Alle die genannten gottesdienstlichen Geräte sind mit Ausnahme des Pestkelches heute wie einst im Gebrauch der Gemeinde. Bevor wir die Kirche verlassen, schauen wir noch empor zu einem Kruzifix, das seinen Platz rechts der Kanzel gefunden hat. Aus vorreformatorischer Zeit stammend, zeigt es in den herben Zügen des Gekreuzigten nicht nur die Ohnmacht des Sterbenden, sondern zugleich die verborgene Herr lichkeit dessen, der über die Macht des Todes und der Finsternis triumphiert hat. Draußen auf dem Kirchplatz wird der aufmerksame Besucher sofort gewahr, daß zur Pflasterung teilweise alte Grabsteine verwendet wur den. Das braucht uns nicht zu verwundern, denn bis zum Jahre 1567 wurden die Toten aus der Stadt auf dem einstigen Gottesacker um die St. Egidienkirche bestattet. Wir müssen uns vorstellen, daß das Pfarr haus vor 1847 noch nicht an seinem heutigen Platz stand. Wohnung des zweiten Pfarrers war das Alte Diakonat (heute Küsterei, An der Kirche 1), während sich die ehemalige Superintendentur weiter hinten im Pfarrgarten in der Nähe des Terrassenhauses befand. Aber es kam der Tag, da der Kirchplatz als Begräbnisstätte trotzdem nicht mehr ausreichte. Wenn auch die letzten Grüfte an der Stadtkirche erst 1876 beseitigt wurden, begrub man seit dem 16. Jahrhundert die Toten weit außerhalb der Stadtmauer, um die ohnehin seit der Einführung der Reformation verwaiste Nicolaikirche. Dorthin machen wir uns jetzt auf den Weg. Dabei können wir der Frage nicht ausweichen, wie es im 12. Jahrhundert zum Bau der Kirche St. Nicolai gekommen ist. Wenn die älteren Col- ditzer Einwohner sich noch darauf besinnen können, daß der heutige August-Bebel-Ring vor wenigen Jahrzehnten nichts als ein Fußweg war, dann haben doch die Scheunen am Furtweg und erst recht die Nicolai kirche im Mittelalter sozusagen auf freiem Felde gestanden - die Stadt war jedenfalls in dieser Richtung am Nicolaitor (Untermarkt) zu Ende! Anfangs des 12. Jahrhunderts muß in der Wassergasse eine Kirche für das Dorf Colditz gestanden haben, nicht weit entfernt von dem späteren Nicolaitor. Bedenken wir, daß die Kataster-Nummern 440/42 noch lange Zeit kirchliche Gebäude betrafen, so mögen zu dieser Kirche auch noch Pfarrhaus und Küsterei gehört haben. Sie wird, ebenso wie unsere jetzige Nicolaikirche, dem Heiligen und Märtyrer Nicolaus geweiht gewesen sein. Die Lage im Überschwemmungsgebiet der Mulde erwies sich jedoch für eine Kirche und den dazugehörigen Friedhof als äußerst ungünstig. Deshalb baute man noch im selben Jahrhundert die höhergelegene Nicolaikirche (siehe Abb.). Bis auf wenige Ver änderungen in späterer Zeit (Fenster nach Süden und Tor an der Westseite, Empore von 1571, Altar und Kanzel) ist das Gebäude in