzuräumen. Die aber mit ihrem Bürgermeister Friedrich Scharschmidt erklärten rund heraus, sie würden die Anbringung eines Schlagbaumes weder an der bezeichneten Stelle noch innerhalb und in der Nähe der Stadt jemals dulden, sie würden ihre Gründe höheren Orts anzu bringen wissen. Das war eine böse Sache. Die Eingabe des Stadtrates an die Kreisdirektion in Leipzig vom 29. August 1846 läßt denn auch an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Bezüglich des Ein-