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Jllustrirtes Magazin. 285 cen, beeilte er sich, seine Tochter nach Frankreich zu einer ihrer Tanten, welche in Toulouse lebte, zu senden, hoffend, daß diese Maßregel hinreichen würde, um das Nebel im Keime zu ersticken. Sie reichte auch in der Thal hin; fern von dem Manne, den sie liebte, mir einer Leidenschaftlich keit ohne Gleichen liebte, welkte das arme Kind wie eine Pflanze, der es an Luft und Sonnen schein gebricht, bis sie endlich der Tod von ihrem Kummer erlöste. Von Stund an, setzte BurdenS seiner Familie, die ihn zum Klosterleben bestimmte, keinen Widerstand mehr entgegen, aber er w<rf sich zu gleicher Zeit mit Leib und Seele au''die Wissenschaften, denn das verzehrende Feuer wel ches er vergebens zu unterdrücken suchte,/ edurfte einer Nahrung und schon nach wenig - Jabren war er im Besitz einer bewundernswürdigen Ge lehrsamkeit; sein Ruf verbreitete <u) bald überall hin, und da er sich zugleich du--») ein großes Red nertalent auszeichnele, so ^ucde er mit fernen Missionen beauftragt,. .zog also in der Welt umher und predigte Volkern das Evangelium, und groß war di-Zahl der Seelen, welche er auf den Weg des.^ils zurückführte. Dreißig 5ahre verflossen auf diese Weise, ein halbes Jab wundert war über Burdens's Haupt gezogen; «eine achte und innige Frömmigkeit hatte ihm d' Achtung und Bewunderung sammtlicher Minder seines Ordens erworben; daher auch kxj..c sich den geringsten Widerspruch gegen ihn p.aubte, als er um Erlaubnis bat, Spanien erlassen und sein Leben in Toulouse beschließen zu dürfen. Er schied vom Kloster, aber nicht um Frieden und Seelenruhe unter einem fremden Him mel zu suchen: Dreißig Jahre strenger Büßungen und eifrigen Gebetes, dreißig Jahre eines tadel freien, dec Besserung der Menschheit gewidmeten Lebens hatten jene verderbliche Leidenschaft nicht auslöschen können, welche, nachdem sie ihn ver anlaßt, der Welt zu entsagen, noch mit derselben Lebhaftigkeit in der Tiefe seines Herzens loderte, wie in den ersten Tagen ihres Entstehens. Aus dem Grabe des Mädchens, welches er so unaus sprechlich geliebt, beten und weinen, war das einzige Glück, wvrnach er strebte. Er erreichte das Ziel seiner Reise, aber das Grab seiner Ge liebten konnte ihm Niemand zeigen, das Niveau der Jahre war über ihre erkaltete Asche gegangen, der kleine Hügel, der es einst bezeichnete, war spurlos verschwunden. Bürdens blieb dessen ungeachtet in Toulouse, wo er bald zum Doclor der Theologie an der Universität ernannt wurde. ,Scin unbestreitbares Verdienst brachte ihn in kur zer Zeit mit den ausgezeichnetsten Männern in snähere Berührung, die seinen Umgang eifrig such ten und eine Ehre darin fanden, sich seine Freunde zu nennen; insbesondere fühlte sich ein Staats rath, Namens Gay raub, welcher den Vorsitz im Landgericht zu Toulouse führte, zu ihm hin geneigt und bald waren die beiden Männer einan der unentbehrlich. Wieder waren zwölf Jahre vergangen, und immer noch mühete sich Bürdens, der jetzt mehr als sechzig Sommer im Rücken hatte, ab, das Fleisch durch den Geist zu bekämpfen, und trotz seinem vorgeschrittenen Alter wa ren die Kämpfe nicht weniger furchtbar als die seiner Jugend, und sie kehrten sogar jetzt häufiger wieder als je zuvor. Seine Leidenschaften, unab lässig zurückgedrängt, waren gewachsen wie ein Bergstrom, dem man einen Damm entgegenzu setzen sucht; die Natur, so lange durch die Ver nunft, die Moral, eine bewundernswürdige Re signation und einen cisenfcsten Willen besiegt, drohte eine furchtbare Rache zu nehmen. In Folge einer seltsamen Uebercinstimmung der Umstände, befand sich der Staatsrath Gay rau d ganz in demselben Falle wie Bürdens; so wie dieser hatte er in seiner Jugend gleichfalls geliebt, ohne jemals in den Besitz des geliebten Gegenstandes gelangt zu sein. Außerdem ähnelten diese Männer auch noch darin einander, daß beide sowohl in moralischer als physischer Be ziehung die Kraft und Lebhaftigkeit des jugend lichen Alters bewahrt hatten. Der Theolog war groß, gut gestaltet, gerade und geschmeidig wie ein Jüngling von zwanzig Jahren, sein Gesichr war frisch und ohne Runzeln, seine Stimme stark, rein und wohlklingend. Der Staatsrath war et was kleiner und nicht so gut gewachsen, aber un ter seinen pechschwarzen Augenbrauen leuchteten noch ein Paar große lebhafte Augen hervor; ein noch jugendliches Lächeln schwebte häufig um sei nen hübsch geformten Mund; er tummelte sein Pferd mit der Geschicklichkeit und Kraft eines jun gen Dragoner-Lieutenants; dabei war er rin zu verlässiger treuer Freund, ein aufgeweckter und unterhaltender Gesellschafter und in Verwaltung seines Amtes die Redlichkeit und Unbestechlichkeit selbst. Gewiß, wer ihn so sah, konnte auch nicht im Entferntesten die moralischen Qualen ahnen, welche er erduldete, konnte keine Vorstellung ha ben von den langen Nächten, die er schlaflos auf seinem Lager zubrachte, von den brennendheißen Thränen, deren Quelle fünfzig Jahre nicht hatten verstechen machen können, von seiner immer wie derkehrenden Trauer und seiner durch die Erinne rung jeden Tag aufgefrischten Sehnsucht. So beschaffen war die Lage dieser beiden Män ner, als in Toulouse ein junges Mädchen in Be gleitung und unter der Aufsicht einer Art Duegna erschien, die manche für ihre Mutter hielten. Diese