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gelichteten Mann betroffen, setzte noch alle Zun gen seiner Mitbürger in Bewegung, als ein neues Verbrechen plötzlich die Aufmerksamkeit auf sich zog. In der Strasse SanEosme, in dem Hause des schweizerischen Eoiffuls, Herrn Maigrct, un fern des Palastes der Vicekönige, war am Hellen Tage ein Meuchelmord verübt worden. Anfangs wollte man dem Gerüchte keinen Glauben schen ken, denn die genannte Straße, welche zu dein herrlichen Spaziergang, die Alameda, führt, ist die besuchteste dec Stadt; die Unwahrscheinlichkeit steigerte sich noch, wenn man erwog, daß, gerade an dem Tage, dem Hause des Consuls gegenüber, in einem eleganten Hotel, sich die Gesandten von Frankreich und England, der Baron Deffaudis und Herr Packenham, mit mehren Diplomaten, bei einem glanzenden Frühstück versammelt hatten. Die Thatsache war indeß nur zu gegründet. Die Mörder waren durch die offene Pforte in's Haus des Herrn Maigret gedrungen, hatten der einzigen Magd, einer Indianerin, den Mund ver stopft und sie an eine Bettstelle gebunden, dann hatten sie sich auf den Consui, den das Ringen mit dem Mädchen, ohne Zweifel in die Hintere Stube geführt, geworfen, ihm das Haupt fest mit einem Sack umwunden, so daß er keinen Laut von sich geben konnte und ihn dann ermordet. Der Unglückliche schien sich in Verzweiflung ge wehrt zu haben, seine Hande waren mit Wunden bedeckt, eine derselben hielt einen Fetzen blaues Tuch, auf dem sich ein MetaUknopf befand, krampfhaft fest. Dieser Gegenstand bot nur eine schwache Aus sicht dar, den Mördern auf die Spur zu kommen, die Justiz strengte sich eben auch nicht sehr an; da begaben sich aber die Herren Deffaudis und Packen ham zu dem Oberlichter und bestanden darauf, baß man die Nachforschung nach dem Mörder ih res Collegen und Freundes auf das Schärfste ver folge. Diese Einmischung brachte ein Resultat zu Wege. Der Verdacht fiel auf einen Dragoner des vierten Regiments, welcher noch unlängst in Dürf tigkeit von seinem Solde lebend, plötzlich viel Geld zeigte, ohne daß irgend jemand angcben konnte, wie er zu solchem Reichthume kam. Eine insgeheim anqestellte Haussuchung stei gerte den Verdacht zur Gewissheit, denn man fand einen Bürgerrock von blauem Tuche, an dem ein Knopf und ein Stück Zeug abgerissen waren. Man verglich den in der Hand des Leichnams gefunde nen Fetzen mit dem Kleidungsstück, und fand, daß der Stoff so wie die Knöpfe völlig ein und diesel ben waren. Wie es so oft zu geschehen pflegt, der Mörder hatte den einzigen Beweis gegen ihn, zu vernichten unterlassen. Viele verfängliche, im Ver hör an ihn gestellte Fragen, machten ihn verwirrt. und trieben ihn endlich zum Geständniß seiner Missethat. Mit großer Bestimmtheit aber läug- nele er es ab, Mitschuldige zu besitzen. Die Criminal Justiz verfährt sehr rasch. Ei nige Tage nach der Verurtheilung, bewegte sich ein finsterer Zug durch die Straße San-Eosme und machte vor dem Hause, in welchem der Mord verübt worden war, Halt. Der Schuldige, das Haupt geschoren, mit nacktem Halse uns bloßen Füßen, eine brennende Kerze in der Hand und unterstützt von einem spanischen Priester, sollte auf der Schwelle seine Knie beugen und Kirchen buße thun. Nach diesem Anfang der Sühnung seines Verbrechens bewegte sich die schauerliche Prozession durch die versammelten Volksmassen, durchzog mehre Straßen und gelangte nach den Alleen der Alameda. Man bemerkte, wie derVer- urtheilte mit ängstlichen Blicken ost umherschaute, als erwarte er von außen irgend ein Zeichen zur Rettung; aber wie es schien, getäuscht, zog er die Stirn in tiefe Falten und biß sich die Lippen blutig. > Obgleich Antonio dem Mililärstande ange hörte, so war doch sein Verbrechen zu groß, als daß man ihm den Tod durch Erschießen zugestan den hätte, er sollte durch die Garrote, eine Art Guillotine, hingerichtet werden. Auf dem Schaf felle anqelangt, warf der Verurtheiltc noch einmal einen Blick über die dichten Menschengruppen, eine neue Täuschung verzerrte sein Gesicht, gewisser maßen in Wuth wandte er sich zum Offizier der Escorte und rief mit lauter Stimme: »Scnnor! Einen Hauptmitschuldigen, den Hauptmann der Bande, der ich zugehörte, will ich offenbaren, eS ist Panez, der Adjutant des General Gouver neurs!« Dieser Ausspruch brachte die größte Sensa tion, die höchste Empörung hervor. Wie war cs nur denkbar, daß der eleganteste Offizier, der schönste, von allen Damen gefeierte junge Mann, der intime Freund des Generals Santa Anna, der Verlobte seiner Schwester Dolores, ein Räu ber, ein Meuchelmörder sein sollte! -— Die Hin richtung wurde unterdessen aufgeschobcn, ein Be amter des Gerichts mußte sich mit seinen Leuten in die Wohnung des Adjutanten verfügen und dort die genaueste Haussuchung anstellen. Man fand eine Eorrespondenz in seltsamen, nicht zu ent schleiernden Zeichen abgefaßt, eine Menge von Kleinodien und Juwelen, welche, wie sich spater ergab, dem Kaufmann L. zugehört hatten, und ihm unlängst auf der Straße nach Vera-Eruz ge raubt worden waren. Noch an demselben Tage wurde Panez, als er das Regierungsgebäude ver ließ, festgenommen und in's Gefängniß geführt. So standen die Sachen, als sich eine Dame in einen sckuvariseikenen Mantel nebüllt. das Ge.