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Ich führe in Nachstehendem Beispiele an, aus denen er sichtlich, welche Fehler durch Unkenntniss der Schlichterei und Weberei dem Färber, Bleicher und Drucker bei seiner Arbeit entstehen können. Die zur Ausrüstung resp. Veredlung bestimmten Zeuge werden dem Färber übergeben und von diesem ohne ein Urtheil über die Qualität, Webart und der Schlichte, womit Kette und Einschlag der Zeuge gestärkt, zu besitzen oder sich überhaupt hierüber orientiren zu können, in Arbeit genommen. Der Stückfärber, welcher diese Zeilen liest, wird sich wohl erinnern, dass er manchmal Zeuge, z. B. küpenblau färbte, welche streifig in Farbe ausfielen; da derselbe die Zeuge, z. B. Nessel, in ordnungsmässiger Weise vor dem Färben genetzt hatte, so glaubte mau den Grund des Streifigwerdens im Um ziehen der Küpensterne oder Reifen suchen zu müssen, oder falls die Zeuge auf der Continue-Farbmaschine gefärbt worden, dass Kniffe in den Zeugen durch die beiden Ausquetschwalzen entstanden seien. Man wird ferner erfahren haben, dass Zeuge, welche zum Färben von Turnertuchen bestimmt waren, nach dem Färben bunt, streifig und marmorirt ausfielen, trotzdem das Färben mit der nöthigen Vorsicht von statten ging und alle mögliche Aufmerksamkeit bei allen Manipulationen, welche mit diesen Zeugen vorzunehmen sind, angewandt wurde. Der beste Stückfärber wird manchmal auf derartige Zeuge Stunden lang nüanciren und trotzdem die gewünschte Farbe nicht treffen, sondern noch dazu eine bunte Parthie färben. Weil er nun glaubt, es liege die Schuld des Buntwerdens am Farbstoff, oder aber das Wasser sei nicht gut, so räth er hin und her und der Weber schiebt natürlich die Schuld auf den Färber — denn das Buntwerden kommt doch nicht vom Weben — es kommt doch vom Färben?! Wie bekannt, werden die zum Verweben von Nessel be stimmten Kettgarne oder Warps stark geschlichtet, dies hat folgende Zwecke: 1. Ein besseres und leichteres Verweben zu ermöglichen, und 2. was die Hauptsache zu sein scheint, um die Drähte um 70 bis 100 % schwerer zu machen. Der Weber sollte sich die Frage stellen: „Schaden die der Schlichte zugegehenen Ingredienzien dem nachfolgenden Färben oder nicht? -1 Der Färber sollte auch wissen, welche Mittel und Stoffe zum Schlichten angewandt wurden, damit er sich beim Färben darnach richten könnte und nicht zu seinem eigenen Nachtheile darauf los arbeitete, oder aber er sollte im Stande sein, das ihm übergebene Zeug untersuchen zu können und die ausser Baumwolle darin befindlichen Stoffe nachzuweisen. Das Schlichten der Baumwollgarne (Kettgarne) geschieht mit folgenden Stoffen: Weizenmehl, Kartoffelmehl, Maismehl, Talg, Reismehl, Seife, Glycerin, Chlorcalcium, Chlormagnesium und anderen hygroskopischen Substanzen, welche mit Begierde Feuchtigkeit anziehen und das Zeug oder Gewebe erschweren und diese haben den Zweck, die Kettfäden beim Weben durch das Rieht zu bringen, ohne dass ein Rauhen oder Lockerwerden derselben stattfindet. Die Concurrenz lässt es nothwendig erscheinen, Beschwerungsmittel obiger Art der Waare beizu fügen, man geht, wie ich bereits erwähnte, so weit, die Zeuge auf 100 % zu erschweren. Ich werde ein derartiges Schwer schlichtmittel, welches zwar die Gewebefasern nicht ersetzt — und somit für den Consumenten werthlos, demnächst in einem besonderen Artikel genauer angegeben resp. beleuchten. Mancher Stückfärber kennt nicht einmal die Ingredienzien, welche zum Schlichten der Ketten zur Zeit angewandt werden und beim nachherigen Färben den Farben schädlich sind, ebenso wenig sind dem Weber oder Schlichter die Stoffe, welche derselbe nach irgend einem angekauiten und theuer bezahlten englischen Beschwerungsschlichtmittel, wodurch man zwar auf 70 bis 80 % schlichten kann, bekannt, welchen Ein fluss die Stoffe auf die Farben ausüben und missrathen lassen. Die Sache ist einmal die, der Weber schiebt die Schuld der ungleichmässig gefärbten Zeuge auf den Färber und der Färber die Schuld auf den Weber. Die Schlichte vollständig aus Idem Zeuge zu entfernen ist, wenn man die in der Schlichte enthaltenen Stoffe genau kennt, ausführbar, — bei leichten Nesseln ist es bei einer festhaften den harzigen Schlichte nicht möglich — oder aber es geschieht auf Kosten der Qualität, da die Zeuge zu sehr durch die zur Anwendung kommenden Kalk- oder Soda-Laugen, welche gebraucht werden, wenn der Schlichte eine Talgseife zugesetzt wurde, angegriffen werden. Abgesehen davon, dass es unstatthaft ist, überhaupt Kett garne auf 75 bis 100% zu beschweren, so sollten die in dieser Weise beschwerten Nesseln durchaus nicht zum Färben kommen, sondern als Rohwaare verkauft oder verwandt werden, denn es hat nicht allein keinen Zweck, schwer geschlichtete Waare färben zu lassen, da auf jeden Fall ein Theil der Schlichte durch die vor dem Färben stattfindenden Abkochungen aus dem Zeuge herausgeht und die Waare deshalb doch leichter in ihrem Gewichte wird, sondern hauptsächlich deshalb, weil auf dem mit allem möglichen Kleister beschwerten Zeuge keine ordentliche Farbe gebracht werden kann und dieselben bunt wie die Elstern werden. Man sieht hier, dass der Färber trotz aller Vorsicht und Mühe nicht im Staude ist, solche Zeuge zu färben und kamen die Streifen bei dem Blaufärben auf der Indigoküpe nicht vom wenigen Ziehen der Reifen, auch nicht von den Quetsch walzen, sondern in der Schlichte war der Fehler zu suchen. Hätte der Färber nur Kenntnisse in der Schlichterei gehabt, so würde er den Fehler sofort erkannt haben. Es ist aber eben schlimm, dass besonders in grösseren Etablissements die Schlichtmethoden so lauge als Geheimmittel vor dem Personal der Färberei bewahrt werden und die Inhaber der Etablisse ments den Färber nicht über die Schlichterei aufklären, son dern im Gegentheil im Unklaren lassen, damit das durchaus gute „Schliclitrecept“ nicht in die Schlichterei anderer Webe reien gerathe. Ich war zur Zeit mit einem „Receptsammler“ bekannt, derselbe haschte nach jedem Recepte und speicherte dieselben in seiner Feuerfesten sorgsam auf, hatte jedoch das Malheur, dass die emsig eingeheimsten Recepte für ihn total werthlos waren, und zwar deshalb, weil, wenn er ein Schlichtrecept erhielt, dasselbe keine Rücksicht auf das Färben nahm und umgekehrt; hätte der Mann Kenntnisse der Färberei gehabt oder sich dieselben effectiv erworben, so würden manche Con- fusionen, die er anstellte und zum eigenen Nachtheile waren, nicht vorgekommen sein. Das Wasser, welches zum Färben, Bleichen, Drucken und Waschen benutzt wird, übt ebenfalls einen grossen Einfluss auf die Schönheit der Farben und Reinheit der Bleiche aus und deshalb ist es nöthig, das Wasser einer Prüfung zu unter ziehen.