DIE FÜNF COLDITZER VORSTÄDTE Horst Naumann Eine mittelalterliche Stadt stellt man sich normalerweise als von dicken Mauern umgeben vor. So zeigen es auch die meisten Stadtansichten aus jener Zeit, wie wir sie aus den Geschichtsbüchern kennen. In den engen, winkligen Gassen mußte eine ständig anwachsende Zahl von Menschen auf immer gleichbleibendem Raume untergebracht werden. Außerhalb der Mauern befanden sich meist nur Scheunen und gelegentlich Werkstätten Feuersgefahr bedingender Handwerke, wie etwa die Brennöfen der Töpfer auf dem Tops in Grimma. In Wurzen, Grimma, Rochlitz suchen die Häuser der alten Stadt Schutz hinter den Mauern. In Grimma wurden sogar die Bewohner von vier unmittelbar angrenzenden Dörfern mit in die Stadt hereingezogen, damit die Unterstadt ausgefüllt werden konnte. Ganz anders verlief die Entwicklung von Colditz. Hier lag schon in den frühen Zeiten, in die wir mit Hilfe der Urkunden genauer einzudringen vermögen, der weitaus größere Teil aller Häuser vor den Toren außer halb der Stadtmauer. Seit dem 16. Jh. läßt sich die Entwicklung recht gut verfolgen. Aus der Tabelle, in die fünf Jahresschnitte aus dem 16., drei aus dem 17., zwei aus dem 18. und einer aus dem 19. Jh. auf genommen wurden, geht trotz der zwangsläufig erscheinenden Lücken alles Wesentliche eindeutig hervor. Die in Prozenten angegebene Zuwachsrate bezieht sich jeweils auf die Erstbelege. Nur so wird die Gesamtquote auf einen Blick ersichtlich; es können aber auch die Wachstumsverhältnisse in den einzelnen Jahrhunderten abgelesen werden. Einen guten Einblick in die sozialen Verhältnisse der Stadt vermittelt das sehr differenzierte Landsteuerregister vom Jahre 1551 4 ). Von den 58 Häusern in der Stadt haben nur 6 kein Land außerhalb der Stadt mauer. Unter den 19 Personen Dienstgesinde werden 11 Mägde ver zeichnet. Die Hausbesitzer innerhalb der Ringmauer hatten 109 Kühe, 21 Kälber, 49 Schweine und 2 Ferkel. — Von den 38 Häusern vor dem Nikolaitore dagegen hatten 30 keinen Besitz an Land; hier gab es auch nur 11 Kühe, 1 Kalb und 1 Schwein. — Besser gestellt waren die Leute vorm Badertor: Von 38 Häusern verfügten nur 12 über kein Land. 6 Mägde werden hier als Dienstpersonal erwähnt. 13 Kühe, 5 Schweine und 1 Kalb machten den Viehbestand aus. — Von den 49 Häusern vorm Schul- und Töpfertor waren 35 ohne Landbesitz; doch waren hier 17 Kühe, 2 Kälber und 5 Schweine vorhanden. Dem Häuser verhältnis 58:133 (siehe Tabelle) steht das umgekehrte Verhältnis beim Vieh gegenüber: 109:41 Kühe. Ergänzend können hierzu die Angaben