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Jahrg. 1881 . >.•.*r Allgemeine Zeitschrift für Textil-Industrie. Seite 145 ,.x».♦ .«r .. ALLGEMEINE ZEITSCHRIFT r». •* • • « • T EXT1L-1NDUSTR1E. («m: •'' Q 1 «N,• CHT.F-REDArTF.iR: PH. ZALUD in Chemnitz. W « '•' • H H. Ä .H • < >* ♦ *'K ' JVr. 10. Chemnitz—Wien—Leipzig, 15. Mai 1881. III. Jahrg. Inhalt. Abhandlungen: Wo sollen Spinnereien und Webereien errichtet werden? — Stu fenleiter für Melangen von R. Denk. Das Wissenswertheste über die Zusammenstellung farbiger Streichwollen, genannt „Melangen“. — Muster-Compositionen. — Ueber Wirkerei und Strickerei. — Ueber das nichtgrünende Anilinschwarz. — Beschreibung der Druckmuster in Nr. 9. — Neuerungen an Apparaten zum Chiniren von Geweben und Gespinnsten. Neuerungen an der Maschine zum Anspressen gesponnener Stoffe ohne Ende. Ein ver bessertes Appreturveredlnngsverfahren für Petinet (Ilobbinet) und Marly. Patentwesen: Das Piratenthum auf dem Gebiete der Erfindungen von H. Knoblauch. — Erloschene Patente. — Patent-Anmeldungen. — Patent-Ertheilungen. — Patent-Erlöschungen. — Patent-Liste. — 2 Druckmuster. — Inserate. H $ ivri» ABHÄKPIjUHGEK, mmm • . ’ Jm i.'.V.ViV.« Wo sollen Spinnereien und Webereien errichtet werden ? Die Ausdehnung der Textil-Industrie in Deutschland hat zu manchen Anomalien Veranlassung gegeben. Spinnereien und Webereien sind während der letzten 25 Jahre in allen Theilen des Landes entstanden, im Norden, Süden, Osten und Westen und folglich auf diese Weise an vielen Stellen, wo sie nicht hätten sein sollen. Der deutsche .Michel hat in dieser Hinsicht viel zu verantworten. Die Sucht, wenn wir so sagen sollen, dem Auslande, speciell England und Frankreich nach zuahmen, und die Eivalerie zwischen den verschiedenen Staaten unseres lieben Deutschlands hat das Begehren verursacht, in jedem Staate, in jedem Winkel eine Spinnerei und V T eberei zu haben, gleichviel ob die örtlichen Verhältnisse dazu günstig waren oder nicht. Hierin unterscheidet sich die Textil-In- dustrie mit Nachtheil von der Eisen- namentlich der Maschinen- fabrication. Auf dem Lande finden wir weniger Maschinen fabriken; diese sind meistens in grösseren Städten zu suchen, denn die Arbeiter hierin sind ausschliesslich Männer und Männer haben in der Eegel Frauen und Kinder, die auch Beschäftigung haben müssen; diese ist für dieselben aber leichter in einer grossen Stadt zu finden, wo namentlich Mädchen stets gesucht sind; auf dem Lande finden diese aber weniger Beschäftigung und müssten daher ernährt werden anstatt sich selbst zu er nähren. Das Land bietet auch ausserdem keine besonderen Vortheile ausser einem billigen Boden, während solche Stellen in der Kegel abgelegen und daher für den Transport der schwereren Maschinen und des Eisens kostspieliger sind. Fragen wir nun, warum viele Spinnereien und Webereien da sind wo sie sind. Von diesen beiden Zweigen der Industrie ist die Weberei als Handweberei zuerst dagewesen; sie ist als Hausindustrie ursprünglich so zu sagen ein Nebenproduct ge wesen. Im Winter, wo die Ackerbauer nichts auf dem Felde zu thun hatten, haben sie ihre Zeit damit ausgefüllt, zuerst den eigenen Bedarf in Kleidungsmaterial zu decken und dann für den Bedarf der Städte zu arbeiten. Die Uebung, welche sie auf diese Weise im Weben erhielten, veranlasste nach und nach die körperlich schwächeren Leute, diese Beschäftigung auch in den besseren Jahreszeiten zu verfolgen, namentlich in den Gegenden, wo der Boden schlecht war und folglich zu dessen Bearbeitung weniger Leute erforderlich waren. Auf diese Weise concentrirte sich die Baumwollweberei als ein Hausgewerbe in den sächsischen und schlesischen Gebirgs gegenden und den sandigen Districten des Münsterlandes und des benachbarten Hollands. Mit der Wollenweberei war es etwas anderes. Da diese ihr Kohmaterial im Lande selbst fand, so siedelte sich die Weberei dieses Materiales einiger- massen um die Spinnereien an und diese wählten die damals für sie am günstigsten gelegenen Orte, wo sie gutes und hin reichendes Wasser zum Betriebe und Waschen vorfanden. Die allmähliche Ausdehnung der Wollindustrie hat daher auch die alten Centren nicht verschoben und wenn schon heutzutage ein guter Communicationsplatz für Eisenbahn und die Noth- wendigkeit des Dampfbetriebes wichtiger sind, als ein guter Wasserfall, so haben auf der anderen Seite Wollspinnereien nicht an den Folgen einer unrichtigen Situation gelitten, da die Nachbarschaft des Wassers und der Berge ihnen, wie wir günstig ist. weiter unten zeigen werden, besonders Wenn nun, wie oben gesagt, che Baumwollbaudweberei sich an vielen Orten des schlechten Bodens halber concentrirt hat, so war dies doch kein Grund, warum che mechanische Weberei und che Spinnerei ihr dahin folgen sollte. Viele Geschäfte gewannen im Laufe der Zeit an Ausdehnung, so dass eine mechanische Weberei allmählich aus der Hand weberei hervorging; che Leute waren da, die Familien Verhält nisse waren an dem Orte concentrirt, das Geschäft war einmal bekannt und so blieb man da, anstatt, wie man hätte thun sollen, die mechanische Weberei an einem passenderen Orte zu errichten und das Geschäft allmählich dahin zu übersiedeln, wie verschiedene Fabrikanten es zu ihrem offenbaren Nutzen gethan haben. Die Baumwollspinnereien sind meistens auf andere Weise entstanden. Zur Errichtung einer solchen gehört em beträcht liches Kapital und die Idee zur Gründung einer Spinnerei ging daher in den meisten Fällen von Kapitalisten aus, che von der Spinnerei gar nichts verstanden; sie wollten Spinnereien als Speculation bauen, weil diese in England und im Eisass prosperirten, übersahen aber ganz, zu fragen, warum diese Erfolg hatten. Wenn wir dem Urspruuge der englischen Spinnereien nachforschen, so werden wir finden, dass, mit einzelnen Ausnahmen, diese in den Grafschaften von Lancashire und Yorkshire errichtet wurden und namentlich in gewissen Localitäten, weil diese den VortheiT grosser atmosphärischer Feuchtigkeit hatten, hervorgebracht durch ihre Lage zwischen der See und den benachbarten Hügeln; ches ist so augen scheinlich, dass über diese Hügel hinaus, wo che Luft weniger mit Feuchtigkeit gesättigt ist, che Spinnereien allmählich ver schwinden. Dasselbe ist im Eisass der Fall, wo man che Spinnereien zwischen den Bergen findet, die, durch die Nähe der Schweiz begünstigt, sehr wassexhaltig sind. Die Schweiz selbst ist auf gleiche Weise bevortheilt und ihre Spinnereien profitiren von diesen Verhältnissen. Ahe Spinnstoffe, Wolle, Baumwolle, Seide, Flachs etc. sind röhrenförmig und ziehen daher che Feuchtigkeit aus der Luft an; diese Feuchtigkeit giebt ihnen dann nicht nur Geschmeidigkeit, sondern auch Stärke. Dass ein feuchter Faden stärker ist als ein trockener, brauchen wir wohl Niemandem zu lehren und jeder Weber kennt nur zu wohl che Leichtigkeit, mit der er sein Gewebe an einem regnerischen Tage dicht machen kann. Dieser ein-