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heben; sie fühlte die Wirkung seines giftigen Hauches und verstand seine Worte zu gut. Der Markgraf fuhr fort: „Bor allen Dingen habe ich Euch einige Fragen vorzulegcn und Eure Zukunft wird von der wahrheitsgetreuen Antwort abhänge». Zunächst," sagte er, sich neben sie in einem Sessel niedcrlasscnd, „möchte ich Auskunft von Euch über Eures Vaters Nachlaß haben. Derselbe ist nach dem Gesetz der Kirche verfallen. ES ist hinreichend bekannt, daß er Reichthümer besaß, und wir wissen auch, daß dieselben größtentheils in Juwelen angelegt waren. Sagt mir, wo dieselben zu finden sind." Eleonore war nur ein zaghaftes Mädchen, aber von Gefahren umgeben, und im Bewußtsein, daß der Tod allen Qualen ein Ende mache, hielt sie fest an dem gefaßten Entschluß, daß die Mörder ihres Vaters nichts von ihr erfahren sollten. „Ich weiß nichts von den Schätzen," entgegnete sic bestimmt. „Nehmt Euch mehr Zeit zur Ucberlegung, schöne Jungfrau; ich fürchte, daß ihr mich nicht versteht; Ihr haltet mich unzweifelhaft für einen der llrhcbcr von EnrcS Vaters Unglück, darin irrt Ihr aber. Ich möchte Euer Freund sein, und kann Euch durch ein wahrhaftes Geständniß retten. Durch meine Ver mittelung wurdet Ihr hierher gebracht, statt in die Zellen der Inquisition, wenn Ihr-mich aber zurück weist, wird dieselbe ihr Recht geltend machen. Wenn Ihr eine Idee habt von dem, was das heimliche Gericht bedeutet, werdet Ihr es mir Dank wissen, Euch solchen Klauen entrissen zu haben. Glaubet nicht, daß Ihr im Stande sein werdet, den Fragen des In quisitors Schweigen entgegcnzusetzeu. Sagt mir daher, wo Eures Vaters Schätze sind, daß ich Euch die schrecklichen Qualen erspare, denen Ihr sonst ausge setzt sein würdet." Es wäre schwer zu entscheide», welche Qualen dem armen Mädchen schrecklicher erschienen, — die ihr in Aussicht gestellten Torturen in der Folterkammer des Jnquisitionsgerichts, oder das glänzende Loos, welches sie mit ihrer Schande erkanfen sollte. „Herr Markgraf," sagte sie mit todtcSblassem Gesicht, „was würde aus mir werden, wenn ich im Stande wäre. Euch die Schätze meiueS Vater zu zeigen?" „Ihr würdet gerettet sein." „Wovon gerettet?" „Bon dem schrecklichen Loose, der Inquisition in die Hände zu fallen." „Und was würde mein ferneres LooS sein?" „Bei den Göttern! Das liegt in Eurer eigucn Hand, schöne Eleonore; alle Mädchen in Heidelberg sollten mit Neid aus Euch blicken! Ich will keinen Heller von dem Geld haben, weiß es Gott; aber die Inquisition verlangt es. Ihr habt eine Mache in der Hand, die bcncidcnswcrth ist." „Zurück!" schrie Eleonore, als Berthold sie um fassen wollte, „rührt mich nicht an!" „Was fürchtet Ihr Euch vor mir?" „Ich fürchte Euch nicht, wenu Ihr mich in Ruhe lasset." „Ihr seid in der That ebenso widerspenstig, wie Ihr schön seid. Aber Ihr müsset mein sein." „Zurück, Herr Markgraf!" schrie die Jüdin aufs Neue, von ihrem Sitz aufspringend en d den Dolch hervorzichend. Gebt mich dem Gericht, wenn Ihr wollt." „Arme Närrin!" lachte er mit verbissenem Grimm, „wenn Euch die Inquisition die schönen Glieder ge streckt, und Euer Geständniß hat, schickt sie Euch wieder zu mir. Ich fürchte Euren Dolch nicht, Schöne," setzte er hinzu, sich ihr nähernd, „Ihr müßt mir gehören." ' Wie eine Heldin stand sie vor ihm mit erhobener Hand, in welcher der Stahl blitzte, und unwillkürlich trat Berthold zurück. „Euer Blut oder das meine!" rief sic ihm entgegen. Unschlüssig, was er thun sollte, wandte der Mark graf sich von ihr ab und schritt der Thürc zu. „Steckt den Dolch ein, Heldenmädchcn, und denkt über meine Worte nach. So Gott will, sehen wir uns bald wieder." Erschöpft sank Eleonore auf die Kuiec, als die Thüre sich hinter ihm schloß, und dankte innig dem Himmel, daß er sie so weit gnädig bewahrt habe. Wieder ruhte der Schleier der Nacht über Heidel berg. Aber in dieser Nacht waren noch andere Männer, als die Spione und Vertrauten der Vehmc, auf den Straßen sichtbar. Auch unten am Neckar war cs lebhaft geworden und des Bootführcrs Peter Gondel brachte Dutzende von Gefährten an das diesseitige Ufer. Mit dem schwarzen Mantel der Inquisition be gleitete Diener Konrads betraten das Haus Viktors von Antiochien, aber sic fanden ihn nicht. Im Hanse Balduins von Tyrc saß der VatcrlandSfrcund im Rath mit Joseph Verden und Hektor. Dutzende von sonst hell beleuchteten Werkstätten standen verlassen und die Gewölbe der Handelsleute wurden von Frauen oder Knaben versehen. Bon Mund zu Munde ging ein Gerücht, das Alle gleich mächtig aufregte, und in Hütte und Palast sagte man sich: Martin Wilsdorf und Bardolf Ebers wald sind in den Händen der Inquisition! Achtzehntes Kapitel. Die Befreiung. „Nein, nein!" schrie Konrad von Marburg, auf geregt das Zimmer durchmcsseud, „Ihr verlangt zu viel von mir, Berthold. Ihr sollt sic schließlich wieder haben, aber heute Abeud muß sic vor dem Tribunal erscheinen. Ich sage Euch, Markgraf, cS besteht eine tiefgehende Verschwörung gegen uns und ich muß sie mit der Wurzel auSrcißcn. „Was kann Euch die Jüdin dabei nützen?" fragte der Markgraf unwillig. „Ihr glaubt doch nicht, daß eine Rotte tollkühner Verschwörer ihr Geheimnisse anvertraut?" „Vielleicht nicht absichtlich; ich weiß aber, daß gerade diese Rotte uns das Mädchen entführt hatte, zwei davon sind in unserer Gewalt und zwei Andere können der Verhaftung nicht entgehen. Wilsdorf und sein kecker Knappe sitzen hinter Schloß und Riegel und dem Balduin und dem von Antiochien wird cs nicht besser gehen." „So lasset Wilsdorf holen und die Sitzung be ginnen." „Ich muß zu gleicher Zeit die Jüdin haben; sic wird, ich zweifle nicht daran. Alles gestehen, wenn sie ihren Erretter ans der Folterbank sieht." „Nun, dagegen will ich nichts einwcndcn; schont den Frechen nicht, der es wagte, so viel Blut in ihrem Dienste zu vergießen, aber laßt das Mädchen unan getastet." Das unheimliche Licht trüber brennender Fackeln erhellte nur spärlich die Folterkammer, in der sich die Diener der heiligen Vehme versammelt hatten. Konrad von Marburg, umgeben von seinen Getreuen, hatte seinen Sitz eingenommen und ihm zur Seite saß der Markgraf Berthold. Zwei Diener des Gerichts führten Eleonore Ols- hcim herein. Ihr Gesicht war bleich wie der Tod und Ihr schwankender Schritt zeigte, daß sic der Unterstützung bedurfte. Mit wirrem Blick schaute sic nm sich und erkannte den Markgrafen. Man führte sic im Kreise herum, um die Marterwerkzeuge zu betrachten und hielt endlich vor dem Sitze des In quisitors still. „Eleonore Olshcim," begann dieser mit feierlicher Stimme, welche das Mädchen mit Schauder erfüllte, „Ihr seid vor dem Tribunal, in dessen Hand Leben und Tod, aber auch Gerechtigkeit und Milde liegt. Beantwortet die Fragen, welche man Euch vorlegen wird, wahrheitsgetreu und aus freiem Antriebe, denn wir haben nicht den Wunsch, Qualen zu verursachen. Sagt uns also zunächst, wo ist Eures Vaters Ver mögen verborgen?" Das arme Mädchen blickte von dem Inquisitor auf den Markgrafen. Entging sie dem einen, so fiel sie in die Gewalt des Ander», und Bertholds Gegen wart gab ihr den Muth zu entgegnen: „Ich weiß es Euch nicht zu sagen." „Wollt Ihr Euch deu Qualen der Folter aus setzen?" „Ich bin in Eurer Gewalt — thut mit nur, was Ihr wollt." „Kennt Ihr die Pein, welche Ihr Euch dadurch bereitet? Schaut um Euch, Glied um Glied ziehen wir mit jenem Instrumente aus Eurem Körper und ein elender Tod ist Euer Loos." „Ich habe den Muth zu sterben," flüsterte die Jüdin kaum hörbar. Konrad war Menschenkenner genug, an dem Ent schluß dieses Mädchens nicht zu zweifeln. Er hatte dem Markgrafen die feste Zusicherung gegeben, ihren Körper nickst zu verunstalten, und dies Versprechen mußte er halten. „Sicherlich kennt Ihr nicht genau das Schreckliche der Tortur und wir wollen daher zu Eurer Erbauung vor Euren Augen ein Opfer der Folter aussetzen. Dies Opfer ist ein starker kräftiger Man», den Ihr kennt, und wenn Ihr den Aermsten seht und wollt ihn retten, so könnt Ihr dies, wenn Ihr uns die verlangte Auskunft über Eures Vaters Schätze gebt. Nun wollen wir sehen, wie weit Euer Gefühl Euch führt." Auf einen Wink des Inquisitors ward Martin Wilsdorf hereingeführt. Seine Hände waren auf den Rücken gebunden und eine lose Schlinge hing um seinen Hals. Mit einem durchdringende» Schrei wollte die Jüdin zu ihm eile», aber starke Arme hielten sie auf der Stelle gebannt, auf ver sie stand. Des Gefangenen Lippe erbleichte, als er das Mädchen erblickte, und krampfhaftes Zucke» erfaßte seine» Körper. Der eine Blick, welchen das geliebte Wesen auf ihn warf, sagte ihm mehr, als tausend gesprochene Worte; er empfand, daß in ihrem Herzen ein Gefühl für ihn wohnte, das stärker war als das bloßer Dankbarkeit. Die finstern Diener deS Gerichts führten sie bei Seite und der Ritter ward vor die versammelten Richter geführt. Da erklang sein Name aus dem Munde deS Vorsitzenden und seine verwirrten Sinne kehrten zu ihm zurück. DeS Markgrafen Gestalt konnte sich auch ihm nicht verbergen und mit dem Blicke glühenden Hasses sah er denselben an. ES war ihm klar, weshalb er hier auf dieser Stelle der Jüdin gegenüber gestellt wurde. Wie aber, wenn man sie ans die Folter spannte, und ihr Leben von seinem Bekenntniß abhängig machte? „Wir wissen," fuhr der Inquisitor fort, „daß eine tiefgehende Verschwörung ins Leben gerufen ist, welche sich die Bewältigung der kirchlichen Macht zum Ziel gesetzt hat. Seid Ihr daran betheiligt?" „Mir ist keine solche Verschwörung bekannt," ent gegnctc der Ritter. (Schluß folgt.) Eine Bauernrede. Der Abgeordnete Kaltenegger, ein Bauer aus der Steiermark, besprach jüngst im österreichischen Abge ordnetenhause das Dicnstbotenelcnd auf dem Lande in folgender sehr drastischen, aber auch viel Wahres enthaltenden Rede: „Heutzutage sagt eiu junger Mann, nachdem er so unendlich viel gelernt hat: „Was? Ich will kein Ochsenknecht werden! Fällt mir gar nicht ein!" Und die Maderl sagen: „Ich will nicht in den Schwein'- stall, da stinkt'S ja!" (Lebhafte Heiterkeit.) Sie will nobel, Köchin, Lehrerin, alles Mögliche werden, nur keine Bauerndirne. (Lebhafte Heiterkeit.) Vor lau ter Gelahrtheit und Einbildung will kein Mensch mehr in den Stall hinein. (Heiterkeit.) Nimmt der Leh rer einen Buben her und will ihn verdientermaßen dnrchkarbatschen, so verbietet ihm das die Unterrichts ordnung, das Strafgesetz, der Schulrath, die Humani tät und wie das andere moderne Gelump noch heißt (Gelächter, Glocke des Präsidenten) und das Ende ist: der Lehrer wird gestraft. Drei Umstände seien cs, die die heutige Zeit charakterisiren: Die große Zahl von Selbstmorden, das auffallende Anwachsen der Irrsinnigen und Zuchthäusler und die Zunahme der sogen. Revolutionspartei. Alles dies hänge mit den ganzen öffentlichen Einrichtungen zusammen. Wir arme Menschen — fuhr der Redner fort — sind nämlich von drei Dingen beherrscht. Wir Christen nennen sie Teufel, Sie nennen sie wahrscheinlich, weil Sie es nobler geben, Leidenschaften. (Heiterkeit.) Diese drei fatalen „Dinger" sind: die Hofsarth, die Augenlust nud die Fleischeslust und zur letzteren ge hört auch der Saufteufel. (Gelächter.) Und nun vergegenwärtigen Sie sich, meine Herren, wir, die wir schon graue Haare haben und viele gar keine Haare mehr (Heiterkeit), wir sind manchmal »och verteufelt schlecht daran, wenn es sich darum handelt, daß man brav bleiben soll. (Große Heiterkeit.) Sehen Sie bei einer Buchhandlung hinein, nichts als lauter Liebesgeschichten, Romane, wie Liebe beschaffen ist, >vie das Zeug auSschaut, wie sie sich abküssen re. (Gelächter.) Ich bin ein recht schlechter Theatcrbe- fucher und war in Wien nur zwei mal im Theater. Aber einmal war ich drinn und da muß ich gestehen, was ich da gesehen habe, ist doch ein bissel zu weit gegangen: (Rufe: Was war denn das?) „Das Weib des Teufels" Ivar es. Da ist der Ehebruch so köstlich hingestellt (schallendes Gelächter), daß man fast Lust kriegt, die Sache nachznmacheu. (Lautes Gelächter.) Und da haben Mütter ihre unschuldigen Maderln mitgehabt, die haben ungeheuer neugierig hingeschaut, sie haben'« wohl wahrscheinlich im ersten Augenblick nicht verstanden, aber mit der Zeit wer den sie's verstehen. Ich muß wahrhaftig unseren! aufgeklärten, geistreichen Zeitalter mein Bedauern aus sprechen, daß unsere Dichter jetzt nichts anderes mehr zu Wege bringen, als Mord, Ehebruch und lauter solche Geschichten. Solche Dinge tragen dazu bei, daß jene traurigen Erscheinungen zu Tage treten, daß dann kein anderer Ausweg bleibt, als die Kugel in den Kopf oder in das Irrenhaus oder ins Zuchthaus. Das Parlament hätte die Aufgabe, die Sache in die Hand zu nehmen und wenn die Regierung nicht weiß, was ihre Pflicht ist, diese dazu zu zwingen. Aber da keine Regierung für die Bauern etwas Ordent liches thut, so lange sie vom Parlament alles bewilligt bekommt, so bewillige ich überhaupt einer solchen Re gierung nicht einmal einen Papierguldeu! Ich bin ein Bauer, der die Augen offen hat, und darum mach ich den Beutel zu. Wir Bauern kriegen das Geflun ker wie das Zahlen satt. (Bravo und Heiterkeit.) Postschule zu Lommatzsch i. S. Die in den letzten Jahren in Deutschland entstandenen Anstalten für die Vorbereitung zur Postgehülscnprüsung er weisen sich in der That als ein Bedürsniß der Zeit, sosern sie nicht den Charakter einer Presse tragen. Die unter städtischer und ministerieller Aussicht stehende Postschule zu Lommatzsch in Sachsen (SVOV Einw.) ha« sich schnell die Gnnst und das Vertrauen des Publikums erworben. Sie zählt jetzt 248 Schüler, welches Resultat sicher ihren guten Einrichtungen, der gewissenhasten Beaussichtigung ihrer Zöglinge nnd ihren befriedigenden Leistungen zuzuschreiben sein dürste. Es wirken an ihr jetzt 7 ständige Lehrer und 8 Hülsslehrer. Obwohl sie im wesentlichen als Internat eingerichtet, ist eS auch gestattet, daß Schüler außerhalb der Anstalt wohnen. Am 8. Oktober d. I. beginnt ein neuer Kursus. Da die mittlere Postkarrierc verbältnißmäßig schnell zu einen, gesicherten Einkommen sührt, empfiehlt sie sich besonders für junge Leute aus dem Mittel stände. Druck und Verlag von E. Hannebohn in Eibenstock.