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Sedan 1891. Zwar ist der 2. September kein offizieller gest und Feiertag mehr; mit Recht, weil auch des wohl begründeten FesteSjnbel« endlich einmal ein Ende sein muß und es nicht in der deutschen Natur liegt, ohne Ende auf Koste» ehemaliger, vor zwei Jahrzehnten besiegter Feinde zu jubiliren. Aber ist auch das wogende FesteSrauschcn jener Sedanseier, da der große Sieg noch frisch in Aller Gedächtniß war, einer stillen Gedenkfeier im engeren Kreise gewichen, so ist doch die Erinnerung an die große Zeit vor einundzwanzig Jahren uns geblieben, sie ist noch lebendig in den Faizzilien derer, die zu jener Zeit mit im Felde gegen den Feind standen, oder doch ein theures Glied der Familie dort draußen im Kampfe wußten. Der Sedantag bleibt daher auch fernerhin ein wichtiger Erinnerungstag deutscher Geschichte, ein Tag, der von denen, die jene große Zeit erlebt haben, in Ehren gehalten wird und von dem jüngeren Geschlecht in Ehren gehalten werden soll. Ist doch unsere neueste Zeit erst recht vazu an- gethan, die Erinnerung an die Großthaten wachzu halten und liegt es doch nicht im Bereiche der Un möglichkeit, daß gar balv wiever der alte Waffenruhm erneuert, das schwer Errungene verthcidigt werden muß. Der bewaffnete Friede, er wird täglich von der revanchelüsternen Nation im Westen bedroht und im Osten ballen sich auch immer wieder Gewitterwolke» zusammen, die eines Tages die Diplomatie nicht mehr zu zerstreuen vermögen wirb. Und wenn dann wieder ver Ruf zu den Waffen erschallen wird, wenn sich rann wieder die deutschen Heere zum Kampfe sammeln werden gegen den gemeinsame» Feind, dann wag sich wohl der KampfeSmulh zur Begeisterung entflammen an jenen Waffenthaten der Bäter und Ahnen, an jener großen Zeit, die uns das schuf, was unser neues Geschlecht zu rertheivigen haben wirr: ein einiges Deutschland. Mit dieser Thaisache, mit diefim großen Ergebniß so schwerer und todesmuthiger Arbeit ist der Tag von Seda» für ewig verknüpft und so lange es ein einiges u»d großes Deutschland giebt, wird man auch rühmend und freudevoll jenes zweiten Sep tember gedenken. Groß und gewaltig waren die Errungenschaften des Krieges, in dem Deutschland seine Einheit ge wann und groß und gewaltig ist das Gebäude, das sich Alldeutschland nennt und in dessen Milte sich der deutsche Kaiserlhron erbebt. Und auf diesem Throne erhebt sich die kräftige Heldengestalt des dritten deutschen Kaisers, zu dem in Treue wir Alle stehen, wie wir zu seinen erlauchten Ahnen gestanden im Jahre 1870/71. Und wie diese uns von Sieg zu Sieg geführt und Fürst und Volk vereint auf dem Schlachtfelde von Sedan dem Lenker der Schlachten ihres Dankes Zoll darbrachten, so geht auch Kaiser Wilhelm II. treu vereint mit seinem Volke, ein äch- ter Sproß des deutschen Kaiserhauses. Auch er ge hört der neuen Generation an, er steht an der Spitze derselben, der Erste und Höchste von ihnen, die be rufen sind, das theure Vermächtniß einer großen Zeit zu schützen und zu wahren. Lebendig ist auch im dritten deutschen Kaiser die Energie und Thatkraft seiner Ahnen, lebendig das rege Pflichtgefühl und das Bewußtsein der Stärke, die in des Volkes Treue wurzelt. Ein Schützer des Friedens, dessen Segnungen dem Volke so lange als möglich zu erhalten er als seine Aufgabe betrachtet, fließt doch veS tapfern Va ters und des greisen Heldenkaisers Wilhelm Blut in den Adern des jetzigen deutschen Kaisers. Er wird das kostbare Erbtheil, das deutsche Reich uud seine Einheit, zu wehren wissen jeglichem Angreifer gegen über; denn auch ihm ist der Sedantag ein heiliger Tag, der Tag, der deutsche Größe, Macht und Herr lichkeit schuf. Und wenn wirklich einmal die Feinde wiederum deutsche Grenzen bedrohen und des Reiches Bestand, dann können wir auf Kaiser Wilhelm II. bauen und sein scharfes, deutsches Schwert; nach dem Vorbilde großer Zeit wird auch er dem Feinde ein neues Sedan zu bereiten wissen, er im Verein mit seinem treuen Volke. Deshalb, weil der Sedantag immer und immer verknüpft ist mit den großen Ge schehnissen der deutschen Geschichte neuester Zeit, wollen wir ihn hoch halten und in Ehren, wir und kommende Geschlechter. Hagesgeschichte. — Deutschland. Nach Beendigung des Brüs seler Kongresse« hat sich der sozialdemokratische Ab geordnete Liebknecht nach Paris begeben, wo er auch sogleich einem Interview zum Opfer gefallen ist. Interessant sind die Aenßernngen des Sozialisten- sührer« über den deutschen Kaiser. »Er ist," sagt Liebknecht nach einem Bericht der.Köln. Ztg.", »ein außerordentlich intelligenter Mann, sehr thätig, sehr muthig, sehr überzeugt. Seine unruhigen Nerven veranlassen ihn zu häufigem Ortswechsel und daher sein Hang zu Aenderungen und Reisen. Im Uebrigen befindet er sich aber im vollständigsten Gleichgewicht und weiß sehr wohl, was er will und wa« er be zweckt." Ueber da« russisch-französische Bündniß be fragt, bemerkte Liebknecht, daß dasselbe das deutsche Volk sehr kalt lasse. So unbeliebt in Deutschland ein Krieg auch sei, so würde das sofort ander« werden, wenn eS gegen Rußland ginge: »Gegen dieses würde sich ganz Deutschland wie ein einziger Mann erheben und eS wäre so ziemlich sicher, zu siegen. Daran« ergiebt sich auch, daß Rußland au« diesem Bündniß den größten Vortheil zieht." — Die preußischen Regierungsbehörden haben erneut Anlaß genommen, Sammlungen unter Schulkindern zu was immer für einen Zweck streng zu untersagen. Wie Ermittelungen ergeben haben, ist eS in einer nicht geringen Anzahl von Schulen üblich, Geldbeträge zum Ankauf von Geburts- bezw. NamenslagSgcschenken für die Lehrer einzusammcln. Unverkennbar gereicht solche Darbietung von Geschen ken sowohl dem Lehrer wie den Schülern zum Nach theil. Es ist daher ausdrücklich die Annahme von Schülergeschcnken an GeburtS-, Namens- oder Jubi- läumStagen oder zu Weihnachten oder Neujahr den Lehrern streng verboten worden. — Marienburg in Westpr. Einem Händler in Marienburg wurde vor einigen Tagen ein Pferd gestohlen. Der That verdächtig schien ein Mann aus Willenberg, und die Polizei hielt auch in dessen Wohnung Nachforschungen ab. Diese blieben indessen ergebnißlos. Trotzdem nahmen die Polizeibeamten nach einigen Tagen aufs Neue eine Haussuchung bei dem Verdächtigen vor. Nachdem Haus, Hof »nd Stallungen vergebens durchstöbert waren, verfügte man sich in die Wohnstube, wo der vermeintliche Thäter nochmals zur Rede gestellt wurde. Dieser ver harrte nach wie vor in hartnäckigem Leugnen. Da öff neten sich plötzlich die Gardinen des im Zimmer stehen den „Himmelbettes" und mit lautem Wiehern begrüßte der langgesuchte „FuchS" seine staunenden Befreier. Der Dieb hatte den Boden aus der Bettstelle ent fernt, die Erde mit einer Sandschicht bedeckt und dem Pferde das Himmelbett als provisorischen Stall an gewiesen. Locale und sächsische Nachrichten. — Schönheide, 3 l. August. Der hiesige Turn verein feierte gestern sein 30jähriges Stiftungs fest. Dasselbe nahm, vom denkbar schönsten Wetter begünstigt, folgenden Verlaus: Mit dem am Sonn abend Abends von 9 Uhr an stattgefundenen Zapfen streich wurde zugleich ein großer Lampionzug ausge führt; am Sonntag früh fand Reveille statt. Von Mittag an trafen von den geladenen auswärtigen Vereinen die Turnvereine Eibenstock, Carlsfeld, Cains dorf, Auerbach, Schnarrtanne und mehrere Deputa tionen ein. Gegen '/?4 Uhr setzte sich der Festzug, an welchem auch eine Anzahl weißgekleideter Ehren jungfrauen Theil nahmen, vom „Deutschen Haus" aus durch den mit Ehrenpforten und Flaggen ge schmückten Ort in Bewegung. Nach beendetem Fest zuge nahmen sämmtliche Vereine auf dem Festplatze Aufstellung. Der Vorsteher des hiesigen Turnvereins, Herr Gustav Oschatz, hielt eine sehr beifällig auf genommene Ansprache, in welcher er zunächst die er schienenen Gäste begrüßte und sodann einen kurzen Ueberblick über die bisherigen Schicksale des Vereins gab. Er führte u. A. aus, daß von den Gründern des Vereins demselben z. Z. noch einer als Ehrenmitglied angehört; daß dem Verein beim Brande eines früheren VcreinSlokals im Jahre 1878 die Fahne mit verbrannte, an deren Stelle dann etliche Jahre später von hiesigen Jungfrauen eine neue gestiftet worden ist; daß der Verein mehrmals dem Auflösen nahe war, sich aber stets aufs Neue wieder kräftigte und gegenwärtig 150 aktive und 10 Ehrenmitglieder, sowie einige Turnfrennde zählt. Die Rede schloß mit dem Wunsche, daß der Verein auch ferner wachsen, blühen und gedeihen möge und mit einem Hoch auf Se. Majestät den König Albert. Hieraus wurde dem Vereine unter kurzer aber ge wählten Ansprache einer jungen Dame ein Feftgeschcnk der Ehrenjungfrauen, bestehend au« einem silbernen Schreibzeug und einer Fahnenschnur überreicht. Von '/,6 Uhr an fand Schauturnen statt. Sämmtliche Uebungen wurden so auSgeführt, daß sie sich des all gemeinen Beifalls der nach vielen Hunderten zählen den Zuschauer erfreuten. — Dresden. Ein höchst bedauerlicher Un fall ereignete sich gestern früh fünf Uhr im Casernen- hof des LeibgrenadierrcgimentS, als sich die Grena dierbrigade zum Abmarsch in'S Manöver nach Pirna- Berggießhübel anschickte. Auf der mit Granit be deckten Fahrstraße scheute da« Pferd de« Assistenzärz te« I)r. R. Schröder au« Leipzig. Der Reiter stürzte so unglücklich, daß er eine halbe Stunde später im Garnisonlazareth, ohne das Bewußtsein wieder er langt zu haben, an einem Schädelbruch verstorben ist. Möglicherweise ist der Unglückliche auch von dem Pferde getreten worden, denn eS zeigten sich an den Augen und im Gesicht Trittverletzungen. Erst TagS zuvor war er zur Dienstleistung im Regiment eingetreten. Der Verunglückte, welcher in der Lausitz als Arzt thätig sein soll, hat sich erst vor wenig Wochen vcr- heirathet. — Leipzig. Im Rosenthale wurde am Mittwoch Nachmittag ein 18 Jahre alter KaufmannSlehrltng von einem Schutzmann auf einem Baume sitzend angetroffen und dann dem Polizeiamt zugeführt. Daselbst gab der Mensch an, er habe bereits seit 8 Tagen, ohne jegliche Nahrung zu sich genommen zu haben, auf dem fraglichen Baume zugebrachk. — Kamenz. Ein Raubmorvversuch wurde kürzlich 'Nachmittags auf dem Fußwege zwischen dem Thonberge und Elstra, in der Nähe der Dammmühle, von dein 21 Jahre alten Maurerlehrling Emil Weitz- mann aus HäSlich an seinem 17 Jahre alten Lehr genossen Max Gräfe ebendaher verübt. Letzterer trug das zur Auszahlung der Arbeitsleute bestimmte Geld, ca. 400 M., bei sich und war von Ersterem beredet worden, mit ihm diesen Weg nach Prietiy zu benutzen. Plötzlich warf Weitzmann dem Gräfe einen Strick um den Hals und wollte ihn an einem Baume empor ziehen, wobei der Strick riß; dem Vernehmen nach versuchte der Thäter die Erdrosselung nochmals, wurde aber an Vollendung seiner ruchlosen That gestört. Dem Gewürgten begann bereits die Besinnung zu schwinden und drang Blut aus ver Nase, Spuren des Strickes waren an seinem Halse sichtbar. Der Verbrecher ist in Haft genommen. — Schneeberg, 28. August. Heute Vormittag war hier in der sogenannten Ziegenschleppe, woselbst es erst vor mehreren Wochen gebrannt hatte, Feuer ausgebrochen, durch welches das Wohnhaus des Fa brikarbeiters Ebert bis auf das unterste Stockwerk zerstört ward. Das Mobiliar wurde durch herbeige eilte Nachbarn und die Feuerwehr meist gerettet, doch sind einer Familie die Betten verbrannt. Ein da« HauS bewohnender Gemüsehändler weilte während des Feuers mit seiner Frau in Zwickau. Der Be sitzer des Hauses hatte dasselbe erst vor einiger Zeit gründlich erneuern lassen. — Auf der Straße von Lauter nach Aue ist die 50jährige Wittwe Henriette Wilhelmine Mehl horn aus Aue in dem sogenannten Lombichtwalve von einem 40—4b Jahre alten Unbekannten ange halten und ihrer Baarschaft von 1,.->o M. beraubt worden. — Die jetzige Zeit mit ihren theucrn Brot- und Kart off ein preisen erinnert lebhaft an das TheuerungSjahr 1847, nur mit dem Unterschied, daß man jetzt das theuere Brot wucherischem Treiben an der Börse zu danken hat, während im Jahre 1847' in Folge ungünstiger Ernten Theuerung zu Tage trat. Besonders fühlbar war die Theuerung in Schlesien. Dort wurde zum Andenken an jene Zeit eine sogenannte TheuerungSmünze in Thalergröße geprägt. Die Vorderseite der Münze trägt in Halb kreisform die Meinung: »Große Theuerung — wenig Nahrung." In dem freien Felde dieser Seite erblickt man neben einem dürftigen landschaftlichen Bilde zwei abgemagerte, betende Gestalten, über welche die Sonne ihre Strahlen ergießt. Darunter ist das „Vater unser" citirt in dem Satze: „Unser täglich Brod gieb uns heute." Die Aufschrift auf der Rückseite lautet: „In Schlesien galt der Sack oder zwei preußische Scheffel 1847: Weizen 11 Tbaler, Roggen 10 Thlr., Gerste 8 Thaler, Hafer 3 Thaler, Erbsen 9 Thaler, Kar toffeln 2 Thaler. Amtliche Mitthkilungen aus der kathsfitzung am 2b. August 1891. Der Stadtrath verwilligt 1) zur Vertretung der beiden zum Militär einberufenen Hilfslehrer 400 Mark, genehmigt 2) die abgeänderten Bedingungen zur Verpachtung des Rathhaushütels, tritt 3) dem Beschlüsse der Stadtverordneten bezüglich des Sparkassenreingewinns bei, erklärt 4) sein Einverständniß mit der vorgelegten Bekanntmach- über die Benutzung der Leichenhalle, den Bestimmungen über die Beaufsichtigung des Friedhofes, und dem Regulativ, die Gewährung von Tagegelder und Reisekosten bei Dienstreisen der Mitglieder der städt. Kollegien und der städt. Beamten betr., nimmt 5) Kenntnis von den Verordnungen, die Fernsprechanlage und die Gewährung einer Staatsbeihilfe für die Fortbildungs schule betr., verwilligt, 6) für Herstellung eines 80 cm. breiten Schnittgerinnes in der Promenadenstr. aus Pos. 54 ä des Haushaltplanes «0 Mark, und erledigt 7) noch mehrere Gesuche um Erlaß von Strafe, Gebühren und Kosten, um Uebertragung von Schankconzession und um Aushebung von Schankstättenverboten. Aus vergangmcr Zeit — für unsere Zeit. I. September. (Nachdruck verbotene Am I. September 1715 starb König Ludwig XI V. von Frankreich, jener Herrscher des absoluten Despotismus, dessen Wahlspruch I'etLt c'est moi sein ganzes Leben lang gewesen. Seine Minister bekleideten keine selbstständigen und in unferm heutigen Sinne verantwortlichen Aemter, vielmehr standen sie sämmtlich unter des Königs direkter Oberleitung. Neben feiner Herrschsucht waren Ludwig XIV. hervorstechendste Eigen- jchasten seine groß« Prachtsucht und seine streng kirchliche Richt ung, welche letztere ihn zur Aushebung des Edikts von Nantes veranlaßte, was zur Vertreibung der Hugenotten sührte. Unter diesem König stand Frankreich aus der Höhe seiner Macht nach außen und seiner Blüthe im Innern. Aber Erstere erlangte er durch die unerhörte Rücksichtslosigkeit, mit der er mitten im Frieden sich nicht scheute, in Nachbargebiete einzubrechen und LandeStheile wegzunehmen, wie er es u. A. mit Straßburg machte. Und die Blüthe im Innern des Reiches war auch keine dauernde; denn schon unter ihm wurde der Grund zur späteren Revolution gelegt, indem sich neben der traurigsten Armuth der prachtliebendste und verschwenderischeste Müßiggang breit machte. Allerdings herrschte Andererseits am Hofe Lud wig XIV. der feine Geschmack und der Kunstsinn, der für andere Nationen mustergiltig ward und lange blieb. Im ganzen stellt sich da« Bild de« König- al- das eine- rücksichtslose» Despoten dar, gemildert durch das Interesse für Kunst und Wissenschaft.