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Jahrg. 1SS1 Allgemeine Zeitschrift für Textil-Industrie. Seite 225 Nr. 15. Chemnitz-Leipzig, 15. August 1881. III. Jalirg. Inhalt. Abhandlungen: Regulatoren an Handwebstühlen. — Schaftmaschine für Hoch- nnd Tief-Fach von Carl Müller. — Neuerungen in der HerstelluDg von Velvet von J. Collings et sons. — Einrichtung an der Lamb'schen Strickmaschine etc. von Seyfert & Donner. — Neuerungen an Flechtmaschinen von Willi. Reising. — Vorrichtung zur selbstthätigen Regulirung der Deckerbewegung etc. von F. Anton Ludwig. — Maschine, um Garn oder Vorgespinnst in Absätzen oder strichweise zu färben, gleichzeitig zu spülen und trocknen von E. Ch. Davies. .— Druck mit Anilinschwarz. — Druckmuster (2 Proben). — Die Theerfarben - Industrie auf der Frankfurter Ausstellung 18S1. — Von der Frank furter Fatent- und Musterschutz - Ausstellung. — Reib- und Klopfwolf für carbonisirte Waaren von Aug. Bailly. — Schlesische Gewerbe- und Industrie - Ausstellung von Alb. Kriele. — Mittheilunsen: Fachschulzeitung, Weblehrerversammlung. — Brünner Fach schule für Weberei. — Patentwesen: Patent-Anmeldungen, Ertheilungen, Erlöschungen. — Erloschene Patente. — Vom Maschinenmarkte. — Literatur. — Inserate. IIMISI.ÜIQII?! s'Pjq -■ : : ; -., v - ^ ’« Regulatoren an Handwebstühlen. Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, dass hei den meisten Reformbestrebungen häufig die wichtigsten Factoren übersehen werden, während man Zeit und Opfer mit neben- ! sächlichen Dingen vergeudet. So ist man gegenwärtig aller Orten bestrebt, der Handweherei unter die Arme zu greifen und ihre gedrückte Lage etwas anfzubessern, das heisst, sie der mechanischen Weberei gegenüber concurrenzfähiger zu machen. Es werden in Webereidistricten in allen Städten, Städtchen und Dörfern Wehschulen errichtet, Vereine gegründet, statistische Erhebungen vorgenommen und öffentliche Vorträge gehalten, in welch’ letzteren dem Weher beigebracht wird, dass jeder Einzelne Künstler in seinem Fach werden müsse, um sich vor dem successiven Erdrücktwerden von Seiten der mechanischen Weberei zu schützen. Im grossen Ganzen dürfte es sich aber doch nur darum handeln, dem Handwehstuhl die jenige Verfassung zu gehen, welche ihm quantitativ und quali tativ productionsfähiger, das heisst, dem mechanischen Stuhl ähnlicher gestaltet. Dazu aber dürfte ein praktisches mecha nisches Hilfsmittel mehr nützen, als alle theoretische Bered samkeit. Ein unverkennbarer Uebelstand hei der Handweberei ist und bleibt das Anstrecken der Waare, nicht nur, dass viel Zeit und Mühe auf Kosten des zu erzielenden Quantums ver loren geht, auch die Eleganz und Gleichmässigkeit der Waare ! leidet sehr darunter. Durch das Lockern der Kette, das vor jedesmaligem Anstrecken erfolgen muss, wird nicht allein der Kettenfaden etwas gewalkt, es wird auch den Webern nur in den seltensten Fällen gelingen, genau die vorherige Straffheit j wieder zu erzielen. Ausserdem ist in Folge des bald längern bald kürzern Weges, welchen die Lade zu durchlaufen hat, die Wirkung des Zuschlagens, dem Gesetz des Falles folgend, eine ungleiche, so dass sowohl die Einlage des Schussfadens, als auch die Stärke des Kettenfadens ungleichmässig ausfällt, und ist hei einem auf diese Weise gewebten Stück Waare, dem Licht entgegen gehalten, genau nachzuweisen, wie oft der Weber Ecke gelassen, angestreckt hatte. Beregte Uebel- stände sind nun allerdings einzig und allein durch gut con- struirte und solid ausgeführte Regulatoren und sachgemässe Bremsvorrichtungen an den Kettenbäumen aus der Welt zu schaffen. Es sind ja auch schon Tausende Regulatoren zum Segen der Handweher in Betrieb, aber immerhin müssen noch Tausende und Abertausende armer Handweber sich in ihrer primitiven Weise fortbehelfen, und ist es wahrlich bezeichnend genug, dass gerade in jenen Districten, in welchen der Regulator noch wenig oder gar keinen Eingang gefunden, die Weber am meisten mit Noth und Sorgen zu kämpfen haben. Hier zeigt sich nun allerdings ein Punkt, wo es sich lohnte, den Hebel einzusetzen; hier eröffnet sich ein Feld der Thätig- keit für alle Diejenigen, welchen es ernstlich um die Hebung und Aufbesserung der Handweberei zu thun ist. Kur in den seltensten Fällen wird es dem Handweber möglich sein, sich aus eigenen Mitteln derartige Vortheile theilhaftig zu machen und wäre es, wie gesagt, Sache Derer, die sich die Aufbesser ung der Handweberei zur Aufgabe gestellt, hilfsbedürftigen Webern bei Anschaffung derartiger Hilfsmittel an die Hand zu gehen. Im Anschluss hieran wollen wir nicht verfehlen, unsern verehrl. Lesern einen Regulator in Wort und Bild vorzuführen. Der Regulator hat bekanntlich den Zweck, die fertig werdende Waare selbstthätig auf den Waarenbaum zu wickeln und somit dem Weber der Mühe des Anstreckens zu entheben, ausserdem aber, was auch schwer in die Waage fällt, in Gemeinschaft mit der Bremse der Waare ein elegan teres, gleichmässigeres Aussehen zu verleihen. Vorstehender Regulator*) ist für alle Waaren, deren directes Aufwickeln auf den Waarenbaum zulässig, anwendbar und an Handstühlen aller Constructionen, alt oder neu, leicht und bequem anzu bringen, die Anbringung geschieht am besten in folgender Weise: Man schneidet den vorhandenen Waarenbaum an beiden Enden bis zur gehörigen Länge ab, schlitzt die Kreuz- resp. Schaufelzapfen genau ein und befestigt sie gut mit kräftigen Holzschrauben, dann legt man den Baum parallel in den Stuhl und zwar so, dass der mit der eingehobelten Xuthe versehene lange Zapfen auf die rechte und der kurze Zapfen *) Die uns bekannte empfehlenswertheste Bezugsquelle für Regula toren ist: Rob. Liebau in Chemnitz (Sachsen). Die Redaction.