Volltext Seite (XML)
bracht. Ten Wallfahrern wird Gelegenheit gegeben, zum Besten des Domes, welcher der Restaurirung dringend bedarf, ein Scherflein zu opfern. Auf dem Hauptthurme deS Dome- hat das Domkapitel eine gewaltige Fahnenstange anbringen lasse», von wel cher eine Flagge in den Farben deS Kapitels (rotheS Kreuz auf weißem Grunde) den Wallfahrern ein Willkommen entgegen winken wird. Wie die geistlichen Behörden, so sind auch die Privatleute Triers im Begriffe, ihre Vorbereitungen für den Empfang der Pilgerschaaren zum Abschlüsse zu bringen. In den Hauptstraßen sind fast alle Häuser neu an gestrichen worden, die Ladcnfenstcr wurden vergrößert und zahlreiche neue Läden angelegt. Etwa 600 Pri vatleuten ist eine Konzession zum WirthschaftSbetrieb während der Wallfahrtszeit verliehen worden, unge zählte andere stellen für die Pilger möblirte Zimmer bereit. Uebel kommen dabei diejenigen jungen Leute weg, welche bisher zu einem mäßigen Preise ein möblirteS Zimmer innehatten. Wenn sie sich nicht zu einer sehr beträchtlichen Erhöhung des Micthpreises verstanden, so ist ihnen am l. August gekündigt worden. Aber die »möblirten Herren" sind durchaus nicht willens, sich diese rücksichtslose Behandlung wider standslos gefallen zu lassen. Sie haben bereits eine Bersammlung abgehalten, in welcher über ein gemein sames Vorgehen gegen die in Frage kommenden Vermiether bcrathc» ward. Allgemach sind auch die Andenken an die Ausstellungszeit, welche von den Pilgern gekauft werden sollen, fertig gestellt worden. Zumeist sind cS Medaillen mit dem Bilde des hei ligen RockeS, dann auch einfache Bilder der Reliquie auf Seide oder Papier. — Oesterreich. Am 2. August feierte das Schlltzenkorps in Eger (Böhmen) den 500jährigen Gedenktag seines Bestehens, zu welcher Festlichkeit Schlltzenvereine von Nah und Fern in Eger eintrafen. Die Bewohnerschaft Halle durch Schmücken der Häu ser und Beflagge» zur Verschönerung des Festes bei getragen. Am Marktplatz hatte ein Anwohner, Kauf mann W., neben der schwarz-gelben österreichischen Flagge auch eine deutsche Flagge (schwarz-weiß-roth) hcrausgehangen. Diese deutsche Flagge paßte dem Herrn Stadlhaltereirath nicht, er erklärte, sofern die deutsche Flagge bliebe, könne er am Feste nicht thcil- nehmen und — die Polizei erschien bei Herrn W. und forderte ihn zur Wegnahme der deutschen Flagge aus. Herr W. leistete Folge, zog aber gleichzeitig auch die österreichische Flagge ein. Am 7. August fand in derselben Stadl Eger ein Gauturnfest, zu welchem viele Vereine aus Sachsen und Bayern ihr Erscheinen zugesagt halten, statt. Derselbe Herr Stadthaltereirath hatte nun eine Verfügung dahin erlassen, daß die auswärtigen (deutschen) Turnvereine ohne Fahne zu erscheinen hätten, daß Turnvereine mit Vereinsfahnen die Grenze nicht überschreiten dürften. Zahlreiche Vereine haben deshalb ihre Zu sage zur Theilnahme zurückgcnommen. Die Bewohner schaft von Eger, welche grunddeutsch ist, ist über solche Maßregeln empört, kann aber nichts weiter thun, als die Gebote des Herrn Sladthaltereirathes als Ver treter ter Regierungsbehörde befolgen. ES bleibt unerfindlich, daß in einem politisch befreundeten Lande solche Verfügungen erlassen werden können, welche an höchster Stelle kaum Billigung finden dürften. In Eger leben Hunderte deutscher Beamter (bayrische und sächsische Lehrbeamten), durch welche Tausende von Gulden der Stadt jährlich zu Gute kommen und seitens deS Regierungsvertreters wird durch solche Maßnahmen altem Freundschaftsgefühl geradezu Hohn gesprochen. Wenn man freilich in Betracht zieht, daß Herr Stadthaltereirath sehr czechisch gesinnt sein soll, findet man für diese Maßnahmen eine Erklärung. Was würde man wohl in Oesterreich sagen, wie würde Bruder Wenzel schimpfen, wenn gleiche Dinge in Deutschland vorkämen?? — Wien. Den großen österreichischen Manöver» im September werden beiwohnen: Ihre Majestäten der Kaiser Wilhelm, Kaiser Fran; Joseph, König Albert von Sachse», sowie zahlreiche andere fürstliche Persönlichkeiten. DaS Terrain, auf welchem die Manöver unter Anwendung von rauchschwachem Pulver stattfinden sollen, wird zur Vermeidung von UnglückSfällcn im weitesten Umkreise abgespcrrt. Die Manöver werden eine Trnppenmacht von 70,000 Mann vereinigen und einen strengen, ernsten Charakter tragen, wobei alles Schaugepränge vermieden werden soll. — Das »Fremdenblatt" hebt hervor, daß dieses Truppenaufgcbot noch immer hinter jenem zurückstehe, welche« Deutschland, Frankreich und Ruß land entfalten. — Frankreich. Der »Figaro" bringt einen Bericht über eine Unterredung mit Mitgliedern der russischen Botschaft, worin es heißt, der gegenwärtige Chauvinismus der Franzosen bilde eine Gefahr und könne kriegerische Abenteuer herbeiführcn. Die übermäßigen, endlosen und aufdringlichen Mani- sestationen müßten Rußland erschrecken und mit der Zeit eine Abkühlung herbeiführcn. Man sei in Paris geneigt, die Bedeutung ter Kronstädter Ereignisse zu entstellen und zu übertreiben. Die immerhin große Bedeutung dieser Ereignisse bestehe darin, daß der Zar endlich aus seiner abwartenden Haltung dem Dreibünde gegenüber hcrausgctreten sei, aber man dürfe diesem Hervortreten nicht den geringsten ag gressiven Charakter unterschieben. Sollte Frankreich jemals unklug die französisch-russische Defensivallian; in eine offensive umzuwandeln versuchen, dann wäre Alles, was es bisher von Rußland erreicht hätte, für immer unwiederbringlich verloren. — Rußland. In der Nacht vom Freitag auf Sonnabend stieß der aus Petersburg kom mende Postzug bei der Stadt Davidstadt in Fin- land auf einen vor ihm fahrenden Militärzug, in welchem sich ein aus Wilmanstrand kommendes russisches Infanterieregiment befand. Der letzte Ge päckwagen und die beiden folgenden Personenwagen dritter Klasse des Militärzuges wurden zertrümmert und 48 Mann mehr oder weniger schwer verletzt. Zwei Schwerverwundete sind ihren Verletzungen be reits erlegen. Die Passagiere deS PostzugeS erhielten nur leichte Kontusionen. Die Schuld an dem Un fälle soll der Führer deS Postzuges tragen, der be nachrichtigt war, daß vor ihm ein Militärzug mit mittlerer Schnelligkeit fahre. — Portugal. In Lissabon hat in diesen Tagen eine republikanische Kundgebung statt gefunden. Der republikanische Charakter dieser Mani festationen, welche zu zwei blutigen Handgemengen geführt haben, erhellt sowohl aus der heftigen Sprache der republikanischen Blätter, welche die Regierung zu deren Unterdrückung veranlaßt hat, als aus der Strenge, welche die Behörde gegen die bei den Tu multen Verhafteten auzuwendcn geneigt scheint, indem sie dieselben vor ein Kriegsgericht zu stellen beschlossen hat. Der Ernst dieser Vorgänge wird übrigens schon durch die große Anzahl der Verwundeten ge nügend gekennzeichnet. Aenßeren Anlaß zu den Tu multen gab die Maßregel der Gasgesellschafk, welche den Preis des Leuchtgases erhöhte, wogegen die meisten Kaufleute mit der demonstrativen Schließung ihrer Läden protcstirtcn, während einzelne sie offen ließen und mit Petroleum beleuchteten. Gegen diese Ladenbesitzer, welche sich der Protestbewegung nicht angeschlossen hatten, fanden nunmehr drohende Mani festationen seitens der streikenden Ladenbesitzer start, wel chen sich sofort gewisse aufrührerische Elemente anschlos- sen. Beim Sturm einer Apotheke auf dem Dom-Pero- Platze kam cs zu einem ernsten Zusammenstöße zwischen der Polizei und der Menge. Zahlreiche Verhaftungen wurden vorgencmmen und die Ar restanten, anfangs 500 an der Zahl, thcils an Bord der Kriegsschiffe gebracht, theils nach dem Fort San Julian an der Tajo-Mündung abgeführt. TagS da rauf wiederholten sich die Kundgebungen, die Menge zog nach rem Hafen nnd verlangte die Freilassung der auf den Kriegsschiffen befindlichen Gefangenen. Die Folge war ein abermaliges Handgemenge, wobei die Gendarmerie einschritt und zahlreiche Verwund ungen vorkamen. Es scheint übrigens auch in Braga und Coimbra eine bedenkliche Währung zu herrschen, da die Regierung sich zur Entsendung von Truppen verstärkungen nach diesen Städten veranlaßt gesehen hat. Locale und sächsische Nachrichten. — Schönheide, 12. August. Ueber die Persön lichkeit des am i). d. MtS. in der Nähe deS Bahn hofs Wilzschhaus im Walde aufgcsundcne» Erhäng ten scheint man jetzt im Klaren zu sein. Aller Wahr scheinlichkeit nach ist cS der seit Ende Juni vermißte Sticker Petz old aus Sorga bei Auerbach, welcher seinerzeit unter Anzeichen geistiger Störung seine Wohnung verlassen hatte und nicht wieder zurückge- kehrt war. Nur an der Kleidung allein, da der Leich nam selbstverständlich stark in Verwesung übergegangcn, vermochte man Merkzeichen für die Feststellung der Person Petzold's zu gewinnen. — Leipzig, 10. August. Wie die Sozial demokratie „freie" Beiträge für ihre Wahl fonds erhebt, darüber bringen hiesige Blätter fol gende Erzählung: Ein Ehepaar aus dem Arbeiter stande saß eines Abends in einer Wirthschaft der Windmühlcnstraße, als zwei Sozialdemokraten an ihren Tisch hcrantraten und unter Vorlegung einer Sammel liste einen Beitrag für die nächsten Landtagswahlen erbaten. Der Ehemann lehnte dies mit dem Bemerken ab, daß er für seine Kinder zu sorgen und daher kein Geld für solche Ausgaben habe. Darob große Ent rüstung nicht nur bei den Sammlern, sondern auch bei der Mehrzahl der anscheinend der sozialdemokra tischen Partei angehörigen Gäste. Das Ehepaar er hob sich deshalb kurz darauf, um die Wirthschaft zu verlassen. Zwei der Anwesenden erboten sich, das Ehepaar zu begleiten, weil sie gehört hatten, daß man sich auf der Straße an demselben vergreifen würde. In der That folgten denn auch die beiden Sammler den Fortgehenden auf der Straße unter unfläthigen Redensarten, wie: »Euere Kinder müssen sich noch gegenseitig fressen, ehe ihr klug werdet" u. s. w. nach und wurden offenbar nur durch die Anwesenheit jener beiden Herren von Tätlichkeiten abgehalten. Die beiden Burschen wurden schließlich so frech, daß die Belästigten die Intervention eines Schutzmanns an riefen und die Namen der Exzedenten feststellen ließen. Selbstverständlich stellte sich dabei heraus, daß diese nicht im Besitze einer behördlichen Genehmigung zur Vornahme von Gcldsammlungen waren. Die beiden Begleiter deS Ehepaares kehrten hierauf in jene Wirthschaft zurück, wo sie der zurückgebliebene sozial demokratische Pöbel wegen ihrer anständigen Hand lungsweise mit lauten Borwürfen überhäufte. Sie entfernten sich zwar sofort wieder, aber doch nicht so rasch, daß eS nicht einer feigen Rotte gelungen wäre, ihnen nachzuschleichen und sie auf der Straße hinter rücks mit überlegenen Kräften zu überfallen. Die Personen der Thäter festzustellen, ist bis jetzt leider noch nicht gelungen, den beiden Sammlern aber ist, wie wir höre», das Handwerk nachdrücklich gelegt worden. — Leipzig. Vier verschiedene Fachausstell ungen werden zur Zeit der kommenden Michaelis messe in den neuen Räumen der dauernden Gewerbe- Ausstellung abgehalten und zwar je eine vier Tage lang in jeder Mcßwoche. Diese Sonderausstellungen bestehen darin, daß an den bestimmten Tagen die HülfSmaschinen der verschiedenen Gewerbe im Betriebe vorgeführt werden nnd zwar gelangen in der ersten Meßwoche die LederbearbeitungS- und Schuhmacher maschinen, in der zweiten die Metallbearbeitungs maschinen, in der dritte» die Holzbearbeitungsmaschinen und in der vierten Mcßwoche die PapierbearbcitungS- und Buchbindereimaschincn zur Vorführung. Den Aus stellern ist durch diese Einrichtung sehr genützt, weil sich zur Zeit der Messe besonders viel kauflustige Interessenten in Leipzig aufhalten. — Die städtische Polizeidirektion zu Chemnitz hat das Verlangen der Sozialdemokraten, den größten der dortigen Marktplätze (ven Neustädter Markt) zu einer am Sonntag abzuhaltenden Volksversammlung herzugeben, dahin beantwortet, das der Rath der Stadt die Genehmigung zur Benutzung städtischen Grundes und Bodens zu diesem Zwecke überhaupt nicht ertheilt. — Plauen. Bei Ankunft des Schnellzuges Nr. 4 ereignete sich am Sonnabend Vormittag auf dem hiesigen Oberen Bahnhofe felgender Fall: Als der Schaffner die Thür eines Wagens zweiter Klasse auf riß, fiel ein ungefähr 2 Jadre alter Knabe aus dem Wagen und auf den Bahnsteig, und zwar dermaßen daß er vollständig leblos dalag und erst nach einiger Zeit Witwer zu sich kam. Das Kind hatte am Fenster gestanden. Dieser Fall möge wiederum als Lehre dafür dienen, daß es nicht gerathen ist, Kinder an die Fenster der Eisenbahnwagen zu lassen, wenn sie sich nicht ganz im Schutze von Erwachsenen befinden sollten. — Riesa. In unserer Gegend gehl die Roggen ernte zu Ende, während sie in anderen Gegenden erst in vollem Gange ist und im Vogtlande und Erz gebirge noch gar nicht begonnen hak. Der Ertrag an Körnern ist ein sehr reichlicher, denn nach allge meinem Urtheil schüttet das Getreide Heuer sehr gut. Die Kornpreise halten sich andauernd hoch und viele Landwirthe beeilen sich daher, die Ernte baldmöglichst zum Ausdrusch zu bringen und das Korn in klingende Münze umzuwandeln. Man kann ihnen das auch nicht verdenken, wenn man erwägt, daß frisches Korn durch Lagerung 10 Prozent und mehr an Gewicht verliert und daß in nächster Zeit voraussichtlich doch durch die Anfuhr ausländischen, namentlich amerika nischen Getreides die Preise heruntergehcn werden. — Die Abschaffung derEisenbahnconpeeS I. Klasse wird in Eisenbahn-Fachkreisen jetzt lebhaft erörtert. Man kann sich in diesen Kreisen der Wahr nehmung nicht verschließen, daß die Benutzung dieser Wagenklasse seitens der zahlenden Passagiere von Jahr zu Jabr abnimmt und nur noch gewissermaßen ein Reservalrecht der gratis beförderten höheren Eisen bahnbeamten geblieben ist. In Ländern, in welchen die 4. Wagenklasse fehlt, wie Italien, Frankreich rc. hilft die 1. Wagenklasse noch einem gewissen Bedürfniß ab; in Deutschland ist sic den Einsichtigen schon längst überflüssig erschienen. In England geht man in dem Bestreben, die Gegensätze der Passagiere zu verwischen, noch viel weiter; dort hat kürzlich die Direktion einer der bedeutendsten Eisenbahngesellschaften auf allen ihren Linien die 2. Wagenklasse abgeschafft, und an dere Bahngesellschaften wollen ihrem Beispiel folgen, weil eS statistisch festgcstellt ist, daß die Verkehrs ziffern für die beiden oberen Wagenklassen in Eng land durchgängig berabgehen und sich beispielsweise im Vorjahre für die 2. Klasse von 26 Proz. auf 3'/, Proz. vermindert haben. — Von fachmännischer Seite schreibt man be züglich der Absperrung der BahnhosSperrons: Wenn die in Deutschland in Erwägung gezogene allgemeine Absperrung der Bahnsteige offenbar sehr deutlicher Abneigung des Publikums begegnet, so kann dies nur auf Rechnung jahrzehntelanger Gewohnheit gesetzt werden. Denn die Nachtheile des jetzigen Zu standes liegen zu klar am Tage, als daß sie von den Einsichtigeren übersehen werden könnten. Man braucht nur einmal den Abgang eines Zuge« auf einer großen Station zu beobachten. Da kommt Einer kurz vor Zugsabgang; er windet sich durch einen Schwarm Nichtmitreisender und kommt endlich an ein Koupee, vor welchem 4, 5 oder mehr Menschen stehen. Fahren die mit oder nicht? Häufig weiß eS der Schaffner selbst noch nicht. Und die Bahn steigbummler? Ja die thun dem theuren Vetter zu liebe, der im Koupee sitzt, als führen sie Alle mit, und der Passagier wird abgeschreckt und hastet weiter.