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.; Seite 6 Allgemeine Zeitschrift für Textil-Industrie. Jahrg. 1885 Es kommt vor, dass eine Weberei an einem kleinen Bache oder an einem Brunnen angelegt wird, deren Wasser eine Menge Salze oder Eisen enthält und somit sehr hart ist und heim Eindampfen viel festen Rückstand hinterlässt. Nach einiger Zeit scheint es nöthig, eine eigene Färberei, Druckerei und Bleicherei, auch Appretur anzulegen — aber ohne Rück sicht auf die Quantität und Qualität des vorhandenen Wassers zu nehmen. Abgesehen davon, dass kalkhaltiges Wasser, welches zum Speisen der Dampfkessel benutzt wird, schädlich auf dieselben einwirkt und Kesselstein absetzt und die Mittel, welche zur Verhütung des Kesselsteins angewandt werden, nachher der Bleiche schaden. Z. B. wird Catechu seinem Gehalte an Gerbsäure wegen angewandt und färbt das mit dem Dampfe erhitzte Bleichbad an. Das gipshaltige Wasser eignet sich durchaus nicht zur Seifenpassage und zum Waschen, man verbraucht je nach der Härte des Wassers 2 / s Th. Seife mehr, als wie man bei einem weichen Wasser, z. B. Regenwasser, anzuwenden hätte, um denselben Zweck zu erreichen, da das Wasser frei von Salzen und nur wenig Ammoniak und Salpetersäure enthält, welche deu Farben u. s. w. durchaus nicht schädlich sind. Regen- oder kalkfreies Wasser besitzt die Fähigkeit, Sub stanzen leicht zu lösen. Das eisenhaltige Wasser eignet sich nun nicht zum Bleichen, nicht zum Färben (ausser Schwarz, Braun und dunklen Mode farben) und Druckfarben-Bereitung wie Alizarin-Roth oder Blau und dennoch wird verlangt, dass diese Farben und die Bleiche in der neu eingerichteten Färberei hergestellt werden. Die Resultate, welche mit dem genannten Wasser erzielt wer den, sind natürlich ungünstig. Wen trifft die Schuld — natürlich Niemanden anders als den Färber, Bleicher oder Drucker — aber der arme Mann ist meist ebenso wenig im Stande, eine Wasseranalyse zu machen, wie sein Principal. Ersterer fügt sich einfach den Anordnungen seines Chefs und bleicht, druckt und färbt, was es Zeug hält — aber wie fallen die Farben aus! Ein Bekannter beklagte sich eines Tages bei mir, dass er in seiner neuen Stellung mit stark eisenhaltigem Wasser zu arbeiten habe, er seinem Chef hierüber Vorstellungen gemacht und dennoch darauf angewiesen sei, mit dem Wasser Roth- und Blau-Alizarindruck auf Beaverteens und Barchente herzustellen. Die rothen und blauen Alizarinfarben fielen natürlich nicht nach Muster aus, da Alizarinfarben resp. das Alizarin durchaus nicht mit Eisen in Berührung kommen darf. Und nun gab es unangenehme Auftritte, sogar der Lagerjunge, dessen Vater Lappenfärber im Kirchspiele war, hatte seine Bemerkungen zu machen, denn die Behauptung des Druckers war doch unrichtig, man sah im Wasser auch nicht das kleinste Stückchen Eisen. Jetzt wurde ein Colorist einer Lohndruckerei engagirt, in welcher man einen schönen Rothdruck herstellte und welchen dieser dort lieferte; ohne Weiteres fertigte der Mann die Druckfarbe an und siehe, die Stücke gingen — wie man zu sagen pflegt — in die Seife. Zu Hause konnte der Mann Rothdruck in guter Weise hersteilen, hier kann er es nicht? Jawohl, in seiner früheren Stellung hatte der Mann ein klares eisenfreies Wasser und hier hatte er es nicht. Ob der Chef heute glaubt, dass es am Wasser liegt, dass der Rothdruck nicht nach Wunsch ausfällt, kann ich nicht be haupten, jedenfalls wird er sich nicht dreimal an einen Stein stossen, denn sonst würde es nicht heissen: „Wer liefert echt- roth bedruckte Barchente?“ Es ist somit erforderlich, Rücksicht auf das Wasser zu nehmen bei Neuanlagen von Färbereien, Bleichereien, Appre turen und Druckereien. Nachstehend gebe eine Methode zur Untersuchung des Wassers an. Die Härtegrade eines Wassers für obengenannte Zwecke sollen nicht mehr als 30 deutsche Härtegrade betragen und nicht mehr als 150 Theile feste Rückstände auf 100,000 Theile Wasser beimVerdampfen hinterlassen. Es ist in Deutsch land Brauch, eine Einheit von Calciumoxyd (Kalk) in 100,000 Theilen Wasser Härtegrad zu nennen. Für vorkommende Magnesiumverbindungen kommt hier eine äquivalente Menge Kalk in Anrechnung. (Schluss folgt.) Die Isolirung der Gespinnstfasern aus Nessel pflanzen. (Schluss.) Nach Lösung dieser Frage wandte sich nunmehr die Aufmerksamkeit aller Betheiligten energisch der ersten Haupt frage zu. Es wurden grössere Quantitäten von Hanf, Flachs, Nessel und diversen anderen Faserstoffen zur Bearbeitung gebracht und als eine gewisse Quantität fertig war, wurde mit fremden Hechlern unter Controle der Commission ein Probehecheln zunächst mit Hanf vorgenommen, darauf mit Flachs. Die Erträge blieben weit hinter den Erträgen bei dem üblichen Verfahren zurück, und diese Misserfolge drängten denn allmählich darauf hin, zumal der Erfinder aus Nesseln gar kein Erträgniss mehr zu erzielen vermochte, — unabhängig von und mit Ausschluss des Erfinders eine ernste und gründliche Prüfungsserie vorzunehmen, zu deren Ueber- nahme ich mich um so mehr gern entschloss, als meine Ver bindung mit diesem, durch die Betheiligung grosser Geldkräfte in einen Nebel grösserer Wichtigkeit gehüllten Verfahren bereits in diversen Textilzeitschriften dahingehend besprochen war, dass man von mir doch recht bald klaren Wein über das Verfahren erwartete. — Die von mir und Herrn Dr. Braun durchgeführte Ver suchsreihe löste folgende Fragen: 1. Ist das Verführern so wie es vom Erfinder angegeben, zur Isolirung weicher Fasern auch brauchbar? — insbesondere a. ist hochgradiger Alkohol nöthig? b. ist Zusatz von Chlorwasser und Ammoniak nöthig? c. ist Ausschluss von Wasser nöthig? d. ist Anwendung von Druck nöthig? 2. Ist das Verfahren unter Beibehaltung von hochgradigem Alkohol unter Eintauchen der Faser und Wechsel der Eintauchfliissigkeitsmaassen brauchbar? 3. Ist das Verfahren ad 1) unter hohem Druck brauchbar? 4. Ist das Verfahren ad 2) unter hohem Druck brauchbar? Leider muss ich constatiren, dass die mehrfach wieder holten Versuche alle diese Fragen und Unterfragen (a bis d) negativ beantwortet haben. Es ist evident klar geworden, dass auch das Dessin des Apparates und die Wirkungsweise des Apparates für die Isolirung ohne Werth sei. Die Ausbeute der Versuche ergab stets einen sehr geringen Ertrag an langen Fasern. Die Beschaffenheit der Faser blieb immer roh, hart, strunkig, die Ablösung der Schäbe liess sehr viel zu wünschen übrig.*) *) Der Referent legte eine grössere Serie von Proben, die aus dieser Verarbeitung stammen, vor und erläuterte dieselben.