trotzdem 72 deutschen Städten gelang, in Berlin zusammenzukommen, um gegen die von der Regierung geplante und den Bürger belastende Erhöhung der Zölle für die wichtigsten Grundnahrungsmittel zu pro testieren, so war das der Erfolg der in den Städten wirkenden progres siven Kräfte. Als Wesensmerkmal der Verfassungen der Städte und Gemeinden kann man bis zum Jahre 1808 feststellen, daß das Schwergewicht auch der rein städtischen Verwaltung beim Staat und seinen Organen lag. Der sogenannte Landesherr übte auch auf städtischem Gebiet die unbe schränkte Macht aus. Unter dem Einfluß der französischen Revolution entstand erst im Jahre 1808 die sogenannte Kommunale Selbstverwaltung. Mit der Städte ordnung des Freiherrn vom Stein versuchten die feudalen Machthaber, durch die Einbeziehung des aufstrebenden Bürgertums in den Staats apparat dieses morsch gewordene Gebäude zu festigen. Die Bedeutung der Städteordnung lag dabei darin, daß sie den Städten die Verwal tung der eigenen Angelegenheiten durch gewählte Magistrate oder, wie es bei uns in Colditz hieß, durch den Stadtrat garantierte, ohne daß dadurch der junkerlich-obrigkeitliche Charakter des Staates selbst eingeengt wurde. Auf dem Lande konnten kommunale Organe infolge des Widerstandes der allgewaltigen Großgrundbesitzer überhaupt nicht geschaffen werden. Durch die Städteordnung von 1831 und 1833 — für die Stadt Colditz (als Stadt in „hiesigen Landen") wurde sie durch Gesetz vom 2. Februar 1832 in Kraft gesetzt — wurde eine rückläufige Entwicklung eingeleitet, die ihren besonderen Ausdruck fand in der Städteordnung für die sechs östlichen Provinzen der preußischen Monarchie vom 30. Mai 1853. Diese Städteordnung hat im wesentlichen Gültigkeit gehabt bis zum Jahre 1918 und unter Entfernung besonders reaktionärer Bestimmungen und Einflechtung örtlicher Substrate sogar bis zum Jahre 1933. Nach den Bestimmungen der Städteordnung hatte nur der selbständige Bürger das aktive und passive Wahlrecht. Selbständiger Bürger konnte aber nur sein, wer keine Armenunterstützung bezog, wer entweder Hausbesitzer war, ein Gewerbe mit wenigstens zwei Gesellen betrieb oder vier Taler Steuern entrichtete. Bürgerrechte erhielt man erst, wenn man das 24. Lebensjahr beendet hatte und wenn man Vorstand eines eigenen Hausstandes war. Das Partial-Statut für die Stadt Colditz von 1834, das durch die König liche Hohe Landesdirektion zu genehmigen war, besagte in § 5 „sowohl die Wahlmänner (der 20ste Teil der stimmberechtigten Bürger, d. Verf.), die Stadtverordneten und deren Ersatzmänner, als überhauot der Bürgerausschuß soll in der Regel mit 2/3tel in ansäßigen und 1/3tel in unansäßigen Bürgern bestehen“.