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Der Knabe, welcher zuerst gerufen, kletterte plötz lich, statt die Blumen, die Erich ihm reichte, ruhig hinzunehmen, behend wie eine Katze an dem Gitter empor, und während Erich mahnte: „Thue da« nicht, steige sofort herab!' schwang sich der kleine Tauge nichts rittlings auf die Brüstung und schrie lustig auf ihm Triumphe über seine verwegene Heldenthat. Zu gleicher Zeit aber war ein junges Mädchen herzugesprungen, sichtlich in großer und nicht unbe rechtigter Angst, hatte das Kind umklammert und be mühte sich, es von seinem gefährlichen Platz herab zunehmen, während jene» sich schreiend und eigensinnig festklammerte. „Rudi! Rudi!" DaS junge Mädchen sah unbe schreiblich verwirrt und verlegen aus trotz der Angst. Erich von Willwart hatte sie sofort erkannt. Das war ja dieselbe Kleine, der er Geld geliehen. Er halte öfter an ihr liebes Gesichtchen gedacht. Mit einem Satze war er, sein Boot dicht an die Mauer bringend, am Gitter. Eine tiefe plötzliche Freude ließ ihn alle trüben Gedanken vergessen. Der kleine Schreihals sah ihn kaum neben sich, so ließ er mit sich machen, was „Erna" wollte. Ihren Hals umklammernd, suchte er jetzt bei ihr Schutz, die ihn eiligst herabhob und auf die Erde setzte, just als Erich ebenfalls in den kleinen offenen Raum sprang. „Verzeihung, mein Fräulein, meine Absicht, Ihnen gegen den kleinen Unhold beizustehen, entschuldigt mein Eindringen," sagte er höflich und achtungsvoll, aber doch mit einer Sicherheit, die ihm hier vollkom men statthaft schien. Der Junge zog sich hinter das weiß-blaue Som merkleid der jungen Dame zurück, die, glühendroth, in äußerster Verlegenheit eine feine Stickerei von der Erde aufhob. Erich kam ihr zuvor, ihre Hände berührten sich, im Ausrichten blickten sie sich aus nächster Nähe an. Ihre Scheu und Unsicherheit erschien ihm reizend und machte ihn um so sicherer. Sie war nicht schön — nicht einmal hübsch im gebräuchlichen Sinne. Ihr schlicht gescheiteltes, leicht gewelltes Haar, ihre braunen Rehaugen und der Ausdruck ihres Ge sichts gefielen ihm dennoch außerordentlich. „Es war sehr gütig von Ihnen —" stammelte sie. Er mußte lächeln. Es fiel ihm ein, wie uner quicklich seine Gedanken noch eben gewesen und er hatte sie alle total vergessen. ES fiel ihm auch ein, daß er in diesen vierzehn Tagen öfter als er selbst gemerkt an die Begegnung mit dieser Kleinen gedacht. Wie reizend sah sie aus. „Im Gegentheil, mein Fräulein, die Anrufe der Kinder weckten mich aus sehr unliebsamen Betrach tungen und verschaffen mir so höchst unerwartet das Glück, Sie wiederzusehen." „ES war damals eine peinliche Situation! lächelte sie. Wie hieß der Herr nur, der ihm damals schrift lich gedankt hatte? Erich fand den Namen nicht. Das kleine Mädchen kam zu ihm heran. „Nicht wahr, Mann, ich bekomme die Blumen? Hugo ist unartig gewesen, er muß Schläge haben — Erna soll eS Mama sagen?" Der Junge fing an zu brüllen. „Erna soll cs Mama nicht sagen!" „Wie, ein Mann und heult!" rief Erich und zog, froh der Gelegenheit, bleiben zu dürfen, den Knaben zu sich her. Nach zwei Minuten war er mit beiden Kindern in einem lebhaften Geplauder. Sie erzählten, Papa und Mama seien mit Onkel ausgefahren. Seine Meinung, Erna sei die Bonne, befestigte sich mehr und mehr. Armes Ding! Sie war so fein und vornehm in all' ihrem Thun und mußte dienen. Ein tiefes Mitleid mit ihr ergriff ihn. Sie war wohl auch arm geworden. Unmöglich konnte sie aus niedrigem Stande sein. „Wollen Sie mir gestatten, einen Augenblick hier auSzuruhen und Ihnen Gesell schaft zu leisten, mein Fräulein?" fragte er bescheiden und sein Ton berührte sie warm und wohlthuender, als im Anfang sein keckes Eindringen. „Gewiß, Herr von Willwart — Sie haben wohl lange gerudert?" fragte sie, und ihr Blick streifte sein etwas wirres Haar. „Ich rudere gleichfalls gern, cS macht müde, aber die Bewegung thut wohl." „Ich ließ mich treiben. Schlimme Gedanken waren meine Gesellschaft und die machen viel müder," sagte er unwillkürlich. „DaS ist gefährlich! — Man soll sich nicht treiben lassen — und gar ein Mann!" — Dabei sah sie ihn in ernster Thcilnahme forschend an. „DaS ist wohl wahr, aber soll man nicht auch das Glück ruhig steuern lassen?" Sie lachte. „Da« thun Sie wohl nicht ausnahmsweise, son dern immer?" Wie allerliebst sie war! Und wie ihre Augen klug und schelmisch blitzten. Ach, sie hielt ihn gewiß für sehr glücklich. — Und hatte er nicht bis jetzt ge- than, wa« sie sagte?" Er seufzte. .Da« Glück ist falsch!" „Eine alte Wahrheit —!" „Man muß sie erst an sich erlebt haben, um sie zu glauben." „Ja, wer nicht kören will, muß fühlen!" lachte sie. „Ach, wie Sie da« sagen, Kind! Sie wissen noch nicht, daß-da« Fühlen weh thut." ES klang schmerzliche Wahrheit aus seinem Ton. Sie sah ihn betroffen und dann sehr mitleidig an. „Und ich hielt Sie für so beneivenswerth glücklich!" „Dachten Sie denn an mich?" fragte er dagegen mit aufleuchtenden Augen, im selben Moment wieder ganz der schneidige Eroberer, der er stets gewesen. (Fortsetzung folgt.) Vermischte Nachrichten. — KottbuS. Ein hübscher Scherz ist in Kolk witz passirt. Ein dort wohnender Bauer hörte in der Nacht auf dem Hofe ein verdächtiges Geräusch, und als er hinaustrat, um nachzusehen, bemerkte er am Hühnerstall eine Gestalt, welche offenbar mit diebischen Absichten umging. Er schlich näher heran und sah nun, daß ein Spitzbube unten an einer am Hühner stall angelegten Leiter stand und einen Sack in den Händen hielt, während ein anderer Dieb oben auf der Leiter stand und die Hühner einzeln von den Sitzstangen heruntergriff und sie dem Komplizen zu reichte, der sie seinerseits sofort in den Sack steckte. Der Untenstehende hatte aber ein Paar sehr scharfe Augen im Kopfe, inittels deren er den sich nähernden Bailern entdeckte, als derselbe noch einige Schritte entfernt war. Er benutzte nun die ihm vergönnten wenigen Augenblicke, nm den Sack hinzuwerfen und lautlos zu verschwinden. Der oben auf der Leiter nahm von der ganzen Episode nichts wahr, um so weniger, als der Bauer den Sack schnell aufgegriffen und sich eben so lautlos, wie der Andere verschwunden war, unten an der Leiter postirt hatte. Mit einem Humor, der wirklich bewnndernswerth ist, ging der Bauer auf die Sachlage ein; er steckte die Hühner, welche der Spitzbube ihm zureichte, getreulich in den Sack, und als der Dieb meinte, „nun möchten die Hühner wohl alle sein", da meinte er sogar mit ver stellter Stimme, „er glaube, cs seien noch ein paar oben". Richtig wurden noch zwei entdeckt und eben falls zu den übrigen in den Sack gethan. Die Ge mächlichkeit hörte natürlich auf, als der Spitzbube von der Leiter hcrnnterkam. Da mußte er es sich schon gefallen lassen, daß der Bauer ihm ins Gesicht leuchtete und seine werthe Persönlichkeit feststellle. — Landau. Die Versteigerung einer Kirche, die nahezu 3oO Jahre im Gebrauch ist und noch im besten Zustande sich befindet, wird hier demnächst vor sich gehen. Die Stiftskirche, die in Betracht kommt, befindet sich nämlich während eines Zeitraumes von über 100 Jahren im Besitz der Protestanten und der Katholiken, die abwechselnd ihren Gottesdienst ab halten. Um mm die zwischen diesen beiden Konfessio nen bestehende Kirchcngemeinschaft zu löse», soll das Gotteshaus derjenigen Gemeinde zur Allcinbcnutzung übergeben werden, welche das höchste Gebot macht. — Zu einer förmlichen Schlacht kam cs in Berlin am Montag Nachmittag zwischen Militär und Polizei einerseits und einem starken Zigeuner trupp andererseits. Seit Sonntag lagerten in der Nahe der Stadt, an der Potsdamer Chaussee, zwei Zigeunerbanden mit vierzehn Wagen; auch die An führer Petermann und Rosenberg aus Wcißensee waren zugegen. Montag Mittag drang von dem Lager der Zigeuner her entsetzliches Geschrei an die Ohren von Personen, welche in der 'Nähe wohnen. Man eilte hinzu und wurde Zeuge eines schweren Verbrechens. Im Chausseegraben lag ein dreijähriges, in Lumpen gekleidetes Mädchen, lieber demselben stand ein großer, kräftig gebauter Zigeuner, welcher das wimmernde Kind unter Verwünschungen in rohester Weise mit den Stiefelabsätzen bearbeitete. Erst durch energisches Eingreifen des Publikums wurde der Zigeuner von seinem Opfer vertrieben, und mehrere Frauen aus der Nachbarschaft nahmen sich des mißhandelten Kindes an. Mittlerweile wurde auch die Polizei von dem Vorgefallenen benachrichtigt. Es kamen bald mehrere Beamte zur Stelle, und als jener Zigeuner derselben ansichtig wurde, bestieg er seinen Wagen und fuhr im Galopp davon. ES wurde zu Wagen die Verfolgung eingeleitet und, nachdem man den Flüchtling bei Karolinenhöhe eingeholt, dieser nach heftiger Gegenwehr gefesselt ins Stadtgefäugniß ge bracht. Inzwischen hatten aber die Zigeuner Kriegs rath gehalten; sie rotteten sich zusammen und nahmen gegen die Polizeibeamten, welche sie aufforderten, das städtische Gebiet zu verlassen, eine drohende Haltung an. Mit Rücksicht auf die Uebermacht der Banden wurde schnell aus der benachbarten Trainkasernc eine Abtheilung Militär gerufen. Die Soldaten pflanzten die Seitengewehre auf, die Polizeibcainten zogen blank, und dann ging cS zum Angriff gegen die Zigeuner vor. Letztere stellten sich ihnen entgegen, und eS mußte von den Waffen Gebrauch gemacht werden, um die Zigeuner zum Weichen zu bringen. Unter Geschrei flüchteten diese schließlich in ihre Wagen und fuhren davon. Ter in Haft befindliche Zigeuner heißt Jarnalobalow, das Kind mit Vornamen Sophia. Dasselbe, ein hübsches blondes Mädchen, ist in Span dau in Pflege gegeben worden. Wo das Kind her stammt, ist noch nicht festgestellt. — Aus Nagold in Württemberg wird der „Dtsch Lehr.-Ztg." gemeldet: Der hiesige Seminar- Unterlehrer Karl Köbele aus Balingen hat seitens der Kolonieabtheilung des Auswärtigen Amtes in Berlin einen Ruf nach Klein-Popo im deutschen Schutz gebiet Togo erhalten, um dort eine deutsche Schule zu begründen, und denselben auch angenommen. Mitte September wird derselbe abreisen, um sich auf seinen neuen Posten zu begeben. Durch einen mehrjährigen Aufenthalt in Mexiko, wo er Hauslehrer war, hat er sich für sein neues Feld einigermaßen vorbereitet. — DaS ist nun der vierte „Reichsschulmeister", den Württemberg stellt. — Die sonderbarsten Beweggründe sind es oft, die Menschen veranlassen, den Tod zu suchen. Die 22jährige Näherin Anna Schreiber in Berlin, in der Gartenstraßc bei Verwandten wohnhaft, war eingeladcn worden, eine Kremserpartie nach einem Vororte Berlins mitzumachen. Sie sollte Sonntag Morgen punkt 5 Uhr am Abfahrtsplatze sein. Sie verspätete sich aber, und als sie nach dem verabredeten Platz hinkam, waren die Kremser kurz vorher abge fahren. Das versetzte das junge Mädchen in derar tige Verzweiflung, baß sie weinend nach Hause ging, ihrer Tante, die ihr die Thür öffnete, erklärte, sie habe „das ganze Leben satt", und darauf hin in ihrer Kammer verschwand. Als die geängstigte Frau das Schloß zu der Schlafkammcr erbrach, fand sie das Mädchen, aus dein linken Handgelenk blutend, auf dem Sopha sitzend. Die thörichte Person hatte sich die Pulsadern der linken Hand geöffnet, um zu ver bluten. In der Sanitätswache erhielt sie einen Noth- verband. Die Gefahr ist beseitigt, aber die Verletzte wird mehrere Wochen hindurch arbeitsunfähig sein. — Eine Explosion von— Berliner Weiß bier fand in der Bicrremise des GasthofSbcsitzerö Pohl in Sagan statt. Bon einem 135 Kilo schweren Faß mit Weißbier barst der untere Boden und das schwere Faß wurde derart gegen die Decke geschleudert, daß eine große Oefsnung entstand und das Mauer werk herabstürzte. Der in der Remise anwesende Gasthofsbcsitzer kam mit einer leichten Verletzung einer Hand davon. — Ein Zugeständnis Die Kammerfrau: „Die Miether aus dem zweiten Stock lassen bitten, ob die gnädige Frau die Güte haben wollte, während der nächsten Tage nicht zu spielen; cs ist Jemand bei ihnen gestorben." — Die gnädige Frau: „Sagen Sie zurück, baS sei mir unmöglich. Das einzige Zu- geständniß, zu dem ich mich verstehen kann, ist, daß ich während der nächsten Tage nur Chopin spiele." — Schüchternheit. Gräfin bei Tisch zum neuen Hauslehrer: „Wie können Sie nur diese heiße Fleischbrühe essen, Herr Schmidt, ohne sich den Mund zu verbrennen?" — Hauslehrer: „Gnädige Frau, Sie irren sich. Ich habe mir den Mund verbrannt." ^larea Italia »0 I-Iir KXI 11«««K« ,, t>«1 IS 41»--<tl«l» iOÜN6 6Io8> sowie die drei Sorten der Deutsch-Ztakienifäie« Wcin-2mp»rt-C>efclIfchast (Central-Verwaltung Frank furt am Main) sind ange ¬ nehme leichte italienische Aaturrotliweine, welche als wollk- bekömmlichcs Tifchgetränk ganz besonders zu empfehle» sind, und deren Qualität nach dem Ausspruch kompetenter Wein kenner von keinem der sogenannten Bordeaux-Weine in gleicher Preislage erreicht wird. Durch Königs, links. Staatscontrokke wird für absolute Reinheit garantirt. Zu beziehen sowie auch ausführliche Preislisten sämmtlicher Marken der Gesell schaft in Eibenstock durch Leut! rittel. Slandrsamtiichc Nachrichten von Schönheide vom 26. Juli bis mit l. August 18S1. Geboren: 2tl) u. 212) Dem Bürstenfabrikarbeiter Heinrich Wilhelm Männel hier Nr. 157 Zwillinge. 213) Dem Geschirr führer Gustav Adolf Ungcthüm hier Nr. 466 I T. 214) Dem Bürstenfabrikarbeiter Friedrich Emil Unger hier Nr. 78 1 S. Aufgeboten: 41) Der Schneider Anton Richter hier Nr. 2848 m-t der Tambourirerin Ida Alwine Häcker hier Nr. 400L. Gestorben: III) Des Wollwaaren-DruckerS Karl Bernhard Martin in Schönheiderhammer Nr. 43 Sohn, Emil Paul, 2 M. 112) Des Schmiedemeisters Heinrich Richard Mehlhorn hier Nr. 395 Sohn, Georg Gustav, 7 M. 113) Des Model leurs und Zeichners Mar Paul Hähle hier Nr. 302 8 Sohn, Karl Richard, 13 Tage. 114) Des Bürstenfabrikarbeiters Heinrich Wilhelm Männel hier Nr. 157 Sohn, Emil, 2 Tage. 115) Christiane Johanne vcrw. Schädlich geb. Pickert hier Nr. 52, 81 I. 10 M. 116) Des Bürstensabrikarbeiters Heinrich Wilhelm Männel hier Nr 157 Sohn, Fritz, 3 Tage. 117) Des Bürstensabrikarbeiters Paul Robert Leistner hier Nr. 155 0 Sohn, Ernst Alfred, 4 I. Heu Stroh Kartoffeln, Butter 8 Mahl-u. Futtererbsen 8 8 8 4 2 Chemnitzer Marktpreise vom I. August 1891. Weizen ruff. Sorten 11! -sächf. gelb u. weiß 12 Roggen, preußischer II - sächsischer II 8 8 8 .Mischer > russischer Braugerste Futtergersie Hafer, sächsischer Hafer, preußischer Kocherbsen »k. 80 Pf. - 20 - bis 12 Mk. 60Pf. pr.bOKilo - 12 . 50 « -SB < 25 . . 11 - 50 4 4 B B . 25 - - 11 . 50 - - « D . 25 - - II . 60 - B < , . SO - - 8, 50 » - « , . 25 . - 8 - 75 - - - - . 10 . - 8 » 45 - IBB I —— I 4 — 4 , 4 4 4 - 50 . - 10 . 50 « « , « - 75 . - 9- — 4 4 4 4 , — 4 « 3 » 30 « - - B 4 4 « 3 > 20 - - - . « . — 4 4 4 — , 4 4 « 4 — 4 » 2 < 40 - . I -