92 Natur und Function, sondern stehen auch unter einander in einem solchen gegensätzlichen Ernährnngs-Vcrhältniß, daß die überwiegende Ausbildung des einen, unter dem zufälligen Einfluß der äußeren Vegetativnsfactoren oder dem absichtsvollen der Cultur, auf Kosten der übrigen Organe vorgeht. Daß die Fruchtrcife die zarteren Sommergewächsc gleichsam auszehrt, und ein jährige Pflanzen durch consequente Beraubung der Blüthenknospen zu einem sehr hohen Alter gebracht werden können, ist eben so bekannt, wie die mangelhafte Fruchtbildung „ starkwüchsigcr" Obstbäume, das häufige Fehlschlagen der Samenkerne in solchen Früchten, welche durch Voll- fleischigkeit und Aroma ausgezeichnet sind, und die kräftigere 'Ausbildung der Fruchtkolbcn an rechtzeitig entgipfelten Maispflanzen (Hlubeck). Die Horticultur ist überreich an verwandten Erscheinungen. Schon D e- candolle bezeichnet daher die Frnchtorgane als die „Verschlingen den" (vornees), ohne noch von der neuerdings constatirten Wanderung gewisser Mineralstoffe in der lebenden Pflanze Kenntniß zu besitzen. Ganz besonders aber bei solchen Gewächsen, denen neben der ge schlechtlichen Fortpflanzung durch Samen eine individuelle Reproduktion durch unterirdische Knospenzwcige eigcnthümlich ist (eine Kartoffel, wie sie im Keller aufbewahrt wird, ist ein solcher Zweig im Zustande der Winter ruhe), sind die Organe der geschlechtlichen und der individuellen Repro duktion in der Regel einander umgekehrt proportional. Wenn man da her von der üppigen Lanbmasse und Blüthenfülle eines Kartoffelfeldes unmittelbar auf einen gleich üppigen Ausbildnngsgrad der unterirdischen Knollentriebe zu schließen pflegt, so ist dieser Schluß im besten Falle kaum gültig für Kartoffeln einer und derselben Sorte: wie man etwa das Körpergewicht zweier Haussängethiere derselben Landrace aus der Größe des Kopfes oder der Extremitäten vergleichend abschätzen kann, ohne diesen Vergleich auf Individuen anderer Raccn mit abweichenden Maßrelationen übertragen zu dürfen. Die vorherrschende Entwickelung der unterirdischen Stengel, wie die Cultur bei Knollengewächsen sie anstrebt, wäre aber ohne Wortspiel nur dann als ein pathologischer Zustand aufzufassen, wenn die Empfänglich keit für positive Krankheiten in diesen Culturgewächsen gesteigert er schiene, was erfahrnngsmäßig nicht der Fall ist. Die sächsische Zwiebel kartoffel besitzt neben anderen höchst schätzbaren Eigenschaften auch die, der Kartoffelkrankheit weniger als andere Sorten zugänglich zu sein; das konstante Fchlschlagen ihrer Geschlechtsorgane ist daher als ein Triumph