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Jahrg. 1886 Allgemeine Zeitschrift für Textil-Industrie. Seite 7 Weberei ihre einzige Nahrangsquelle erblickten, dadurch Ab hilfe zu schaffen, dass man deu Webern, welche bei den durch die Concurrenz gedrückten Preisen immer schlechtere Erzeug nisse hervorbrachten, Gelegenheit bot, die Herstellung besserer und mannigfaltigerer Artikel zu lehren und sich mit den ver- vollkommneten Webestühlen und sonstigen Maschinen vertraut zu machen. (Zur Zeit der Errichtung der Webeschule ver standen in Prossnitz nur zwei bis drei Weber, einen Jacquard stuhl vorzurichten.) Der Gemeinderath beschloss daher 1875, eine Webeschule aus Gemeindemitteln zu errichten, welche am 16. September 1875 eröffnet wurde. Sie hatte den Zweck, fachlich geschulte Webemeister, Vorrichter und Gehilfen heranzubilden. Im Unterrichte sollte nicht nur die Baumwollweberei, sondern auch die Schafwollweberei, insbesondere die Herstellung ge mischter Stoffe berücksichtigt werden. Die Schule hatte einen zweijährigen Tagescurs und einen Abend- und Sonntagscurs von gleicher Dauer. Im Jahre 1876 ersuchte nun die Gemeinde um die Bewilligung einer Staatssubvention zur Erhaltung der Webeschule, musste jedoch mit Rücksicht auf die geringen Fonds, über welche das Handelsministerium verfügte, abge wiesen werden. Ein neuerliches, im Jahre 1880 überreichtes Gesuch hatte die staatliche Subventionirung dieser Anstalt zur Folge. Die Schule steht gegenwärtig noch unter einem aus Mitgliedern des Gerneinderathes und aus einigen Fabrikanten zusammen gesetzten Verwaltungsrathe, ist jedoch der Oberaufsicht des Ministeriums für Cultus und Unterricht unterworfen, welches in letzterer Zeit insbesondere zur Hebung des Zeichenunter richtes wesentlich beigetragen hat. Gegenwärtig sind ein Lehrer und Schulleiter, Ignaz Streck, ein Aushilfslehrer für den Unterricht in den mercantilen Gegen ständen und in der Färberei-Chemie thätig. Zum Schlüsse des Schuljahres 1883—84 besuchten den Tagescurs 10, den Abend- und Sonntagscurs 24 Schüler. In den Ferien 1884 übersiedelte die Schule aus den bisher unzulänglichen Localitäten in neue, welche den Bedürfnissen der Anstalt entsprechen. 23. Webeschule in Freudenthal. Am Anfänge dieses Jahrhundertes blühte die Tuchmacherei, Kotzenfabrikation und Strumpfwaaren-Erzeugung in Freuden thal, doch wie überall, wo man nicht rechtzeitig die Bahn des Fortschrittes betrat, wurde auch hier die zu den schönsten Hoffnungen berechtigende Industrie so concurrenzunfähig ge macht, dass von den eben genannten Fabrikationszweigen gegenwärtig nur noch je eine Firma existirt. Es war nämlich durch Zunftbeschluss verboten, fremde Arbeiter in Freuden thal zu beschäftigen. Die ungünstigen Wirkungen dieses Be schlusses blieben nicht aus, denn die am Orte befindlichen alten, vielleicht sehr bewährten Kräfte wurden aufgebraucht, die ansässigen jungen Leute kamen nicht hinaus und der Zuzug neuer Kräfte von aussen, wodurch ein Austausch von Arbeitskräften und mit diesen gleichzeitig eine Uebertragung anderer Ansichten und Anregung zu neuen Ideen hätte statt finden können, war unterbunden. So sanken denn mit den alten Meistern auch die Hoff nungen, die Industrie durch Satzungen zu heben und zu halten, in’s Grab, und Bielitz, Jägerndorf und Brünn bekamen den Antheil an dem Geschäfte, der für Freudenthal durch sein Verschulden verloren ging. Vollständig unfähig, eben genannten Orten Concurrenz bieten zu können, sahen sich die Söhne der alten Meister genöthigt, einen neuen Industriezweig einzuführen und diesen mit mehr Sorgfalt zu hüten und zu pflegen, wie die Tuch macherei. Dieser neue Zweig der Industrie war die Erzeugung von Leinwand. Diese Wandlung vollzog sich vor ungefähr 50 Jahren. Begünstigt vom Glücke und immer mehr Vertrauen durch strenge Solidität sich erwerbend, entwickelte sich aus der Lohnweberei (für Private) im Laufe von nur wenigen Jahren ein ziemlich umfangreicher Handel, in Freudenthal selbst und auch auf den damaligen bedeutenderen Märkten, auf denen die vierzig Freudenthaler Erzeuger ihre Waaren feilboten. Die Prosperität der Leinwandfabrikation regte bei einigen Erzeugern die Idee an, sich in gemusterten Stoffen, in Damast zu versuchen. Acht bis zehn Meister hatten den Muth dazu und erzeugten auf Zampelstühlen (Zugstühlen) die gemusterten Waaren. Zwar war die Auswahl in den Mustern nicht be deutend, es gab blos zwei, „die Wienerstadt“ und „das gelobte Land“, aber dessenungeachtet fanden die Erzeugnisse An erkennung und Absatz. Durch den immer deutlicher werden den Erfolg, den einige Meister errangen, wurde das Interesse, welches man der weiteren Entwickelung der Weberei entgegen brachte, ein immer regeres, die Jacquard-Maschine wurde eingeführt, Fremde wanderten aus Preusseu und Bayern ein, die jungen Leute Freudenthals wurden nach Sachsen, besonders Chemnitz gegeben, um die dort in Blüthe stehende Weberei kennen zu lernen; überall war das eifrigste Bestreben nach vorwärts wahrzunehmen und die Früchte blieben nicht aus. Ein rühriger Mann benützte seine Zeit in Chemnitz, um sich die Fabrikation der dreifärbigen Decken anzueignen und brachte den Stuhl sammt der ganzen Vorrichtung vor ungefähr 30 bis 35 Jahren mit nach Freudenthal, wo in ganz kurzer Zeit gegen 400 Stühle für diesen Artikel in Gang kamen und goldene Tage für Freudenthal brachten. Neben dem eben erwähnten Artikel wurden noch erzeugt: weisse leinene und halbleinene Tischzeuge und Kaffeetücher, doch war immer das Hauptaugenmerk auf die Buntweberei gerichtet, da durch die Untauglichkeit des Wassers für die Bleicherei letztere sich nicht entwickeln konnte. (Fortsetzung folgt.) Literatu r. 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Jahrgang des Oesterreichisch-ungarischen Textil - Kalender, Taschenbuch für Spinnerei, Weberei, Wirkerei, Färberei, Bleicherei, Appretur, Druckerei etc., Verlag von Moritz Perles in Wien, liegt uns vor, enthält viel Wissenswerthes, ist handlich und schön ausgestattet und unseren werthen Abonnenten zu empfehlen.