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1Ö2 Achtes Kapitel Nach dieser schwierigen lokalkirchengeschichtlichen Erörte rung sind wir nun endlich für den Versuch gerüstet, die Königs urkunde von 1192 zu interpretieren. Chorherrenstift durch. Der Kompatron hätte dann allmählich die Hauptpatronin verdrängt. Vgl. hierzu H. Helbig, Untersuchungen über die Kirchenpatrozinien in Sachsen auf siedlungsgeschichtlicher Grundlage (1940), S. 193 f. Die Moritzkirche hat im Spätmittelalter Pfarrechte außer über einige Vorstadtbürger nur noch in Pölbitz und Eckersbach, während die Kirchen der Orte Bockwa und Crossen, die 1219 zu ihrer Parochie gehörten, nach den Visitationsprotokollen von 1529 als Filiale der ehemaligen Vorstadtkirche St. Marien, des heutigen Domes, gelten, den wir im 16. Jh. auch im Besitz von Zehntablösungen in den Orten Bockwa, Oberhohndorf, Schedewitz, Crossen, Wulm, Pölbitz, Schlunzig, Niederschindmaas, Wernsdorf, Glauchau, Jerisau und Reinholdshain antreffen. Vgl. G. Buchwald, Allerlei aus drei Jahrhunderten (1888), S. 2 und L. Bönhoff, N. A. f. sächs. G. 40 (1919), S. 251. Die genannten Dörfer entsprechen den 1219 zur Kirche in Osterweine gehörigen, wenn man berücksichtigt, daß die Fluren der inzwischen untergegangenen Dörfer Naundorf und Grabowe in den Fluren der fünf zuletzt genannten Orte aufgegangen sind oder doch von Bauern dieser Orte bewirtschaftet wurden. Die Pfarrechte der Kirche in Osterweine über die vordeutschen Siedlungen des pagus Zwickau müssen also mitsamt dem Gauzehnten auf die Marienkirche übergegangen sein, meiner Meinung nach nicht erst aus Anlaß der Zerstörung der Moritzkirche durch die Hussiten im Jahre 1430, wie Bönhoff annimmt, sondern bereits wesentlich früher. Noch im Jahre 1548 hatte sich aber eine Erinnerung an den ursprünglichen Zustand erhalten, denn die Gemeinde Pölbitz schrieb damals an die Vorsteher des Gemeinen Kastens zu Zwickau: ,,Erstlich bedencken, daß die Kirch iw S. Moricz die erst und eltiste Kirch ist, darein nicht allein unsere Voreltern, sondern auch andere auf zwo meyl wegs zu der Kirchen sollen gangenn sein . . (Stadtarchiv Zwickau, Briefe 1526—1580, Papp kasten. Eine Abschrift verdanke ich der Güte des Herrn Oberlehrer Vogel). Hierher gehört auch eine Bemerkung über die Moritzkirche in der 1656 gedruckten Chronik der Stadt Zwickau von Tobias Schmidt, deren Kenntnis ich ebenfalls Herrn Vogel verdanke: „Man findet so viel Nachrichtung, daß die Kinder von vier und funff Meil wegs daher sind zur Tauffe gebracht worden. Welches bezeugt die Schrifft, die in S. Marien Kirchen im Altar verwahret und mir aus M. Johannis Petrei Abschrift oder Verzeichniss zu Händen kommen.“ Dieses Schriftstücks