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■Jahrq. 1885 Allgemeine Zeitschrift für Textil-Industrie. Seite 7 Nachdem so festgestellt war, dass das in Rede stehende Verfahren keinen Werth und Erfolg habe, begann die Arbeit zur Auffindung einer Methode, welche den hochgradigen Alkohol zu geeigneter Wirkung bringen könne. In einen langen Cylinder mit Dampfmantel wurden die Proben eingetragen, übergossen mit Metbyl bis zum Deckel; aer Apparat wurde geschlossen und derselbe durch Dampf im Mantel erhitzt. Der Druck stieg bis auf 11 Atm. Nach 1 Stunde Andauer wurde der Alkohol abgesogen, die Masse herausgenommen, ausgespült und getrocknet, darauf gebrochen und gehechelt. Die Ausheute war bedeutend grösser, als bei dem früheren Verfahren Zum II. Versuch wurde der Cylinder mit neuer Beschickung (Stengel) versehen und sodann der Cylinder nur etwa auf 1 / li seiner Höhe mit Alkohol gefüllt, geschlossen und beheizt. Der Druck stieg auf 5 und 6 Atm. Nach einer Stunde Andauer wurde geöffnet und herausgenommen, gespült, getrocknet, gebrochen und gehechelt; — die Ausbeute war in noch höherem Maasse gestiegen. Es hatte also in diesem Falle nur Alkoholdampf unter Druck eingewirkt. Diese beiden Versuche legten die Idee nahe, durch einen Versuch mit Wasser als Fülluugsflüssig- keit festzustellen, ob die günstigen Resultate dem Druck und der Wärme, — oder der Eigenschaft der Flüssigkeit zuzu schreiben seien? Der Cylinder wurde beschickt, mit Wasser gefüllt, erhitzt und nach \ Stunde Andauer geöffnet. Das herausgenommene Material wurde ausgespült, getrocknet, ge brochen und gehechelt, — und ergab ein hohes Hechelresultat bei ausgezeichneter Beschaffenheit der Fasern in Qualität und Farbe des Flachses, ebenso der Nesselfaser. Um einen Ueberblick über die Resultate dieser verschie denen Methoden zu ermöglichen, müsste ich in einer Tabelle die Durchschnittsresultate aufstellen. Allein es würde mich das hier zu weit führen. Ich beschränke mich daher auf einige Daten, während ich mir Vorbehalte, unserer geehrten Redaction in Kürze eine kleine Abhandlung über den gesammten Stand der Isolirungsfrage nebst den diversen Versuchs resultaten für die Verhandlungen des Vereins zu überreichen, wobei ich auch die hier angeführten Resultate übersichtlich geordnet vorfuhren will, weil ich weiss, dass dieselben für die Praxis und Theorie der Textilindustrie von Wichtigkeit sind. Also hier genüge die Angabe, dass bei Flachs an langer Faser gewonnen wurde: 1. nach dem Patentverfahren 3—6 Procent, 2. nach dem Tränkungsverfahren mit Benutzung von Druck im Patentapparat 5—8 Procent, 3. nach dem Patentverfahren im Patentapparat mit Druck 10—15 Procent, 4. nach dem neuen Verfahren mit hohem Druck und Tränkung 20 Procent, 5. nach dem neuen Verfahren mit hohem Druck und Alkoholdampf 23 Procent, 6. nach dem neuen Verfahren mit hohem Druck und Wasser 22,6 Procent. Eine aufmerksame Prüfung ergab, dass die Beschaffenheit des Pflanzengummis in der Probe 6 völlig umgeändert war und das Material überhaupt geröstetem Flachs ähnlich ist, während bei den Proben 1—5 ein Theil des Pflauzengummis unverändert zurückblieb. Die hohen Resultate in 5 und 4 wurden nicht durch die Isolirung an sich erzielt, sondern durch die Methode, die ich anwandte, um die aus dem Isolirungs- apparat herausgenommenen und ausgewaschenen Stengel weiter zu bearbeiten. Ich hatte nämlich beobachtet, dass, wenn auch der Alkohol vielleicht den ganzen Gummigehalt löse, dies nur bei gewisser Temperatur geschehe, resp. bei gewissem Druck und dass, wenn diese Bedingungen aufhörten, ein Theil des Gummis sich bei Verdampfung des Alkohols wieder auf der Faser festsetzte, und nun erst recht haftend wirkte. Diese Beobachtung brachte mich auf den Gedanken, das aus dem Apparat genommene Material nach dem Ausspülen nicht zu trocknen, resp. nicht völlig zu trocknen, sondern in gewissem feuchten Zustande durch die Breche gehen zu lassen (resp. durch caunelirte Walzen) und sie feucht zu hecheln. Ich erörtere vorläufig nicht die ev. Wirkung der Feuchtigkeit auf die Hecheln selbst, sondern betone, dass die Ausführung dieses Gedankens in der That zu sehr günstigen Resultaten führte. Die Schäben und Rinden- und Holztheile glitten gleichsam an den Fasern, die durch die Feuchtigkeit und die noch flüssig gebliebene Gummilösung schlüpfrig gemacht worden sind, entlang. Schäbeproben zeigten unter dem Mikroskop ein Ausseheu, welches dieser Annahme entspricht. Dazu lehrte die Faserausbeute evident, dass dies feuchte Hecheln von Wichtigkeit und Erfolg sei. Bei der Isolirung mit Wasser stellte sich aus feuchtem Hecheln ein ähnlich günstiges Resultat dar. Nachdem diese Versuche gezeigt hatten, dass der Alkohol bei Benutzung von Isolirung unter Druck keine absolut nöthige Isolirflüssigkeit ist, kam es noch darauf an, zu ermitteln, ob nicht andere Flüssigkeiten und Lösungen eine bedeutendere Einwirkung zeigten. Es wurde daher eine Serie von ver schiedenen Mitteln unter gleichen Umständen benutzt, allein kein einziges ergab bessere Erträge, wohl aber viele sehr merkwürdige Einwirkungen auf die Fasern selbst, wie ich dies später darzulegen beabsichtige. Zur Evidenz aber stellte sich heraus, dass die bisher beliebte Form der Characteri- sirung von Isolirmitteln durchaus unpassend und unrichtig sei. Wie in dem vorliegenden Verfahren, führen die Erfinder ihr event. Mittel an als geeignet zur Isolirung von allen vegetabilischen Gespinnstfasern! Das ist eine völlig unrichtige Bezeichnung. Ich habe gefunden, dass solche Mittel nur selten dieselbe isolirende Wirkung auf verschiedene Fasern ausüben, — ganz besonders stark ist der Gegensatz zwischen dem Verhalten von Flachs und der Nesselfasern. Beim Röst verfahren ist das natürlich etwas anderes. Das Röstverfahren lässt sich auf alle Vegetabilien anwenden; — aber auch schon dabei kommt es auf die Zeitdauer, das Wasser, die Witterung u. s. w. an. Chemikalien gegenüber verhält sich jede Gespinnst- faser anders als die wenn auch nahe verwandte. Deshalb befindet sich das Streben nach Isolirungsmethoden, welches meistens Universalmethoden erfinden will, im Irrthum, und der Eifer der Erfinder sollte sich an eine bestimmte Faser halten, um zu einem guten, für diese Faser brauchbaren Resultat zu kommen. Ich bedaure, dass die von so vielen tüchtigen Kräften und mit so vielen Geldmitteln durchgeführten Untersuchungen dieser Anfangs als aussichtsvoll erscheinenden Methode ein negatives Resultat ergeben haben. Nachdem ich dem tech nischen Ausschuss hiervon Keimtniss gegeben, hat derselbe in seiner letzten Sitzung beschlossen, beim Verein für Gewerb- fleiss den Antrag zu stellen: Der Verein wolle beschliessen: Die Preisaufgabe, betr. Isolirung der Nesselfaser, ist durch die eingereichte Bewerbung mit dem Motto: „Inveuiendo invenire discunt“ nicht gelöst worden. Die Ertheilung des Preises kann also nicht erfolgen.