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Politik und allgemeine volkswirtschaftliche Fragen liegen unserem Programm fern. Die „Allgemeine Zeitschrift für T e x til-In dustri e“ will kein Partei-Organ sein. Unser Bestreben ist darauf gerichtet, den auf wissenschaftlichem Wege erzielten Errungenschaften der modernen Technik ausgiebige und rasche Verbreitung zu geben und hiedurch fördernd und be lebend auf die heimische Industrie einzuwirken, deren Diensten unser Unternehmen gewidmet ist. Aus diesem Grunde haben wir auch die Veröffentlichung von Handels- und Marktberichten nicht in’s Programm aufgenommen. Dagegen waren wir bedacht, den Fachgenossen der von unserem neuen Unternehmen vertretenen Industrie, Gelegenheit zur öffentlichen Erörterung und Discussion aller in’s Fach schlagenden Fragen zu bieten. Die Rubrik: „Meinungs austausch“ steht Jedermann offen, der die Absicht hat, seine Meinung über die verschiedenen Fachthemata auszu sprechen oder diesbezüglich # Aufschlüsse und Aufklärungen zu verlangen. Wir hoffen und wünschen, dass von dieser Rubrik der entsprechende Gebrauch gemacht werde; es könnte dies zur Beseitigung so manches Uebelstandes, zur Richtigstellung so manches Irrthums führen. Auch der „Fragekasten“ ist unseren verehrten Lesern reservirt. Da diese Rubrik erfahrungsmässig häufig benützt zu werden pflegt, so haben wir Veranstaltung getroffen, dass alle auf die Textil-Industrie bezüglichen Anfragen, womöglich schon in der darauf folgenden Nummer, gründliche auf fach männischer Erfahrung beruhende, gediegene Antworten finden. In einer andern Rubrik werden wir alle Publicationen bringen, welche sich auf Lieferungen für das Heer, die Marine, für Erziehungs-, Kranken- und Strafhäuser u. s. w. beziehen oder die Vermittlung von Stellen, den Kauf und Ver k a uf von Maschinen und Apparaten betreffen. Hiemit empfehlen wir die „Allgemeine Zeitschrift für Textil-Industrie- dem Wohlwollen des Publikums, für das sie bestimmt ist. Fortan soll sie es selbst thun, dadurch, dass sie hält, was sie verspricht. Die Redaction. IHv neuen Erscheinungen auf dem Felde der Streichgarn-Spinnerei. i. Wohl auf keinem Felde der gesammten Wollen-In.dust.rie sind die in den letzten zehn Jahren aufgetauchten Neuerungen von durchschlagenderem Werthe gewesen, als auf dem Felde der Streichgarnspinnerei; denn erhöhte Leistungen in Bezug auf Qualität und Quantität der Gespinnste waren die Zielpunkte, von denen die verschiedenen Construc- teure der hiezu nöthigen Apparate und Maschinen sich fast ausschliesslich leiten liessen. Wir erinnern hiebei nur an den Riemehen-Theilapparat der Continue und den Metier fixe, oder Spinnstuhl ohne Wagen-Ausgang von Cölestin Martin in Verviers, sowie anderer Celebritäten im Spinnereifache. Es ist jedoch eine bekannte Thatsache, dass Neuerungen nicht immer Besserungen in sieh schliessen und dass ein jedes Ding seine zwei Seiten, auf denen Licht und Schatten mehr oder weniger vertheilt ist, hat und dass im Ferneren diese Neuerungen gewöhnlich immer erst einen Läuterungsprocess durchmachen müssen, ehe sie zu derjenigen Vollkommenheit gelangen, um nach allen Seiten hin tadellos functioniren zu können und den angestrebten Zweck ganz und voll zu erfüllen. Unter denjenigen deutschen Firmen, welche sich durch derartige Verbesserungen auf dem Felde der Streichgarn spinnerei ein namhaftes Verdienst um die gesammte Wollen- waaren-Industrie erworben, steht die sächsische Maschi nenfabrik, vormals Richard Hartmann in Chemnitz mit an der Spitze. Schon seit einer Reihe von Jahren ist genannte Fabrik unausgesetzt bemüht gewesen, die zur Erzeu gung von Streichgarnen bestimmten Maschinen derart zu ver- | vollkommnen, dass solche den perpetuirlichen Ansprüchen der I Fachwelt nach allen Richtungen hin entsprechen. Die nach folgenden Zeilen haben nun den Zweck, den geehrten, sich dafür interessirenden Lesern dieses Blattes die Neuheiten dieser Fabrik, und zwar auf dem Gebiete der Streichgarn spinnerei, in möglichst gedrängter und doch eingehender Weise vorzuführen und deren praktischen Werth zu besprechen, und halten wir uns zunächst an das von der genannten Firma in allerneuester Zeit construirte Krempel-System und lassen alsdann einen kurzen Ueberblick über die Vorzüge ihres neuesten Streichgarn-Selfactors folgen. Es ist in der Fachwelt wohl als allgemein bekannt voraus zusetzen, dass die verschiedenen Systeme der Streichgarn- Krempeln im Princip nur in zwei Kategorien, wenigstens bis in allerneuester Zeit, getheilt wurden, und zwar indasPelz- und das Band-System. Es ist nicht Zweck dieser Zeilen, auf die Vorzüge, respective den minderen praktischen Werth des einen dieser Systeme gegenüber dem andern hier einzu gehen, da wir in den zu besprechenden Maschinen es mit einem System zu thun haben, das auf einer Combination von Pelz und Band beruht. Die erste der hier in Betracht kom menden und zu einem Assortiment gehörenden drei Maschinen, die sogenannte Reisskrempel oder rohe Maschine, basirt auf dem Band-System. Der Unterschied zwischen der Pelz- und der Bandkrempel besteht nun darin, dass der vom Peigneur oder der Kammwalze abgekämmte Flor bei ersterer seiner ganzen Breite nach auf eine hölzerne Trommel gewickelt wird, wodurch sich nach einer bestimmten Anzahl von Um drehungen dieser Trommel eine Watte oder Pelz bildet, der, sobald er die vorgeschriebene Schwere erreicht hat, durch gerissen und abgenommen wird, während bei letzterer der Flor in gereffter Form durch einen vor dem Peigneur ange brachten, langsam rotirenden Trichter geführt, und nachdem er noch zwei eiserne Druck-, respective Zugcylinder passirt hat, auf eine von einem Wickel-Apparat in Bewegung gesetzte Spule aufgewunden wird. Sobald nun diese Spule den vor schriftsmässigen Durchmesser erreicht hat, gibt ein mit dem Wickel-Mechanismus verbundener Läute-Apparat durch Anschlag an eine Glocke ein Zeichen, damit die bedienende Person die volle Spule entfernen und eine neue leere einlegen kann. Es liegt auf der Hand, dass bei diesem- System es auf eine äusserst genaue Auflage der rohen Wolle auf den Vorleg tisch der Maschine ankam, um ein entsprechend ganz gleich mässiges Band zu erhalten. Legt man beispielsweise auf den Vorlegtisch der Maschine die Wolle in der Länge von 4 bis 5 Zoll etwas stärker, respective dicker auf, als dies eigentlich geschehen soll, so muss das auf der entgegenge setzten Seite der' Maschine herauskommende Band auf eine Länge stärker ausfallen, die der so und sovielmal grösseren Weggeschwindigkeit des Peigneurs gegenüber dem Einführungs- Mechanismus des Tisches entspricht. Beim Pelzsystem werden diese Ungleichheiten in der Auflage der Wolle aber insofern ausgeglichen, als der aus einer solchen ungleichen Auflage resultirende stärkere Flor sich auf den ganzen Umfang der Pelztrommel vertheilt. In richtiger Würdigung dieses eben angeführten, dem Bandsystem anhaftenden Uebelstandes hat nun die sächsische Maschinenfabrik einen selbsttätigen Vorlege- Apparat construirt und der Reisskrempel beigefügt, der ganz unabhängig von dem Willen der die Krempel bedienenden Person eine ganz gleichmässige Auflage der Wolle bewirkt. Zu diesem Behufe wird der Füllkasten des Apparates einfach mit Wolle gefüllt, welche nun durch zwei Zuführungswalzen auf dem Latten- oder Vorlegetisch der Maschine ausgebreitet wird. Auf eine äusserst sinnreiche Weise wird nun die von den Zuführungswalzen etwa zu viel erfasste Wolle durch eine über denselben angebrachte Stachelwalze erfasst und in den Füllkasten des Apparates zurückgeschleudert, so dass also eine ungleiche Auflage der Wolle fast undenkbar ist. Die bedie nende Kremplerin hat also nur darauf zu achten, dass der Füllkasten sich nicht gänzlich entleert, und ist ausserdem der Walzenmechanismus verstellbar, um eben eine stärkere oder schwächere Auflage der Wolle zu ermöglichen. In Vorstehendem sind nun die Vorzügo dieser Reiss krempel in Bezug auf erhöhte qualitative Leistungen genügend