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Jahrg. 1885 Allgemeine Zeitschrift für Textil-Industrie. Seite 351 waren, und holen sich, sowie die die Webeschule nicht frequen- tirenden Weber, in der Anstalt Rath und Aufschluss, woselbst ihnen bei neuen Mustern die nöthige Schnürung und der Ein zug gegeben und die Stühle gangfertig gemacht werden. In letzterer Zeit sind in Nachod auch mechanische Baum wollwebereien entstanden, welche anfangs nur glatte Cottone, jetzt aber auch Musterwaare erzeugen. In diesen Fabriken wurden mehrfach absolvirte Weheschüler als Meister angestellt und mit gutem Erfolge verwendet. Die Webeschule hat einen zweijährigen Tagescurs, der im verflossenen Schuljahre von 31 Schülern besucht wurde. Einige anderen Gewerben angehörige Lehrlinge nehmen als Hospi tanten am Zeichenunterrichte Theil. Ein Abendcurs wurde im verflossenen Schuljahre nicht ahgehalten. Die Gemeinde und die Industriellen des Ortes bringen der Entwickelung der Schule reges Interesse entgegen und unterstützen dieselbe. Derzeit besteht das Lehrpersonale aus dem Schulleiter und Lehrer, Julius Philipp, einem Zeichenlehrer und einem Werkmeister. 17. Weheschule in Policka. In Policka und dessen weiterer Umgebung wurde der Anbau des Flachses und dessen Bearbeitung in ausgedehntem Maasse seit Jahrhunderten betrieben. Einen Beweis für die Bedeutung der Leinenindustrie daselbst kann man darin er blicken, dass die Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1776 selbständige Flachs- und Garnmärkte in Policka bewilligte, von welchen der eine am Montage nach dem heil. Dreikönigs tage, der zweite nach Philippi und Jacobi abgehalten wurde. Kaiser Josef H. trug zur Hebung des Leinwandgeschäftes in Policka durch die Errichtung einer k. k. Oeconomie-Com- mission wesentlich bei. Einige Bürger von Policka hatten für das k. k. Heer Lieferungen erhalten und die jährliche Pro duction und die dafür gelösten Geldeinnahmen waren be deutend. Im Durchschnitte wurden jährlich producirt: 80,000 St. weisse Leinwand .... Werth 520,000 fl. 40,000 „ Zwillich „ 200,000 „ 20,000 „ grobe Sack- u. Packleinw. „ 80,000 „ zus. 140,000 St Werth 800,000 fl. Diese Lieferungen dauerten vom Jahre 1780 bis 1820 und beschäftigten allein in Policka an 300 Webestühle. Durch Errichtung mehrerer Flachsgarn-Spinnereien und durch die Einfuhr von Baumwolle erfuhr das Webergeschäft und damit die Zahl der Wehestühle eine weitere Steigerung, so zwar, dass im Jahre 1866 nur im Polickaer Bezirke an 2500 Stühle im Gange gehalten wurden, von welchen die meisten mit Commissleinwand, Zwillich und Säcke-Artikeln in der Art beschäftigt waren, dass Maschinengarne als Ketten-, und Handgarne als Schuss benützt wurden. Von dem bezeichneten Jahre an bricht jedoch der Nieder gang der Weberei im Polickaer Bezirke herein. Zuerst unterdrückte die Einführung der Jute immer mehr die grobe Hausspinnerei, und es beginnt der Nothstand der Spinner. Ihm folgte der Nothstand der Weber. Seit 1866 nämlich wurde in der Armee anstatt der Leinwand Calico eingeführt, der maschinell erzeugt wurde, und damit wurde den zahlreichen Webern ihr Verdienst entzogen. Ein grosser Theil der Bevölkerung war ohne Beschäftigung und verfiel in Armuth. Viele Unternehmer im Webergeschäfte übersiedelten, nachdem die Lieferungen für die Armee aufgehört hatten, an andere Orte, ein geringer Theil griff zu anderen Erwerben oder verblieb als Factoren im Orte, wo sie für Zwittauer und theilweise auch für Wiener Firmen Barchente, Drill, Kalmuck und ähnliche Artikel lieferten, der grösste Theil, namentlich der kleineren Unternehmer und Weber, zog sich auf die Feld- wirthschaft zurück, die allerdings die dichte Bevölkerung nicht zu ernähren im Stande ist. Wiederholten Petitionen an den Reichstag und die Regier ung um neuerliche Leinwandlieferungen konnte keine Folge gegeben werden, und so blieb nur ein Ausweg übrig, den Webern den Uebergang von den groben zu feineren und gemusterten Stoffen zu erleichtern, wozu eine Webeschule nothwendig war. Ein im Jahre 1872 von der Stadtgemeinde Policka ein gereichtes, die Errichtung einer Webeschule betreffendes Gesuch fand seitens des Handelsministeriums eine wohlwollende Berücksichtigung und am 2. December 1874 konnte die Webe schule eröffnet werden. Anfänglich waren nur mangelhafte Localitäten und eine spärliche Einrichtung vorhanden. Erst im Jahre 1879 trat nach beiden Richtungen eine Besserung ein, doch ist der Character der Anstalt, welcher zwischen dem einer Lehrwerk stätte und einer Webeschule schwankt, noch kein vollkommen ausgesprochener, weshalb die Organisation der Anstalt nicht als abgeschlossen bezeichnet werden kann. Die Anstalt hat nur einen Tagescurs, der im Schuljahre 1883—84 von 16 Schülern besucht wurde. An der Anstalt sind der Schulleiter, Wilhelm Podhradsky, ein Werkmeister und ein Aushilfs-Zeichenlehrer thätig. Dem theoretischen Unterrichte sind die Vormittags-, dem practischen die Nachmittagsstunden gewidmet. Von den absolvirten Schülern arbeiten einige für Factoren in Policka, andere suchten in der Fremde einen Erwerb. Im Allgemeinen lässt sich constatiren, dass die an der Anstalt gelehrte Weberei nur langsam Eingang bei den Webern findet, da den meisten Webern besser coustruirte Stühle fehlen, viele arbeiten jedoch mit Schnellschützen, einzelne benützen Regulatoren. (Fortsetzung folgt.) Ifoti z e n. Die Firma Leopold Casella & Co. in Frankfurt a. M. gründete ein neues Etablissement in Lyon, welchem die Form einer Actiengesellschaft gegeben wurde. Die Actien sind nicht für den Verkehr bestimmt. Die Nothwendigkeit, die französischen Patente dieser Firma in Frankreich zu exploitiren, was durch das französische Patentgesetz bedingt ist, sowie die Höhe des Eingangszolls von 1 Francs pro Kilo auf Anilin farben, waren die Veranlassung zur Errichtung einer Zweig- Niederlassung. Die neugegrüudete Firma lautet: Manu- facture Lyonnaise de matieres colorantes in Lyon. * * * In neuerer Zeit zeigt sich in den englischen ärztlichen Fachzeitschriften eine Erscheinung, die auch in Deutsch land bekannt zu werden verdient. Die verbreitetsten medi- cinischen Journale, so zum Beispiel das British medical Journal, die Medical Times, der Prostitioner, der London medical Record u. s. w., beschäftigen sich eingehend mit dem Friedrichs haller Bitterwasser und betonen dessen durch seine jetzige Füllungsmethode noch gesteigerten Vorzüge. In Folge dessen ist der Export dieser deutschen Mineralquelle nach den eng lisch redenden Ländern in erheblichster Weise im Steigen begriffen und hat unerwartet grosse Dimensionen angenommen.