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keit der Spanier. Anführer einer revolutionären Partei, nachdem er als Militär unter Ferdi nand VII. gedient hatte, barg sich in seinem eher nen Körper eine eisenfeste Seele. Er liebte die Macht aus Stolz, nicht aus Eigennutz, er war milde, grausam, wie es der Laune seines Ehr geizes zusagte, er übte die größte Willkühr aus. Der General war mit seinem Achutanten, dem Obristcn Panez, einem jungen schönen Mann, allein im Audienzzimmer. Der Letztere faltete mehre Depeschen, nachdem er sie durchgelesen, zusam men, und schien in diesem Geschäfte so vertieft, daß der mexicanische Kaufmann eintrat, grüßte und sich niedersetzte, ohne von dem Adjutanten be merkt zu werden. Er trug dem General sein An liegen vor; eingeschüchtert von den vielen Berau- bungcn und Morden, welche in der letzten Zeit verübt worden wären, wünschte er nämlich eine bewaffnete Bedeckung, unter deren Schutz er und die Seinen mit Sicherheit die Reise von Mexico nach Vera-Eruz machen könnten. »Ich muß Ihnen offen gestehen,« entgegnete der General nach einigem Nachdenken, »daß, wenn Sie Dinge von Werth mit sich führen, eine mi litärische Escorte das verkehrte Mittel zur Sicher stellung ist. Sie wissen selbst, meine Dragoner bemächtigen sich dessen oft selbst, was sie beschützen sollen. Ich will Ihnen einen besseren Rath geben. Lassen Sie sich von Vermouth, dem französischen Sattler, in der Straße Las Eadenas, Koffer oder Felleisen mit doppeltem Boden machen, wo hinein Sie dann die Juwelen und Präciosen derMad.L. und Geld und andere werthvolle Dinge verbergen. Werden Sie angegriffen, öffnen Sie die Behält nisse ohne Zögern und liefern Sie den unbedeu tenden Inhalt aus.« Dieser Rath, so seltsam er war, mußte be folgt werden, wollte der mexicanische Kaufmann sein Eigenthum retten; er nahm Abschied von dem General und entfernte sich wieder, ohne daß der anwesende Adjutant auch nur das Haupt erhoben hätte. Der Koffer mit dem doppelten Boden ward sogleich bei Herrn Vermouth bestellt und angcfer- tigt, das Einpacken gehörig besorgt, und die Fa milie machte sich in der nächsten Nacht auf die Reise. Herr L. begleitete zu Pferde den Tragsesscl, in dem sich seine Frau und seine Kinder befanden; Maulthiere, auf denen die Bagage geladen war, wurden von ihren Treibern geleitet. Die kleine Earavane langte glücklich zu Puesla an, wo sie sich zwei Tage aufhielt; am dritten gegen Abend schickte man sich zur Weiterreise an. Die Familie konnte in der Ferne den hohen Berg Orizaba ge wahren und gelangte ohne die geringste Widerwär tigkeit durch die Ebene von Acajete. Am Ende derselben befindet sich ein Hohlweg, von dem aus sich verschiedene Pfade hindehnen. Finstere Ge schichten waren von dieser Art Schlucht bekannt und mehre weiße Steine und schwarze Kreuze ver kündeten, daß dec böse Ruf nicht unverdient war. Die Maulthiertreiber hatten sich mit auf die Thiere, welche instinctmäßig ihren Weg verfolgten, gesetzt, und waren halb eingeschlafen. Langsam war man bis zur Mitte des Hohlwegs gekommen, als plötz lich eine Schaar von ungefähr zwanzig Kerlen die Reisenden umringte, sie schienen aus der Erde emporgestiegen. Madame L. stieß einen lauten Angstschrei aus, ihr Gemahl aber sah es ru hig mit an, wie sie die Bagage plünderten und sich des Koffers bemächtigten. Einer der Räuber forderte ihm unter drohenden Geberden den Schlüs sel dazu ab, er gab ihn, und sah, wie man sich eifrig des Inhalts bemächtigte, wie die Böse wichte aber auch mit ihren Messern den Doppel boden durchstachen und sich alle Kostbarkeiten zu eigneten, die dort verborgen waren. Wie nieder gedonnert stand der Kaufmann dabei; als er sah, wie man ihn rein ausplünderte, gerieth er in die größte Wuth. Einige Messerklingen blitzten indeß nach seiner Brust und man deutete ihm an, sich ruhig zu verhalten, wenn ihm anders sein Leben lieb sei. Madame L. war einer Leiche ähnlich, sie schützte mit ihrem Körper ihre Kinder. »Haben Sie keine Sorge, Sennora,« sprach beruhigend der Räuber, »wir sind Cavaliere und kennen die Pflichten, die man einer Dame schul dig ist.« Nachdem sie nur das Werthvolle genommen, die geringfügigeren Gegenstände aber verächtlich aus den Boden umher gestreut hatten, entfernten sich die Räuber mit Blitzesschnelle und ließen die ar men Geplünderten in der größten Bestürzung zu rück. L. sah sich gezwungen, mit den Seinen nach Mexico zurückzukehrenr^Dort angelangt, verfügte er sich zu dem Richter und erzählte demselben oen ihn betroffenen Unfall, mit den kleinsten Neben umständen. Dieser Ueberfall mußte vorbereitet -ge wesen sein. Zwei Menschen nur wußten uw. da! Geheimniß des Doppelbodens, der Genial Santc Anna, der dazu rieth und der Sattler, welche! den Koffer anfertigte. Der Letztere wurde sogleici gefänglich eingezogen, er aber stellte den gegen ihn geführten Anklagen die klarsten Gegenbeweise ent gegen, alles verkündete seine Unschuld. Er besaß den Ruf der größten Rechtlichkeit, seine Nachbarn sagten aus, daß er sein Haus in den letzten Ta gen nicht verlassen habe. Herr Vermouth erhielt also unverzüglich seine Freiheit wieder. Man that alles Mögliche den Missethätern auf die Spur zu kommen, es gelang aber nicht. Das Mißgeschick, welches den so allgemein